Der Stimmzettel zur Europawahl ist in Deutschland rund 80 Centimeter lang. 34 Parteien und politische Vereinigungen sind zugelassen worden. © Ralf Stephan

Wahl-Programme 2024: Wie stehen die Parteien zur Landwirtschaft?

Am Sonntag, den 9. Juni, findet die Europawahl statt, und jeder Wahlberechtigte hat nur eine Stimme. Nur wenige Politiker werden in der Parlamentsarbeit aktiv für die Landwirtschaft eintreten. Wir blicken in die Wahl-Programme und fassen im Folgenden die Aussagen derer zusammen, denen ein maßgeblicher Einfluss zuzutrauen ist.

Von Ralf Stephan

Deutschland kann 96 Abgeordnete in das Parlament nach Straßburg und Brüssel entsenden, genauso viele wie 2019. Gewählt wird in allen Mitgliedstaaten nach dem Verhältniswahlrecht. Das bedeutet: Je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Europa-Abgeordnete schickt sie ins Parlament. Direktmandate, wie bei der Bundestagswahl, gibt es nicht. Jeder Wahlberechtigte hat daher auch nur eine Stimme.

Ebenso wenig gibt es eine Sperrklausel. Das führte dazu, dass dem aktuellen Europa-Parlament 14 deutsche Parteien angehören, die Hälfte davon verfügt aber lediglich über einen oder zwei Sitze. Fünf Sitze haben FDP und Linke, mehr als fünf die CSU (6), AfD (11), SPD (16), Grüne (21) und CDU (23).

CDU für sofortigen „Belastungsstopp“

Zu den anstehenden Europawahlen wurden in Deutschland 34 Parteien und Vereinigungen zugelassen – von der „Aktion Bürger für Gerechtigkeit“ über die Liste „Menschliche Welt“ bis zur „V-Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer“.

Längst nicht alle befassen sich in ihren programmatischen Verlautbarungen mit der Landwirtschaft, und auch nur wenige werden in der Parlamentsarbeit agrarpolitisch bedeutsam in Erscheinung treten. Aussagen derer, denen ein maßgeblicher Einfluss zuzutrauen ist, sind im Folgenden zusammengestellt. Die CDU behandelt die Landwirtschaft in ihrem 25 Seiten starken gemeinsamen Europawahl-Programm mit der CSU unter der Überschrift „Regionale Erzeugung von Lebensmitteln sichern“.

Man setze sich für bessere Rahmenbedingungen ein und dabei vor allem auf Anreize und Unterstützung statt Verbote, heißt es dort. Die CDU will, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) „eine starke ökonomische Säule“ hat, die den Landwirten Schutz auf volatilen Märkten biete und es ihnen erlaube, nachhaltiger zu wirtschaften und ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Direktzahlungen sollen „eine echte Honorierung der vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft sein und stark vereinfacht werden“. Gefordert werden ein sofortiger „Belastungsstopp“, ein starker Impuls für Präzisionslandwirtschaft, neue Züchtungstechnologien, integriertes Schädlingsmanagement und den Einsatz von Robotik in der Landwirtschaft.

Grüne: Tierbesatz an Klimazielen messen

Die Grünen legten ein 114 Seiten starkes Papier vor. Im Abschnitt „Was Wohlstand schützt“ heißt das fünfseitige Kapitel  10 „Eine starke Landwirtschaft“. Gestärkt werden soll eine Landwirtschaft, die im Einklang mit der Natur arbeitet. Dazu wird eine „grundsätzliche Reform“ der EU-Agrarpolitik angestrebt.

„Dafür bedarf es eindeutiger Regelungen und Anreize für die Reduzierung von Pestizid­anwendung, Düngung und Viehbesatz sowie für Fruchtfolgen, den Anbau von Eiweißpflanzen und extensive Grünlandwirtschaft“, heißt es weiter. Diese Regelungen sollen zugleich bürokratiearm sein.

Grünes Ziel bleibt es, bis 2030 einen Anteil von 25  % Ökolandwirtschaft zu erreichen und diesen Anteil weiter zu erhöhen. Die Anzahl der Tiere in der EU-Landwirtschaft müsse sich zukünftig am Pariser Klimaschutzabkommen orientieren. Der Antibiotikaeinsatz sei „drastisch“ zu reduzieren, Reserveantibiotika sollten grundsätzlich der Humanmedizin vorbehalten bleiben.

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SPD will die soziale Komponente stärken

Die SPD widmet sich auf Seite 13 ihres 50-seitigen Wahlprogramms der Landwirtschaft. Vorrangig wird ihr Beitrag zu den Umwelt- und Klimaschutzzielen erwähnt, zugleich die Notwendigkeit verlässlicher Rahmenbedingungen sowie die Ernährungs- und Einkommenssicherung genannt.

„Den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wollen wir weiter deutlich verringern“, heißt es. Den Einsatz neuer genomischer Techniken werde man ergebnisoffen prüfen. In der GAP sollten die sozialen Komponenten ausgebaut werden, gute Arbeitgeber/innen begünstigt werden.

AfD: Subventionen nicht nur nach Fläche

Das 86 Seiten starke Wahlprogramm der AfD behandelt die Landwirtschaft im Kapitel  7, gemeinsam mit dem Umwelt- und Verbraucherschutz. Die AfD will die Förderpolitik renationalisieren und auf diesem Wege zugleich vereinfachen.

Subven­tionen bleiben „zunächst bestehen, da in einem freien globalen Wettbewerb der Bauernstand aus Deutschland sonst verschwinden würde“, heißt es weiter. Die Subventionen müssten neben der Flächengröße die weiteren Leistung kleiner Fami­lienbetriebe berücksichtigen.

Greening-Auflagen müssten auf den Prüfstand, die „Vermaisung der Kulturlandschaft“ sowie die Spekulation mit landwirtschaftlichen Flächen sofort beendet werden.

FDP: Gute Politik geht auch ohne Geld

Eine marktwirtschaftliche Agrarpolitik, die weniger von Subven­tionszahlungen und überbordender Bürokratie geprägt ist, fordert die FDP ganz am Schluss ihres 21 Seiten umfassenden Beschlusses des Europaparteitages.

Gute Agrar­politik gebe es auch ohne Geld, heißt es weiter. „Die flächenbezogenen Direktzahlungen der Ersten Säule wollen wir daher schrittweise über einen Zeitraum von 15 Jahren abbauen. Im Gegenzug werden wir die Wettbewerbsbedingungen verbessern und Bürokratie radikal zurücknehmen.“ Gefordert werden EU-einheitliche Standards beim Tierschutz und eine Neuordnung des EU-Gentechnikrechts.

Linke: Landgrabbing soll verboten werden

Im Programm der Partei Die Linke geht es um Landwirtschaft im engeren Sinne im Kapitel  2, das sich der Wirtschaft widmet. Aufgezählt werden 23 konkrete Ziele. Nummer eins: Agrarförderung muss nach sozialen, ökologischen und gemeinwohlorientierten Kriterien eingesetzt werden. Nummer zwei ist der flächendeckende Mindestlohn, Nummer drei das „Landgrabbing“-Verbot.

BSW: Schutz vor Agrarkonzernen biete „Landwirtschaft dient zuerst der Ernährungssicherung im eigenen Land“, heißt es im Wahlprogramm vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Deshalb müsse die EU-Agrarpolitik stärker national und regional ausgerichtet werden. Freihandelsabkommen für Produkte, die hierzulande erzeugt werden können, lehnt BSW ab. Der Erhalt von Agrarfläche habe Priorität.

Bei Umweltauflagen seien Landwirte einzubeziehen und Kompromisse zu finden. „Ein Desaster wie bei der Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie durch die Düngegesetzgebung muss verhindert werden“, heißt es weiter. Landwirte sollen vor „großen Agrarkonzernen“ geschützt werden, „Agrogentechnik“ wird abgelehnt.

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