Zwischenspiel mit Rispen
Im brandenburgischen Wölsickendorf wurde in diesem Jahr extensive Körnerhirse angebaut. Der Praxisversuch zeigt das Potenzial der Kultur, aber auch die Schwierigkeiten.
Fotos: Carsten Schleinitz, Sabine Rübensaat
Fragen stellen ist das eine, Antworten finden das andere. Immer wieder taucht die Frage nach Anbaualternativen auf. Welche Kultur lässt sich mit vorhandener Technik gewinnbringend in bestehende Fruchtfolgen integrieren? Kann sich die Pflanze mit den Wetterunbilden hiesiger Breitengrade arrangieren? Und vor allem: Ist ein angemessener Pflanzenschutz möglich? Drei Fragen, auf die es mindestens drei Antworten geben sollte. Aber beginnen wir vorn. Vielfalt ist Pflicht, doch die Möglichkeiten, als Ackerbaubetrieb sein Anbauspektrum zu erweitern, sind überschaubar. Obst, Gemüse oder Spargel passen nicht zur Drillmaschine und dem Mähdrescher.
Produktive Nische
Hier kommt die uralte Kultur Körnerhirse ins Spiel. War es bei den Gebrüdern Grimm noch der süße Hirsebrei, der unermüdlich aus dem Töpfchen quoll, ist Hirse heute vor allem für die Nutzung als Gärsubstrat (Zuckerhirse oder Sorghum), aber auch für die Nutzung der Körner als Vogelfutterkomponente bekannt.
Carsten Schleinitz aus dem brandenburgischen Wölsickendorf ist seit Jahren im Agrarhandel unterwegs. „Vor ein paar Jahren stieg die Nachfrage nach Hirse für Wintervogelfutter. Ich konnte hier jedoch keine Ernteware finden. Fündig wurden wir schließlich in Ostpolen. Jenseits der Oder wird nämlich traditionell viel Körnerhirse angebaut“, so Schleinitz. Die umfassenden Einschränkungen der letzten zwei Jahre weckten den Gedanken, ob sich ein Anbau nicht auch in Deutschland realisieren ließe. Er erklärt: „Leider wurde die Körnerhirse in Deutschland das letzte Mal in den 1930er-Jahren züchterisch bearbeitet. Deshalb habe ich Kontakt mit dem polnischen Züchterhaus HR Smolice aufgenommen.
Sie sind meines Wissens nach das einzige Züchterhaus, das eine moderne, extensive Körnerhirsesorte im Angebot hat, nämlich die Liniensorte Jagna.“ Mit dieser extensiven Sorte ließen sich als Zweitfrucht beispielsweise nach Grünroggen bis zu 40 dt/ha Körnerertrag realisieren, so die Züchterangaben. Carsten Schleinitz besorgte Saatgut und überzeugte einen benachbarten Landwirt, die Körnerhirse versuchsweise auf 15 ha anzubauen.
Der erste Versuch
Ausgesät wird die Körnerhirse am besten zwischen dem 15. und 30. Mai. Nach etwa 110 Vegetationstagen erreicht sie dann die Druschreife. In Wölsickendorf war die Vorfrucht Mais, sodass nach einer Behandlung mit Roundup nur eine einfache Bodenbearbeitung vor der Aussaat erfolgte. Ebenfalls vor der Saat wurde die Fläche mit 100 kg/ha N (KAS) gedüngt. Hirse ist aber auch ein guter Verwerter von Wirtschaftsdünger. Gedrillt wurden 15 kg/ha. Carsten Schleinitz dazu: „Es handelt sich um eine Liniensorte. Das Kilo Saatgut kostet im Moment etwa drei Euro.“ Damit fallen die Saatgutkosten vergleichsweise gering aus.
Der Einsatz des Totalherbizids vor der Aussaat blieb auf der Versuchsfläche übrigens die einzige Pflanzenschutzmaßnahme in dieser Saison. Das ist insofern gut, da es für den Einsatz in Hirse zwar einige zugelassene Herbizide gibt, diese Zulassungen aber nur für Sorghum als nachwachsender Rohstoff gelten. Für alle Herbizide sollte vor dem Einsatz in der Hirse in jedem Fall ein einzelbetrieblicher Genehmigungsantrag nach § 22 Abs. 2 (früher § 18b) des PflSchG bei der jeweils zuständigen Landesbehörde gestellt werden.
Zu beachten ist, dass die Hirse augenscheinlich auch vom Maiszünsler befallen wird. Die behaarten Stängel und Blätter der Hirse machen es Blattläusen hingegen schwer.
Bleibt noch die Frage nach der Tauglichkeit für hiesige Wetterverhältnisse. Als C4-Pflanze kann Hirse sehr gut mit Hitze und in gewissem Umfang auch mit Trockenheit umgehen. Das heißt aber nicht, dass es völlig ohne Wasser geht. Auch auf leichten Standorten scheint sie gut klarzukommen, wenn man den Züchterangaben Glauben schenken mag. Doch auch wenn sie eine Extensivsorte ist, so benötigt sie trotzdem ein Mindestmaß an Bodenbearbeitung und Bestandesführung.
Wo sie hinpassen könnte
Eindeutig ist, dass Körnerhirse auf unseren Standorten als Hauptkultur zu schwach ist. Dafür sind die Standorte zu teuer und die Erträge zu gering. Momentan werden vom Handel im Vertragsanbau für die Tonne Ernteware zwar zwischen 200–240 € bezahlt, doch mehr als dreieinhalb Tonnen Ertrag sind kaum machbar. Deshalb kann es sich umso mehr lohnen, die Körnerhirse als wertvolle Ergänzung in bestehende Nischen der Fruchtfolge einzubauen. Beispielsweise könnte man nach der Ernte des Grünroggens Körnerhirse bis Ende Mai säen. So hätte die Hirse genug Vegetationstage zur Verfügung, um die Druschreife Ende September zu erreichen. So genügend Bearbeitungskapazität vorhanden ist, ließe sich im Anschluss womöglich noch ein spätes Getreide aussäen. Es gäbe auch immer die Möglichkeit, bereits nach etwa 70 Vegetationstagen die Hirse als GPS zu ernten. So wäre die Fläche rechtzeitig zur Aussaat von Raps wieder verfügbar.
Trotz vieler Vorteile wie der Robustheit und der Nährstoff- und Wassereffizienz ist Hirse aber auch kein Zauberkraut. Es ist wie Mais und Getreide ein Süßgras. In Betrieben mit Maisanbau kann es während der Aussaat und Ernte zu Konflikten kommen, da beide Kulturen sich die Saat- und Erntezeitfenster teilen. Auch in Wölsickendorf wartet die Hirse immer noch auf den Drescher. Geteilt wird von beiden Kulturen offensichtlich auch der Schädling Maiszünsler. Deshalb schauen Sie genau hin und prüfen Ihre Nischen, ob Sie Platz für die Körnerhirse haben.
Nach gut 110 Vegetationstagen war der Hirsebestand Mitte September erntereif. Die Körner sind mit ihrer harten Schale sehr robust.
Interesse am Anbau?
Wenn Sie weitere Fragen zum Anbau und Vermarktung von Körnerhirse haben, freut sich Carsten Schleinitz auf Ihre Kontaktaufnahme. Sie erreichen ihn unter: carstenschleinitz@web.de