Waldbauern pflanzen Eichen statt Fichten
Seit der Wende gehört die Agrofarm eG Lüssow zu den Waldbauern. Die Aufforstung mit Roteichen ist ihr Versuch, den Wald nachhaltig zu bewirtschaften.
Von Gerd Rinas
Prüfend lässt Förster Karsten Mau seinen Blick über die Aufforstungsfläche im Lüssower Wald gleiten. Dort stehen junge Roteichen, von einem Randstreifen Esskastanien umschlossen. Zusammen mit Lars-Peter Loeck, Vorstandsvorsitzender der Agrofarm eG Lüssow, nimmt Mau mehrere der jungen Bäume aus der Nähe in Augenschein. Im Frühjahr waren hier auf 0,6 ha etwa 3.000 Roteichen gepflanzt worden.
Vertretbarer Ausfall: 9 von 10 bäumen sind angewachsen
Mau und Loeck haben sich heute auf der Fläche verabredet, um den Anwuchs zu kontrollieren und die weiteren Arbeiten zu besprechen. „Neun von zehn Pflanzen sind angewachsen, etwa jede zehnte ist vertrocknet. Das ist ein vertretbarer Ausfall“, schätzt Karsten Mau ein. Der 54-Jährige ist Revierförster im Forstamt Güstrow und betreut mit seinem Kollegen Gerd Salomon per Vertrag 98 ha Forsten im Eigentum der Agrofarm.
Noch im vorigen Jahr standen auf der Fläche, auf der nun die jungen Roteichen wachsen, 40 Jahre alte Fichten. Doch wie an vielen anderen Standorten bundesweit haben auch in Mecklenburg-Vorpommern durch die Trockenheit vor allem in den vergangenen drei Jahren die Kalamitäten stark zugenommen. „Auch dieser Bestand wurde von Borkenkäfern befallen, geschädigt, instabil und war nicht mehr zu halten. Es blieb nur der Kahlhieb“, berichtet Karsten Mau.
widerstandsfähige Bäume für das klima von morgen
Im Sommer 2020 rückte der Harvester an und fällte die erkrankten Fichten in wenigen Tagen. Eigentlich sollten die Bäume ihre Hiebreife erst in 40 Jahren erreichen. Die Nachricht von dem Borkenkäferbefall und dem notwendigen vorzeitigen Kahlhieb hatte Lars-Peter Loeck im vorigen Jahr zunächst geschockt. Die gefällten Bäume fanden zwar Käufer. „Aber der Holzmassenverlust durch den geringeren Baumumfang und die vorzeitige Endnutzung drückten den Verkaufserlös“, erinnert sich der Vorsitzende.
Letztlich konnten die Lüssower Landwirte noch froh sein, dass der Schaden überschaubar blieb. „Der angrenzende, ebenfalls 40-jährige Fichtenbestand ist offenbar verschont geblieben“, so Mau. Der Förster hofft, dass sich die Niederschläge in diesem Sommer positiv sowohl auf die Aufforstungsfläche als auch auf den älteren Bestand auswirken. Sicher ist dies keineswegs. „Mit den Roteichen wollen wir die hier vorherrschenden Kiefern- und Fichten-Bestandesbilder auflockern. Laubbäume wie Buchen, Eichen und andere sollen ja dem Klimawandel besser widerstehen können“, sagt Loeck.
Ganz bewusst haben sich die Landwirte mit der Neuanpflanzung an den Vorstellungen orientiert, die im sogenannten Zielwald des Landes aufgeschrieben sind. Darin wird empfohlen, vorherrschende Nadel- zu Mischwäldern umzubauen, um die natürliche Widerstandskraft der Forsten gegen den Klimawandel zu stärken. „Unsere Erfahrungen mit dem Anpflanzen von Laubbäumen sind aber sehr unterschiedlich. Auf den leichten Standorten um Lüssow stehen nicht zufällig meist Kiefern. Die Aufforstung von Laubbäumen hat hier in der Vergangenheit nicht funktioniert, die Bäume wuchsen nicht. Die Roteichen sind ein weiterer Versuch“, sagt Lars-Peter Loeck.
seit der Wende Waldbauern
Waldbauern sind die Lüssower erst seit der Wende. Nach der Umwandlung der ehemaligen LPG Tierproduktion ist die Agrofarm eG mit 18 ha Eigentumsland gestartet. Waldflächen waren nicht darunter. „Beim Ankauf von Landwirtschaftsflächen von privaten Eigentümern wird aber oft Wald mit zum Kauf angeboten, der meist während der Bodenreform mitübergeben wurde“, erläutert Loeck.
Seit 2005 haben die Lüssower zudem mehr als 27 ha Flächen aufgeforstet, darunter 13 ha ärmere Ackerstandorte. Auch dabei waren die Betreuung durch die Landesforst und der Rat der beiden Förster Karsten Mau und Gerd Salomon von großem Vorteil. „Wir sind seit vielen Jahren Partner und mit dem Bewirtschaftungsmodell sehr zufrieden“, sagt Lars-Peter Loeck.
Waldschutz mit Wirtschaftsplan
Jährlich wird ein Wirtschaftsplan erstellt. Darin sind u. a. Maßnahmen zum Waldschutz festgelegt. Die Förster kontrollieren die Bestände auf Borkenkäferbefall, erfassen das Schadholz aus Windbruch, Trockenschäden und Käferbefall, bereiten Verjüngung, Kulturpflege und die Holzernte vor. „Vor allem in den vergangenen drei Jahren haben Kalamitäten die Pläne aber oft über den Haufen geworfen. Doch gerade in solchen Notsituationen zahlt sich die Beförsterung aus“, so Loeck.
Um den Wald mit Baumarten umzubauen, die besser mit dem Klimawandel zurechtkommen, können Waldbauern in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz Fördermittel unter anderem für die Erstaufforstung in Anspruch nehmen. Zwar schossen seit Jahresbeginn die Kosten aufgrund der sprunghaft gestiegenen Umbaumaßnahmen nach Kalamitäten bundesweit in die Höhe: Für eine einjährige Eiche, inklusive Pflanzung werden jetzt statt 40 Cent ein Euro fällig.
Ein laufender Meter Zaun zum Schutz der jungen Baumpflanzen verteuerte sich von sechs auf zehn Euro. „Um so wichtiger ist die Beratung unserer beiden Förster zu den verschiedenen Fördermöglichkeiten“, betont Lars-Peter Loeck. So kostete die Lüssower die Aufforstung mit den Roteichen statt 5.000 nur 1.500 Euro. „Geld verdient haben wir mit unserem Wald bisher aber trotzdem nicht“, lässt Loeck durchblicken. Darum geht es den Lüssowern aber auch nicht vorrangig. „Wir wollen den Wald in ordentlichem Zustand halten und nachhaltig bewirtschaften. Darin sehen wir eine Investition in die Zukunft“, so der Vorsitzende.