Mietbeete in Mehrow

Mietbeet: Gärtnern macht glücklich …

Im Frühjahr werden die Mietbeete von Landwirt Arno Buchholz, Sohn Martin und dessen Freundin Michaela für die neue Saison vorbereitet. Insgesamt bewirtschaftet die Familie im Nebenerwerb sieben Hektar Fläche und baut hauptsächlich Futtergetreide an. Der Rest ist verpachtet bzw. wird an Hobbygärtner vermietet. © Thomas Uhlemann
Reportage
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… auch ohne eigenen Garten. Denn es gibt eine Alternative: das Mietbeet, das vor allem bei Städtern sehr beliebt ist – wie im brandenburgischen Mehrow am nordöstlichen Berliner Stadtrand.

Von Bärbel Arlt

Er ist superstolz auf seine hängenden Kürbisse – Truong Cong Chinh aus Vietnam. „Genauso wachsen sie in meiner Heimat auch“, sagt er überglücklich, denn im Frühjahr hat er nicht wirklich so recht glauben mögen, dass die grünen Riesen hier, am Berliner Stadtrand, so prächtig gedeihen und die Ernte so reichlich ausfällen würde.

Hier, am Berliner Stadtrand – das ist die brandenburgische Gemeinde Ahrensfelde oder genauer der Ortsteil Mehrow/Trappenfelde. Nebenerwerbslandwirt Martin Buchholz vermietet hier seit drei Jahren Gartenbeete mit einer Größe von rund 45 Quadratmetern. 37 Beete sind es in diesem Jahr gewesen. Gemietet werden sie überwiegend von Berlinern, die im nahen Hellersdorf und Marzahn zu Hause sind. Die Klientel der Hobbygärtner reicht vom Studenten über Familien bis hin zum Rentner. Die einen mieten, weil sie einfach Spaß am Gärtnern haben, für andere ist die Scholle Ausgleich zum stressigen Alltag, und für Familien ist es wichtig, hier draußen Natur mit den Kindern zu erleben und ihnen zu zeigen, was wo wann und wie wächst.

„ Mieten kann man unsere Beete von Anfang Mai bis Ende Oktober in drei Varianten“, erklärt Martin Buchholz. „In der Premium-Version wird die Fläche von uns mit etwa 20 Gemüsesorten – von Salat, Radieschen, Zwiebel über Brokkoli, Zucchini, Rote Bete bis hin zu Blumenkohl, Pastinaken und Hokkaido – bepflanzt und auch die Saison über automatisch bewässert. In der Standardversion wird auch automatisch bewässert, aber die Bepflanzung erfolgt durch den Mieter. Und in der Basisversion erfolgt alles in Eigenregie, wobei Brunnenwasser vor Ort zur Verfügung steht, ebenso Gießkannen und Gartengeräte für jeden.“

Mietbeet: eINE Fruchtbare Geschäftsidee

Was die Hobbygärtner auf ihren Mietbeeten säen und pflanzen – ihrer Kreativität sind dabei fast keine Grenzen gesetzt. „Doch drei Einschränkungen gibt es“, sagt Martin Buchholz. Angebaut werden dürfen keine Pfefferminze und kein Topinambur, „weil man diese Pflanzen nie wieder loswird“, und auch keine giftigen, illegalen und halluzinogenen Pflanzen. „Die kompletten rund 3.200 Quadratmeter sind von einem Wildzaun umgeben, sodass sich Kaninchen, Rehe, Wildschweine nicht am Gemüse bedienen können“, versichert Buchholz.

Und mit Blick über die Mietbeete erzählt der 37-Jährige, dass diese Fläche vorher von seinen Eltern, Mutter ist Tierarzthelferin und Vater gelernter Agrotechniker, seit 1992 im landwirtschaftlichen Nebenerwerb bewirtschaftet worden war. Angebaut wurden dort wie auch auf den insgesamt 24 ha Ackerflächen, die zum Familienbetrieb gehören, hauptsächlich Weizen, Gerste und Roggen als Futtergetreide.

Doch vor drei Jahren fiel die Entscheidung der Eltern, kürzerzutreten und Flächen abzugeben. So kamen Sohn Martin und seine Freundin Michaela auf die Idee, einen Teil der Fläche zu vermieten. Und damit lagen der Prüfingenieur für Elektrotechnik und die Tierarzthelferin goldrichtig. Denn viele Städter sind hungrig nach Grün, frischer Luft, frischem Gemüse aus eigenem Anbau. Zudem sind Kleingärten in Berlin zur Mangelware geworden und die Wartelisten lang. So waren die Beete in Mehrow auch ruckzuck vermietet.

Ein Stück Vietnam vor den Toren Berlins

Seit diesem Jahr gehören auch Truong Cong Chinh und seine Frau Xuan Nguyen Thi, die in Marzahn wohnen, zu den glücklichen Mietbeet-Gärtnern. „Ein Geschenk unserer Tochter“, sagt der 67-Jährige voller Stolz und überglücklich. Denn aus den 45 m2 hat er seit Anfang Mai einen prachtvollen vietnamesischen Garten gemacht, in dem nicht nur hängende Kürbisse gewachsen sind, sondern auch anderes asiatisches Gemüse wie Pak Choi, Wasserspinat, kletternder Spinat, Chrysanthemen, Chili, Klebemais.

Und fast alles gedeiht prächtig, was nicht zuletzt der guten Pflege zu verdanken ist, denn Herr Chinh ist fast jeden Tag mit seiner pflegebedürftigen Ehefrau im Garten. „Nur bei den Erdnüssen hat es mit dem Anbau leider nicht geklappt, für sie ist es hier doch zu kalt“, sagt er.

Dafür können zu seiner Überraschung reichlich Süßkartoffeln geerntet werden. Und bei jedem Gemüse, das er uns vorstellt, merkt man ihm an, wie sehr er sich über das Gedeihen der überwiegend fernöstlichen Pflanzen freut, und er verrät dazu gleich noch Rezepte und gibt gärtnerische Tipps. So wird zum Beispiel Wasserspinat, der in Asien als Sumpfpflanze gedeiht, nur kurz gedämpft, dann im Wok mit Knoblauch leicht angebraten. Dazu gibt es Rindfleisch und Nudeln. Und Wühlmäuse, so versichert er, vertreibt eine Brühe aus Essig, Chili und Knoblauch.

Mietbeet mit hängenden Kürbissen
Die prachtvollen hängende Kürbisse sind der ganze Stolz von Herrn Chinh und seiner Frau Xuan Nguyen Thii, die in dieser Saison fast täglich ihr Mietbeet beackert haben. (c) Thomas Uhlemann
Herrn Chinh und seiner Frau Xuan Nguyen Thii vor ihrem Mietbeet. (c) Thomas Uhlemann

1982, so erzählt er, kam er in die damalige DDR, hat in Leuna Chemiefacharbeiter gelernt, dann in Coswig gearbeitet. Seine Frau kam 1987 nach und war als Näherin tätig.

Seit 30 Jahren wohnen beide in Berlin-Marzahn, und bei seinen Radtouren habe er den Miet-Beet-Garten in Mehrow entdeckt und war begeistert. Tochter Huong Truong hat dann ein Beet gemietet, wohl wissend, dass sie mit diesem Geschenk ihren Eltern eine große Freude bereitet und das kleine Stück Garten so manche Heimatgefühle hervorrufen würde.

Und so kam es auch: „Das Beet mit all dem asiatischen Gemüse weckt Erinnerungen an meine Kindheit in der nordvietnamesischen Provinz Ninh Binh, wo ich aufgewachsen bin. Denn dort gab es frisches Obst und Gemüse immer aus dem eigenen Garten“, schwärmt Herr Chinh. Und jetzt endlich, nach so vielen Jahren, hat er nun gemeinsam mit seiner Frau auch sein eigenes kleines grünes Paradies – wenn auch fernab der Heimat.

Kräuteranbau und Miteinander auf dem Mietbeet

Doch nicht nur das vietnamesische Mietbeet ist eine Augenweide. Gleich nebenan gedeihen auf den Beeten von Klaus Alex aus Hellersdorf vor allem Kräuter, darunter viele exotische wie Japanischer Wasserpfeffer, Mammutbasilikum, Argentinische Myrte, Australisches Zitronenblatt, Andorn, Eibisch, Matico und auch Jiaogulan, das als Kraut der Unsterblichkeit gilt.

Alle Pflanzen hat er beschriftet und sogar mit einem QR-Code versehen, denn Fragen zu den Kräutern, die er anbaut, gibt es oft. Der 63-jährige Profikoch hat die Liebe zu den Kräutern einst in der Küche des „Französischen Hofes“ nahe dem Gendarmenmarkt in Berlin entdeckt, und sie sind für ihn unbedingter Bestandteil einer gesunden Ernährung. Doch nicht nur deshalb baut er sie auf seinem Mehrower Mietbeet an. Für ihn ist der kleine Garten auch ein Ort des Miteinanders und des Austausches. So gibt es natürlich vor allem mit seinem vietnamesischen Gartennachbarn Herr Chinh viele fruchtbare Gespräche.

Auf dem Mietbeet von Klaus Alex wächst Japanischer Wasserpfeffer, der, wie schon sein Name verrät, scharf und pfeffrig schmeckt und gern für Sushi und Sashimi verwendet wird. Die Pflanze blüht im Herbst und schmückt Gärten mit ihren dunklen, rot-grün marmorierten Blättern. Begeistert ist der Koch auch vom Australischen Zitronenblatt, dessen fleischige Blätter voller aromatischer ätherischer Öle sind und sich hervorragend für Eistee und zur Verfeinerung von Joghurt und Obstsalat eignen. (c) Thomas Uhlemann

Die meisten Beete sind jetzt Mitte Oktober fast abgeerntet. Am 1. November, so sagt Martin Buchholz, gibt es den sogenannten Räubertag. Da darf jeder Mietbeet-Gärtner mitnehmen, was noch auf der Fläche zu finden ist. Danach wird sie umgebrochen „Über den Winter säen wir dann eine Gründüngung, bestehend aus Senfsaat, damit sich der Boden erholen kann und genug Kraft für die neue Saison hat“, erklärt Martin Buchholz.

Mietbeet-Fläche wird verdoppelt

Im kommenden Jahr soll die Anbaufläche verdoppelt werden, denn die Nachfrage nach den Mietbeeten, die immer nur für eine Saison gemietet werden können, sei inzwischen riesig, und die Wartelisten seien auch dementsprechend lang geworden.

Klaus Alex und Truong Cong Chinh hoffen, dass auch sie wieder zu den Glücklichen gehören und im kommenden Jahr einen Garten mieten und bestellen können. Herr Chinh weiß auch schon, dass er es dann mal mit dem Anbau von Schwammgurken versuchen möchte, einer einjährigen Rankpflanze, die im tropischen Asien heimisch ist. Und mehr Süßkartoffeln soll es auch geben. Klaus Alex wiederum hat aus den diesjährigen Kräutern Samen gewonnen, die dann in der nächsten Gartenjahr in die Erde kommen.

Übrigens trägt jedes Mietbeet auch einen Namen. Das von Klaus Alex heißt „My Food“, andere nennen sich „Kunterbunt“, „Koljas Kolchose“, „Mamas Yoga“. Herr Chinh hat dem Mietbeet den Namen „Thanh Xuan“ gegeben. „Das bedeutet soviel wie junger Frühling“, sagt er mit einem fröhlichen Lächeln. Na, wenn das kein gutes Vorzeichen für die nächste Mietbeet-Saison ist.

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