Auszeige im Wald: Wer muss weichen?
Auf die Auszeige im Wald zu verzichten, wird mittlerweile zum Trend. Trotzdem ist sie unverzichtbar, um die Waldentwicklung in die gewünschte Richtung zu steuern – und die beste Möglichkeit, den eigenen Wald kennenzulernen.
Von Bernhard Henning, Gmünd
Die Auszeige ist in den letzten Jahren in vielen Forstbetrieben, aber auch bei bäuerlichen Waldbesitzern zu einer vergessenen Kunst geworden. Zeitmangel, immer größer werdende Reviere und mangelndes Fachwissen führten dazu, dass man auf die Auszeige gänzlich verzichtet oder sie dem Harvesterfahrer überlässt.
Dabei setzt die Auszeige den waldbaulichen Plan um und ist daher entscheidend, wie sich ein Bestand weiterentwickelt. Oder anders formuliert: einige Stunden für die Auszeige sollte man bereits sein zu opfern, wenn es um die langjährige Zukunft eines Bestandes geht.
Keine Auszeige ohne Plan
Bevor man sich an die Auszeige macht, sollte entschieden werden welche waldbaulichen Ziele mit der Maßnahme umgesetzt werden sollen. Neben Förderung der Verjüngung oder Regulierung der Baumartenmischung gehören zwei Zielsetzungen zu jeder erfolgreichen Maßnahme im Wald:
- Das Zuwachspotenzial an Holz soll auf die besten, also die vitalsten, stabilsten und wertvollsten Bäume konzentriert werden.
- Die Stabilität des Bestandes soll erhöht werden.
Gelingen kann das, indem man sorgsam die Bäume auswählt, die im Bestand verbleiben sollen, sowie eine Eingriffstärke wählt, die einerseits stark genug ist, um von den verbleibenden Bäumen Konkurrenzdruck zu nehmen, und gleichzeitig nicht die Stabilität des Bestandes gefährdet.
Waldbauliche Zielsetzungen der Auszeige
Es gibt eine Reihe von Zielen, abhängig vom Bestandeszustand und den Wünschen des Waldbesitzers, die man durch die Auszeige und eine nachfolgende Durchforstung umsetzen kann.
Förderung der Verjüngung: Sie kommt vor allem in älteren Beständen (ab 80 Jahren) zum Einsatz, durch die Schlägerung soll die Naturverjüngung eingeleitet werden bzw. die bestehende Verjüngung gefördert werden. Ein zu starker Eingriff (Kahlschlag) führt jedoch zur Förderung von Konkurrenzvegetation wie Sträucher und Gräser.
Förderung von Mischbaumarten: Vor allem in standortfremden Fichtenbeständen sollen in den Bestand eingesprengte Mischbaum arten gefördert werden, um den Bodenzustand sowie die Bestandesstabilität zu verbessern. Am geeignetsten sind hierfür Bäume mit einer leicht zu zersetzenden Blattstreu wie Birken, Eberesche, Pappel oder Salweide.
Lichtungszuwachs: Durch die Schlägerung von Bäumen verfügen die verbleibenden Bäume über einen besseren Zugang zu Wasser, Nährstoffen und Licht, was sich in einem verstärkten Wachstum wiederspiegelt. Diesen Effekt nennt man Lichtungszuwachs. Sichtbar ist dieser auch an den Jahrringen.
Verbesserung der Bestandesstabilität: Um die Bestandesstabilität zu verbessern, muss die Stabilität des Einzelbaums vergrößert werden. Ein wichtiges Merkmal ist hierfür die Kronenlänge. Eine gesunde Krone kann ein Baum nur entwickeln, wenn er über ausreichend viel Wuchsraum verfügt. Um die Bestandesstabilät zu verbessern, ist es notwendig, schon früh (ab Alter 20) zu durchforsten und Konkurrenzbäume zu entfernen.
Zukunftsbäume mit der Auszeige fördern
Die Bäume, die im Bestand verbleiben und die Zuwachsträger sind, werden Z-Bäume oder Zukunftsbäume genannt. Von diesen Baumindividuen wird aufgrund ihres aktuellen Erscheinungsbildes erwartet, dass sie wertvolle Stämme bilden. Die typischen Merkmale eines Z-Baumes sind:
- Stamm ohne Fehler wie Astigkeit, Drehwuchs, Zwiesel,
- keine Wurzelbeschädigungen,
- keine Rindenschäden,
- gut ausgebildete Krone (mindestens 30 % der Baumlänge) und
- vorherrschende Stellung im Bestand.
EXTRAWISSEN
Auszeige; Auszeichnen, Hiebsauszeichnung (österr.), Schlagauszeige: Markieren von Einzelbäumen oder Flächen (Schlagauszeige) für die Holzernte oder von Zukunftsbäumen zwecks besonderer Förderung.
Um diese Bäume zu fördern, sollen mögliche Konkurrenten entfernt werden. Allerdings ist nicht jeder Baum, der in der Nähe eines Z-Baums steht, ein tatsächlicher Konkurrent. Bäume, die nicht in die Krone oder nur bis in den unteren Teil der Krone eines Z-Baums drängen, stellen keine Konkurrenz dar und können daher im Bestand verbleiben. Lange Zeit war es üblich, die Z-Bäume im Bestand auszuzeigen. Der Nachteil dieser Methode ist aber der hohe Arbeitsaufwand, da nahezu jeder Baum auf seine Tauglichkeit als Z-Baum überprüft werden muss. Oft ist man bei der Auszeige auch zu zögerlich, einem Baum tatsächlich den Rang eines Z-Baums zu verleihen. Der größte Nachteil der Z-Baummethode ist aber, dass man kommende Ereignisse nicht vorhersehen kann und nicht weiß, ob der auserwählte Z-Baum in den kommenden Jahrzehnten nicht doch Opfer von Wind, Käfer, Schnee oder Blitzschlag wird.
Die schlechten ins Kröpfchen
Daher erscheint es praktikabler, die Bäume auszuwählen, die aus dem Bestand ausscheiden sollen, da sie über eine schlechte Qualität verfügen. Eine schlechte Qualität äußert sich durch:
- kleine oder unvollständig ausgebildete Kronen (weniger als 20 % der Baumlänge),
- Fehler wie Drehwuchs, Astigkeit, Zwieselbildung,
- offene Verletzungen von Rinde oder Wurzeln,
- schlechtes Verhältnis von Höhe/Durchmesser.
- Die Auszeige sollte sich daher auf diese Bäume konzentrieren. Nur in folgenden Fällen ist das nicht zutreffend:
- bei Laubmischbaumarten, deren ökologische Wirkung (Bodenverbesserung) wichtiger ist als der Holzertrag und
- bei Bäumen, die am Rande von Rückegassen stehen. Diese sollen belassen werden, da nach deren Entfernung die nachfolgende Baumreihe durch den Holztransport beschädigt werden würde.
- Neben der Zuwachssteigerung soll durch die Auszeige auch die Stabilität des Bestandes erhöht werden. Die Bestandesstabiliät hängt mit der Stabilität der Einzelbäume zusammen.
Stabilität und Vitalität
Die Stabilität eines Baumes ist auf seine Vitalität zurückzuführen, und diese ist am leichtesten am Kronenzustand erkennbar. Geringe Kronenlängen (weniger als 20 % der Baumlänge) weisen darauf hin, dass der Baum von anderen Bäumen stark bedrängt wird und sich dieser Konkurrenz nicht erwehren kann. Kronenverlichtungen, Verfärbungen der Blätter oder nicht gleichförmig ausgebildete Kronen sind Zeichen für Erkrankungen und eine geringe Vitalität. Bäume mit schlechten Kronen müssen daher aus dem Bestand ausscheiden.
In Laubwäldern findet daher die Auszeige am besten im Frühjahr statt, um den Kronenzustand richtig beurteilen zu können. Durch Witterungsverhältnisse (trockene Sommer, kalte Herbste mit Frühfrost) kann der Kronenzustand beeinflusst werden und zu einer Fehleinschätzung führen. Ein weiterer Indikator für die Stabilität eines Einzelbaums ist das Höhen-Durchmesser-Verhältnis (h/d-Wert). Je größer dieser Wert ist, desto instabiler ist der Baum einzustufen. In gleichaltrigen Beständen mit geringer Durchmesserverteilung sind die h/d-Werte sehr ähnlich, daher ist es nicht notwendig, für jeden Baum den h/d-Wert zu berechnen. Bestände – bestehend aus Bäumen mit hohen Werten – sind meist ein Resultat von fehlender Pflege. Der h/d Wert wird berechnet, indem man die Höhe in cm durch den Durchmesser in cm dividiert.
- Werte bis 80: stabiler Baum,
- Werte von 80 bis 120: Tendenz zur Instabilität, durch Freistellung (höherer Zuwachs durch weniger Konkurrenz) kann der Wert aber verbessert werden,
- Werte über 120: instabiler Baum, der aus dem Bestand ausscheiden muss.
- Beispiel: Baum mit 35 m Höhe und 28 cm Durchmesser. h/d-Wert: 3500/28 = 125, der Baum ist instabil. Ein Rundgang durch den Bestand nach der Auszeige ermöglicht es, sich ein Bild über die Eingriffstärke zu machen.
- Eingriffe sollten stets in Maßen durchgeführt werden, denn zu starke Eingriffe können negative Auswirkungen zur Folge haben:
- Instabile Bestände werden durch zu starke Eingriffe noch zusätzlich geschwächt und das Risiko eines Schadens (Windwurf, Schneebruch) wird dadurch zusätzlich vergrößert.
- Zu starke Eingriffe können auch zur Förderung der Konkurrenzvegetation führen und die Verjüngung gefährden.
Natur bewirtschaften heißt Natur zulassen
Eingriffe, bei denen bis zu 25 % der Stämme entnommen werden, sind als pfleglich und schonend einzustufen. Bei der Auszeige sollte man sich nicht an starren Vorgaben orientieren. Weder ist es förderlich, eine Mindestanzahl von Z-Bäumen zu definieren, noch eine bestimmte Mischungsregulierung verschiedener Baumarten vorzugeben. In stark ungepflegten Beständen kann es durchaus passieren, dass nur noch 50 Z-Bäume pro Hektar verbleiben. Ebenso sind die Mischungsverhältnisse im Naturwald von vielen verschiedenen Faktoren (Kleinklima, Samenverfügbarkeit verschiedener Baumarten, Vorhandensein von Parasiten und Schädlingen, Witterung) abhängig. Eine fixe Vorgabe, dass ein Bestand z. B. zu 50 % aus Fichte, zu 30 % aus Tanne und zu 20 % aus Buche bestehen muss, ist eine gedankliche Vorwegnahme der Realität. In der modernen Waldwirtschaft werden Bestände nicht mehr „erzogen“, vielmehr wird das Potenzial der Natur erkannt, gefördert und genutzt.