Junge Lohnunternehmerin im Ernteeinsatz
Während der Ernte ist sie im Dauereinsatz: Die junge Lohnunternehmerin Kerstin Ackermann hat ihren Job von der Pike auf gelernt und arbeitet im familiären Team. Auf dem Mähdrescher macht ihr so leicht niemand etwas vor.
Von David Benzin
Es staubt. Nicht nur direkt auf dem Feld, auch daneben und genau auf uns zu. Der gelbschwarze Ernteriese ist gerade am Vorgewende angelangt und dabei zu drehen. Also schnell den Kofferraum zu und rüber auf die frisch gemähten Stoppeln. Es ist Erntezeit in Nord-Brandenburg. Auch für Lohnunternehmerin Kerstin Ackermann. Sie drischt gerade für die Fraber Agro GmbH aus Lindow (Mark) eine Triticalefläche im Landkreis Ostprignitz Ruppin. Das Risiko, dass das Stroh am Vorgewende durch die vielen Wendemanöver zu fest gefahren wird, und es dann nach einem Regenschauer schlecht abtrocknet und damit die Qualität leidet, war den Auftraggebern zu groß. Deshalb wurde das Stroh am Vorgewende gehäckselt. Auf dem Rest des Feldes bleibt das Triticalestroh als Schwad liegen. Es wird nach der Ernte in Quaderballen gepresst.
Die 25-Jährige Lohnunternehmerin weiß, was sie tut. Souverän steuert Kerstin den New Holland CR 8.80 durch die Kreuzung aus Weizen und Roggen. Es scheint, als hätte die junge Brandenburgerin nie etwas anderes gemacht. Die Zahl, die der Ertragssensor auf das Display in die Kabine sendet, sieht allerdings weniger erfreulich aus. Nur rund 3 t/ha Körner holt der Rotor trotz bester Einstellung aus den Ähren, die ihm über das 9 m breite Schneidwerk geliefert werden. Es ist eben ein trockenes Jahr. Das merkt man auf den märkischen Sandböden besonders. Auf der anderen Seite des Ackers ist Kerstins Kollege Christian Papenbrock mit einem weiteren Rotormähdrescher des gleichen Modells unterwegs, allerdings mit Raupenfahrwerk. „Jeder der beiden Drescher erntet ungefähr 600 Hektar pro Saison“, sagt Kerstin. Ein Dritter läuft während der kompletten Ernte fest eingeplant bei einem anderen Kunden.
Als Lohnunternehmen überall im Einsatz
Insgesamt betreut das Lohnunternehmen Ackermann vier Betriebe bei der Ernte. Einer dieser Kunden ist die Fraber Agro, ein Betrieb mit Biogasanlage und Putenmast. Der Agrarbetrieb hat das Lohnunternehmen mit der Getreideernte beauftragt. Heute ist der Triticale nahe Herzberg an der Reihe. Neben dem Dreschen des Getreides pressen die Ackermanns für das Agrarunternehmen auch das Stroh und häckseln Gras und Silomais. Bevor es in der Kabine piept, ist Abfahrer Toni Meschonath schon auf dem Weg, um das geerntete Korn vom Feld abzutransportieren.
Der 33-Jährige unterstützt die beiden Mähdrescher mit seinem Fendt 933 und einem zweiachsigen Hawe-Überladewagen. Toni arbeitet allerdings nicht bei dem Lohnunternehmen, sondern bei der Fraber Agro. Der Agrarbetrieb will den Triticale unter anderem für die Biogasanlage nutzen. Dafür müssen die Körner aber erst geschrotet werden. Während Kerstin das Abbunkerrohr des Dreschers in Position bringt, passt Toni die Geschwindigkeit seines Traktors an. Nach knapp zwei Minuten rieselt der letzte Schwung Triticale aus dem Abtankrohr in den Überladewagen.
Neue und alte Technik bei der Ernte
Toni macht sich direkt auf den Weg zum Nachbarfeld, wo vorher ebenfalls Triticale gedroschen wurde. Dort wartet bereits die 600 PS starke mobile Mühle von Familie Ackermann darauf, befüllt zu werden. Während Toni seitlich an den Korntank der Mühle heranfährt, ist Michael Werner im Führerhaus bereit, eine neue Ladung frische Körner zu mahlen. Der Herr über die Mühle sitzt direkt neben dem laut brummenden V8Motor, der das Mahlwerk antreibt. Bis zu 50 t Getreide pro Stunde können von der Mühle verarbeitet werden. Da das Korn dieses Jahr sehr trocken ist, muss Michael 110 l Wasser je Tonne Schrot hinzugeben, damit die spätere Silierung auf dem Hof des Kunden auch gelingt.
Nicht nur die Verwendung der Triticale ist besonders, sondern auch der Transport derselben. Denn neben der mobilen Mühle steht ein Tatra-815-Lkw zum Abfahren bereit. Er gehört Fuhrunternehmer Guido Luxath aus Lindow (Mark). Das Besondere daran: Der allradangetriebene und luftgekühlte Lkw mit V12-Motor stammt noch aus DDR-Beständen. Tatra-Enthusiast Luxath weiß die Vorzüge der alte Maschine zu schätzen, denn Festfahren auf dem Acker ist praktisch ausgeschlossen. Einzig der Verbrauch der tschechischen Kraftpakete könnte niedriger sein, aber „das ist schon in Ordnung“ schmunzelt Luxath dieses Manko weg.
Allrounderin in rosa Arbeitsschuhen
Nachdem Lohnunternehmerin Kerstin das Lenkrad ihres Dreschers an ihren Freund Jakob Grimmelijkhuizen zur Ablösung übergeben hat, steigen wir in den Werkstattwagen und machen uns auf den Weg auf eine benachbarte Grünlandfläche. Erfahrung mit Landmaschinen hat die frisch gebackene Absolventin der zweijährigen Meisterschule in Niedersachsen genug. Vorher hatte sie die Ausbildung zur Fachkraft Agrarservice beim Lohnunternehmen Blunk in Schleswig-Holstein absolviert. Im familieneigenen Lohnunternehmen Ackermann, das ihre Eltern Karl und Heidi seit 2001 gemeinsam führen, ist Kerstin mittlerweile voll eingebunden. Das Betriebsgelände befindet sich auf einem ehemaligen AgravisStandort in Kerzlin. Vater Karl Ackermann kümmert sich vorwiegend um die Disposition, fährt aber auch noch selbst raus und führt die angeforderten Arbeiten bei den Kunden durch.
Das Lohnunternehmen Ackermann
Unternehmensform: Familienbetrieb
Lage: 16845 Kerzlin (Landkreis Ostprignitz-Ruppin)
Mitarbeiter: zwölf festangestellte Mitarbeiter (bis zu zehn Aushilfen in der Saison)
Arbeitsradius: bis ca. 60 km rund um Kerzlin
Angebotene Dienstleistungen: Mähdrusch, Häckseln von Mais und Grünfutter (mit kompletter Häckselkette), Maisaussaat, Pflügen, Wirtschaftsdüngerausbringung mit Selbstfahrern und verschiedener Technik (Scheibenegge, Schleppschläuche, Wiesenschlitzgerät, Güllegrubber), verschiedene Transportarbeiten, Strohernte, Einsatz einer mobilen Schrotmühle
Zugmaschinen: Fendt-Traktoren Mähdrescher: drei New-Holland-Rotormähdrescher
So wie auch heute. Als wir auf einer Fläche des nahegelegenen Gutes Hesterberg ankommen, ist er gerade dabei, Luzerne in Rundballen zu pressen. Doch plötzlich steht das Gespann aus Fendt-Traktor und Kuhn-Presse still. Ein Sensor des Wickelgeräts streikt. Aber dank seines Schraubertalents und Erfindergeistes tauscht der Gründer des Lohnunternehmens den defekten Sensor kurzerhand aus. So kann es ohne lange Unterbrechung weitergehen und die Ballensilage fällt jetzt wieder richtig foliert mit der flachen Seite vom Wickler.
Kerstin ist sehr stolz auf ihre Familie und auf das Lohnunternehmen, das ihre Eltern aufgebaut haben. Dass sie auch einmal in die Fußstapfen ihrer Eltern treten möchte, stand für Kerstin noch nicht von klein auf fest. Sie hat zwar schon als Kind gelernt, wie man Traktor fährt und hin und wieder im Lohnunternehmen mitgeholfen, sich aber erst kurz vor dem Abitur dazu entschlossen auch eine Ausbildung in diesem Bereich zu machen. Heute kümmert sich Kerstin neben der Lohnarbeit auch um Disposition, Personalmanagement und den Auftritt in den sozialen Medien. Sitzt sie nicht gerade auf Landmaschinen, ist sie in der Freiwilligen Feuerwehr Kerzlin und im Fußballverein MSV Neuruppin aktiv.