Fleischverzicht und „Genverbot“?

Regionale Lebensmittel im Supermarkt (Symbolfoto) © Sabine Rübensaat
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Fleischverzicht und Gentechnik sind Debatten, die die Landwirtschaft umtreiben. Während des virtuellen Landesbauernverbandstages in Sachsen-Anhalt wurden sie teils kontrovers diskutiert. Drei Gäste haben debattiert und in Teilen Übereinstimmungen gefunden.

Der 33. Verbandstag des Bauernverbandes Sachsen- Anhalt fand Mitte vergangener Woche als Videokonferenz statt. Aufgrund der pandemischen Entwicklung hatte der Landesvorstand kurzfristig die mit reduzierter Delegierten- und Gästezahl geplante Präsenzveranstaltung in Staßfurt absagen müssen.

Im internen Teil des Verbandstages wurden die erforderlichen Regularien abgehandelt. Den Mitgliedern wurde der aktuelle Geschäftsbericht vorgestellt, das Jahr aus agrarpolitischer Sicht ausgewertet und die verbandseigene Kampagne „Mehr können!“ um einige Motive erweitert. Gleich drei Mitglieder des Bauernverbandes Nordharz erhielten für ihr langjähriges Engagement in der berufsständischen Interessenvertretung Auszeichnungen des Landesbauernverbandes: Jürgen Recht die Ehrennadel sowie Reinhold Freudenberg und Wilfried Feuerstack jeweils die Ehrenmitgliedschaft.

Zwei Stunden diskutiert

Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes: Werner Schwarz
Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes: Werner Schwarz © Bauernverband Schleswig-Holstein

Im öffentlichen Teil der Tagung am späten Mittwochnachmittag schloss eine Agrarpolitische Diskussion an. Thema: „Klimaschutz contra Ökonomie – Gesellschaft contra Realität? Perspektiven für eine heimische Landwirtschaft!“

Unter Moderation von Stefan Bernschein vom MDR diskutierten via Liveschalte Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzringes (DNR), dem Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen, sowie Thomas Keindorf, CDU-Landtagsabgeordneter und Präsident der Handwerkskammer Halle/Saale.

Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring im Portrait
Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring © DNR

Der Titel der rund zweistündigen Diskussion war auf das Spannungsfeld bezogen, in dem viele Landwirte stehen. Zum einen steigen gesetzliche und gesellschaftliche Anforderungen, zum anderen wird die Landwirtschaft in der Praxis immer bürokratischer und die Erzeugerpreise stagnieren.

Viele Themenfelder wurden angesprochen, in denen dies der Fall ist, etwa in den Bereichen Baurecht, Anforderungen an die Tierhaltung sowie Pflanzenzüchtung und Pflanzenschutz. Gut zu beobachten sei das bei den erneuerbaren Energien. Die Landwirtschaft sei bereit, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten, sagte DBV-Vize- Schwarz. Wenn beispielsweise im Bereich Photovoltaik eine ähnlich starke Motivation des Berufsstandes geschehen soll, wie vor 20 Jahren im Bereich Biogas, brauche es vor allem eines: Politik und Gesellschaft müssen für die Betriebe verlässliche Partner sein.

Thomas Kleindorf (CDU) im Portrait
Thomas Keindorf (CDU) © Handwerkskammer Halle/Saale

Politik muss liefern

DNR-Geschäftsführer Schöne sieht den Ausbau der erneuerbaren Energien als wichtigen Teil einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung gegen den Klimawandel. Wichtig werde in diesem Punkt weiterhin sein, Umweltinteressen und Entwicklungen der Energiemärkte möglichst in Einklang zu bringen. Hier müsse Politik Rahmen schaffen, da Marktentwicklungen allein die Zielkonflikte nicht lösen werden.

Kammerpräsident Keindorf erweiterte dies um eine weitere Facette: Wenn durch politischen Willen auf sämtlichen Dachflächen Photovoltaik angebracht werden soll, brauche es auch Fachkräfte für die Umsetzung. Das Handwerk könne sich auf solche Entwicklungen einrichten, das sei aber nicht in kurzer Zeit zu realisieren. Zum Stichwort steigende Auflagen und Verbote sagte Schöne, auf die Landwirtschaft komme vieles zu, meist von EU-Ebene. Es gebe dazu aber keine Alternative. Er hoffe, dass die neue Bundesregierung die Lösungsansätze der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) aufnimmt und es zu einem gesellschaftlichen Konsens kommt.

Keindorf erklärte, der Bürokratieaufwuchs treffe andere Branchen gleichermaßen. Ökologie müsse für die Wirtschaft aber auch ökonomisch vertretbar sein. Schwarz betonte: „Wir kommen mit Ordnungsrecht allein nicht weiter.“ Es brauche auch die Innovationskraft der Landwirtschaft. Zielvorgaben seien richtig, es sollte Landwirtinnen und Landwirten aber freigestellt werden, auf welchem Weg sie dorthin kommen.

Zu den Direktzahlungen merkte Schöne an, er bestreite nicht, dass Landwirte diese brauchen. Es gelte aber, die Zahlungen zu qualifizieren, sie müssten sehr stark leistungs- und ergebnisorientiert sein. Zu den extrem gestiegenen Düngemittelpreisen und Produktionsdrosselungen sagte Schwarz, diese Entwicklung sei durch energiepolitische Entscheidungen befeuert worden. Schöne regte an, Stickstoffüberhänge durch Transporte von Wirtschaftsdüngern aus Überschussgebieten zu senken. Zur Problematik Rapserdfloh und Neonikotinoid-Verbot sagte Schöne, die Landwirtschaft sei schlecht beraten, auf Notfallzulassungen von Wirkstoffen zu bestehen, weil dies die gesellschaftliche Debatte über Pflanzenschutz verstärke.

Stärkerer Fokus sollte stattdessen auf die Resilienz der Anbausysteme gelegt werden, etwa erweiterte Fruchtfolgen. Aber, so der DNR-Geschäftsführer, Pflanzenschutz im notwendigen Maß müsse auch künftig möglich sein. Der Einsatz sollte aber das letzte Mittel sein. Der Ökolandbau mache vor, „dass es ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel funktioniert“. DBV-Vize Schwarz stellte mit Blick auf 30–50 % geringere Erträge im Ökolandbau die Frage: „Können wir uns das leisten?“ Er plädierte für fachlichen Austausch zwischen Öko- und konventioneller Landwirtschaft, um die „Schwarmintelligenz wirken zu lassen“.

Regional schlachten?

Zu Initiativen, Schlachtung (wieder) regional und hofnah zu gestalten, merkte Keindorf an, dass bürokratie- und kostenbedingt nur noch jeder zehnte Fleischer in seinem Kammerbezirk selber schlachte. Die Gesellschaft müsse bereit sein, für handwerklich erzeugte Produkte mehr zu bezahlen. Das klein strukturierte Handwerk gehe ansonsten kaputt. Schöne sagte, es brauche vielfältige Unterstützung durch Förderung zum Aufbau regionaler Schlachtstrukturen. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) müsse zudem ein klares Bekenntnis zu Qualität und Regionalität von Nahrungsmitteln abgeben.

DBV-Vize Schwarz hielt dem entgegen, regionale und insbesondere städtische Schlachthöfe seien nicht mehr gewollt gewesen. Regionaler Absatz von Lebensmitteln funktioniere zudem nur in Metropolregionen und nur für Produkte wie Eier, Obst und Gemüse. Mehr Regionalität sei grundsätzlich positiv für das Handwerk, ergänzte Keindorf. Jedoch würden sich Strukturen, die in den letzten zehn, 15 Jahren durch politische Einflussnahme, demografische Entwicklung oder anderes kaputtgegangen seien, durch Wunschdenken nicht wieder aufbauen. Zur Ankündigung des Discounters Aldi, ab dem Jahr 2030 nur noch Frischfleisch aus den Haltungsstufen 3 und 4 verkaufen zu wollen, sagte Schwarz, ein entsprechender Umbau der Tierhaltung sei bis dahin nicht überall machbar.

Züchtung als Chance

Zudem müssten dann alle Einzelhandelsketten mitziehen. Aktuell bleibe teureres Fleisch, auch aus der Initiative Tierwohl, liegen, so Schwarz. Die (mangelnde) Zahlungsbereitschaft der Verbraucherschaft berge eine große Gefahr. Schöne betonte: „Wir wollen aber nicht, dass LEH-Initiativen den landwirtschaftlichen Strukturwandel massiv beschleunigen.“ Hier sei politische Begleitung erforderlich. Einen verminderten Fleischkonsum hält er aus Tierwohlgründen und zum Erreichen der Klimaziele für nötig.

Zum Klimawandel und der Suche nach robusteren Kulturpflanzen erklärte DBV-Vize Schwarz, die konventionelle Züchtung habe eine hohe Akzeptanz. Die Frage sei jedoch, wie man schnell zu solchen Pflanzen komme. Die ZKL sehe neue Züchtungsmethoden als Chance. Voraussetzung sei jedoch, dass es hierbei Freiwilligkeit und Rückholbarkeit gebe.

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