Walachenschaf: Feingliedrig und elegant
Die gefährdete Nutztierrasse 2022 ist das Walachenschaf. Zu den wenigen Herdbuchzüchtern zählt Suzanne Demmer aus Thüringen. Eine ganzjährige Freilandhaltung stellt für die auffälligen Landschafe kein Problem dar.
Von Silvia Kölbel
Um ihren Beruf und ihre Tierhaltung, die Zucht der seltenen Walachenschafe, unter einen Hut zu bringen, fährt Suzanne Demmer jeden Tag mehr als 120 km. Sie arbeitet in Leipzig als Tierpflegerin im Wildpark, wohnt in Meuselwitz im Altenburger Land und hat ihre Schafe zurzeit, getrennt nach weiblichen und männlichen Tieren, in Zettweil und in Altenburg stehen. „Zu Hause bin ich im Winterhalbjahr eigentlich nur, wenn es dunkel ist“, erzählt sie.
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Walachenschaf: Gährdete Nutztierrasse des Jahres
Übernommen hat sie die Tiere 2015 von einem Zoo, der sich von dieser Rasse trennen wollte. Sie trat der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) bei und gehört dem harten Kern von zehn Züchtern an, die sich einmal jährlich zum Erfahrungs- und Zuchttieraustausch treffen. Die GEH wählte das Walachenschaf zur gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2022.
Außerdem ist die Züchterin Mitglied im Landesschafzuchtverband und eröffnete mit ihren Tieren vor sieben Jahren in Thüringen das Herdbuch für Walachenschafe. „In Deutschland besteht die Population dieser Rasse aus ungefähr 500 Mutterschafen und etwa 60 Böcken. Doch nur die Hälfte der Halter ist organisiert.“ Das sei insofern schade, weil die meisten Halter ihre Tiere bei den Züchtern kaufen. Damit bestünden auch diese Herden aus zuchttauglichen Tieren. „Leider scheuen viele den Aufwand und die Kosten der Verbands- und Vereinsarbeit. Es wäre schön, wenn sich weitere Züchter für diese Rasse engagieren, schon um den Gen-Pool zu vergrößern“, sagt Suzanne Demmer.
Sie liebt die Rasse ihres Aussehens wegen: feingliedrig, elegant, langwollig und behornt. Walachenschafe gehören zu den für Osteuropa typischen Zackelschafen und stammen aus den Karpaten. Von dort aus brachten Siedler die Tiere mit in das heutige Tschechien, wo es noch ursprüngliche Bestände gibt.
Wenig Verwertungsmöglichkeiten für Wolle
Diese Ursprünglichkeit ist für die Züchterin genau das, was sie erhalten möchte. „Ich lehne die Einkreuzung schwerer Böcke ab. Es handelt sich um eine Landschafrasse und das soll sie auch bleiben“, sagt Demmer. Die von ihr bevorzugten Böcke wiegen deshalb 60 bis 75 kg. Bei den weiblichen Tieren liege das Idealgewicht zwischen 35 und 55 kg.
Auch die Qualität der Wolle, die in der Bewertung von sechs bis manchmal sogar neun reicht, möchte Demmer nicht verändern. Es ist eine grobe Wolle, die sich für die Verarbeitung zu Textilien nicht eignet. Aber sie schützt die Tiere vor der Witterung. Das trifft auch auf Schafe zu, die in der Wollbewertung nur eine sechs erhalten haben. „Deshalb ist eine schlechte Wollbewertung kein Ausschlusskriterium für die Zucht“, so die Thüringerin.
Verwertungsmöglichkeiten für diese Art von Wolle sind dünn gesät. Deshalb ließ sich die Züchterin etwas einfallen: „Ich nehme die Wolle mit in den Wildpark als Beschäftigungsmaterial für die Luchse.“ Meist im Juni greift Suzanne Demmer zur Schärmaschine, um ihre Schafe von der Wolle zu befreien. Die Grannen erreichen oft eine Länge bis zu 30 Zentimeter und verfilzen oft schon am Körper. Für das körperlich anstrengende Scheren benötigt Suzanne Demmer ein bis zwei Tage. Besonders an diesen beiden Tagen ist sie froh, dass die Schafe nicht mehr als 70 kg wiegen. „Ich wähle immer sonnige Tage für das Scheren aus, damit die Schafe nicht ohne Wolle im kalten Regen stehen.“
Auch bei Minusgraden: Herde ganzjährig draußen
Sie hält ihre Tiere ganzjährig im Freien. Ein Wetterschutz steht zur Verfügung. „Minus 20 Grad machten ihnen überhaupt nichts aus“, weiß die Züchterin. Im Winterhalbjahr erhält die Herde ausschließlich Heu. Gelegentlich legt sie gequetschte Gerste als Kraftfutter vor. Das Heu kauft sie von einem Landwirt der Umgebung.
Im März und April lammen die Walachenschafe ab. Meist bekommen sie Einlinge oder Zwillinge, selten Drillinge. Drei Zuchtböcke in drei Zuchtgruppen seien in der Regel ab November etwa sechs Wochen im Einsatz. Weitere Jungböcke stehen für den Verkauf in einer gemeinsamen Bockherde.
Walachenschaf: Fleisch mit besonderem Wohlgeschmack
In ihren Ursprungsgebieten galten die Zackelschafe als Mehrnutzungsrasse. Dem Fleisch sagt man einen besonderen Wohlgeschmack nach, was Suzanne Demmer bestätigt. Auch eine Milch- und Wollnutzung, Letzteres unter anderem für Teppiche, war in den Ursprungsgebieten üblich. Gern würde sich die Meuselwitzerin diesen verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten widmen. Doch die Unwirtschaftlichkeit steht diesem Vorhaben entgegen.
Ein weiterer begrenzender Faktor ist für sie der Wolf: „Sobald der Wolf das erste Mal in die Herde reingerissen hat, beende ich die Schafhaltung“, steht für die Züchterin fest. Sie hat noch gut einen Vorfall mit einem Hund in Erinnerung, der die Zäune übersprang und die Herde in Angst und Panik versetzte. „Es hat drei Wochen gedauert, bis sich die Tiere wieder beruhigt hatten.“ Walachenschafe seien von Natur aus eher zurückhaltend und scheu. „Außer man beschäftigt sich viel mit ihnen, dann werden sie auch zutraulich.“
Keine farbliche Einschränkungen in der Zucht
Die Hörner der Schafe seien keine Gefahr. Falls die Böcke doch einmal übermütig werden, hält sie der Altdeutsche Hütehund Joschi, eine Gelbbacke, auf Abstand. Die Böcke seien grundsätzlich behornt, ein Teil der weiblichen Tiere ebenfalls. Farbliche Einschränkungen gebe es in der Zucht keine. Alles, was die Natur hervorbringt, sei erlaubt, von schwarzen Tieren bis weißen und solchen mit Flecken an Beinen und am Kopf.
Jedes Tier hat bei Suzanne Demmer einen Namen. Sie kann ihre Tiere auch alle unterscheiden und verwandtschaftlich einordnen, ohne dafür die Ohrmarkennummer ablesen zu müssen.
Fleisch und Wurst für die Familie
Die „Natura-2000-Station-Osterland“ des Landschaftspflegeverbandes „Altenburger Land“ vermittelt der Schafhalterin Flächen, die sie im Rahmen der Landschaftspflege abweiden kann, was sie auch honoriert bekommt. Im vorigen Jahr waren das fünf Hektar. Häufig handele es sich um Streuobstwiesen oder um kleine Splitterflächen, für die es keine andere Nutzungsmöglichkeit gibt. Hinzu komme gelegentlicher Tierverkauf. Überzählige Bocklämmer lässt sie bei einem regionalen Fleischer schlachten und verarbeiten. Suzanne Demmer: „Die Mengen sind aber so gering, dass ich das Fleisch und die Wurst in der Familie verteile.“
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