Ökoferkel: Extraportion Zucker

Beim niederländischen Ferkelerzeuger Harmsen sind die Verluste im Abferkelbereich sind mit 15 % sehr gering. (c) Klaus Meyer
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Die Niederländer Jan und Wilco Harmsen haben deutsche und heimische Ökolandwirte in ihre Ställe gelassen und gezeigt, wie sie Ökoferkel auf höchstem Niveau erzeugen. Vitale Genetik, gesunde Tiere und eine gute Beratung sind die Basis.

Von Klaus Meyer

Das müssen wir auch so machen“, sagte ein Teilnehmer beim Betriebsbesuch des Ferkelerzeugers Harmsen in Hengelo in den Niederlanden, als er die doppelt angebrachten Streifenvorhänge am Ausgang des Ferkelaufzuchtstalles sah. Wegen solcher Anregungen machen Landwirte gerne Betriebsbesuche bei Kollegen. In diesem Fall war es eine Exkursion im Vorfeld der Tagung Bio-Schweine des Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschland im November letzten Jahres. 

Im Sommer 2001 ist Jan Harmsen mit seiner Frau in die Ökosauenhaltung eingestiegen. Angefangen haben sie mit 160 Sauen. Die Vermarktung der Ökoferkel und auch der Altsauen, die Harmsen produziert, erfolgen über „De Groene Weg“ (Der grüne Weg). De Groene Weg ist die Biofleisch-Tochtergesellschaft von Vion Food. Das Unternehmen ist mit 3.000 geschlachteten Mastschweinen pro Woche Marktführer im niederländischen Biofleischsektor und einer der größten in Europa. Es gibt zwei Schlachthöfe in den Niederlanden, die die Tiere für De Groene Weg schlachten. Grundlage der Tierproduktion ist die EU-Bio-Verordnung. 

„Der grüne Weg“ garantiert Preise

Harmsen weiß schon im Voraus, was er für seine Ökoferkel bekommt, die er an fünf Mäster liefert. Einmal pro Quartal werden die Preise in Abhängigkeit von der Marktentwicklung und den Futterkosten durch die Vermarktungsorganisation De Groene Weg festgesetzt. Bei unserem Betriebsbesuch lag der Preis bei etwa 110 € pro Ferkel plus 4 € für die Impfung. Bei den Mastschweinen lag der Preis zu der Zeit bei 3,05 €/kg Schlachtgewicht inklusive Mehrwertsteuer. Mit Qualitätszuschlägen konnten die Mäster für ihre Tiere 3,30 €/kg erreichen. Angebot und Nachfrage werden in Absprache mit De Groene Weg aufeinander abgestimmt.

Niederländer Jan und Wilco Harmsen betreiben eine Ferkelaufzucht

Wilco und Jan Harmsen betreuen zusammen mit einem Mitarbeiter 320 Sauen plus Ferkel und eigene Nachzucht. (c) Klaus Meyer

Auf Wunsch der Biovermarktungsorganisation hat der Ferkelerzeuger im Jahr 2007 auf 250 Sauen aufgestockt. Seit vier Jahren halten sie 320 Sauen. Angefangen haben sie mit Sauen der Linie TN50 von Topigs. Die TN50 ist eine robuste, nachhaltige Sau mit gutem Gesäuge und hoher Milchleistung. 2005 hat der Betrieb 40 Sauen zugekauft und damit die Grippe in den Bestand geschleppt. Vorher lag die Leistung bei 29 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr. Mit der Grippe verschlechterte sich der Wert auf 27,5. Seitdem werden sämtliche Jungsauen selbst aufgezogen. Die Muttersauen sind eine Kreuzung aus TN50 und Edelschwein. Sie werden besamt mit der Sauenlinie TN60 von Topigs. Das Ergebnis sind nicht so kleine Ferkel und homogene Würfe.

Die Tiere werden geimpft gegen Mycoplasma, PRRS, E.coli-Diarrhoe, Parvovirose und Rotlauf. Zweimal pro Jahr erfolgt eine Blutuntersuchung. Es wird untersucht auf Mycoplasma, PRRS, Circovirus und Actinobacillus pleuropneumoniae (APP). Der Gesundheitszustand der Tiere ist seit Jahren gut, und damit auch wieder das Leistungsniveau. Der Betrieb hat durchschnittlich 15 geborene Ferkel pro Wurf und kommt auf 2,2 Würfe pro Sau und Jahr bei einer Säugezeit von 42 Tagen. Das sind Leistungswerte, die so mancher konventionelle Betrieb nicht erreicht und die Durchschnittswerte deutscher Biosauenhalter sind weit davon entfernt. Die Arbeit erledigen Jan Harmsen und sein Sohn Wilco zusammen mit zwei Mitarbeitern, wobei Jan nur vier Tage die Woche arbeitet. Zum Betrieb gehören 10 ha Ackerland und 3 ha Grünland. Das Grünland liegt direkt am Betrieb.

Hält nichts von Abruffütterung

Die tragenden Sauen halten die Ferkelerzeuger in einem umgebauten Rinderstall, der an drei Seiten offen ist. Die Tiere haben zusätzlich einen betonierten Auslaufbereich und bis Ende November die Möglichkeit, täglich bis 17 Uhr auf die Weide zu gehen. Es gibt keine Abruffütterung, sondern alle Sauen werden zur gleichen Zeit über eine Rohrfütterung gefüttert. „Dann ist einmal Unruhe und später Ruhe“, begründet Wilco Harms diese Art der Fütterung. Zusätzlich bekommen die tragenden Sauen Grassilage in Raufen als Raufutter zur freien Aufnahme. Im Sommer fressen sie davon weniger, im Winter dafür etwas mehr. Das Gras für die Silage wird morgens gemäht und am gleichen Tag in Rundballen einsiliert. Der Fütterungsberater Bennie Rupert vom Biofuttermittelhersteller Reudink ergänzte dazu: „Die Silage muss feucht sein, zu trocken wird sie nicht gerne gefressen.“

Die Jungsauen werden im Quarantänestall aufgezogen, kommen dann mit 160–170 kg Gewicht in den Deckstall und werden anschließend in die Herde der tragenden Tiere eingegliedert.

Zum Säugen rückwärts einparken

Vor dem Ausgang zum Auslauf hat die Abferkelbucht einen Bereich mit Spaltenboden. Das ist eher selten in den Niederlanden. „80 Prozent der Sauen nutzen den Auslauf draußen als Toilette“, erklärt Wilco Harms, der nicht auf den Spaltenboden verzichten möchte, denn erstens benötigt er weniger Stroh und zweitens hat er weniger Arbeit. Die ersten drei Tage werden die Abferkelbuchten eingestreut mit einem Gemisch aus kurz gehäckseltem Weizenstroh und Kalk. 

Ökoferkel in den Niederlanden: Ander frischen Luft
Die Luken zum Auslauf haben bei allen Ställen Streifenvorhänge innen und außen.  Ein Teil der Fläche im Auslauf besteht aus Spaltenboden. (c) Klaus Meyer

Das kurze Stroh behindert weniger den Säugevorgang und durch den Kalk trocknet der Nabel schnell. Danach kommt längeres Stroh in die Buchten. Die Breite der Boxen beträgt 2,2 x 3,8 m. Sie müssen 7,5 m2 Fläche haben, bei ihm sind es über 8 m2. Der Auslauf hat 4 m2, das ist 1 m2 mehr wie gefordert. 

Dank einer Überdrucklüftung, bei der die frische Luft über die Gänge in den Stall gelangt und über die Ausgänge der Buchten verbrauchte wieder entweicht, herrscht ein angenehmes Klima. Die Tierverluste im Abferkelbereich liegen bei 14 bis 15 %. Es wird sehr selten Geburtshilfe geleistet. Am dritten Tag werden die Ferkel kastriert, geimpft und mit Eisen versorgt. Die Narkose mit Kohlendioxid erfolgt mit dem Gerät Pigsleeper. Kurz vorher erhalten die Ferkel eine halbe Dosis Schmerzmittel. Eine variable, etwa 15 cm hohe Stange in der Mitte der Abferkelbox bietet der Sau eigentlich nur eine optimale Liegeposition. Dazu muss sie am besten rückwärts „einparken“.   

Die Sauen bekommen ab dem ersten Tag im Abferkelstall bis zum ersten Tag nach dem Wurf ein spezielles PreLacto-Futter für einen geschmeidigen Kot, damit die Geburt leichter vonstatten gehen kann. Danach erhalten sie Futter für laktierende Sauen. Alle sechs Wochen kommt der Zuchtberater von Topigs und sucht mit dem Betrieb zusammen die Würfe und Ferkel für die zukünftigen Zuchtsauen aus. Dabei spielt die Muttersau natürlich eine große Rolle. Die Auswahl erfolgt beim dritten Wurf der Sau. 

Zugluft darf es keinesfalls geben

Ökoferkel im Boxenlaufstall
Bis zu 55 Tiere sind in einer Gruppe im Ferkelaufzuchtstall. Mit etwa 25 kg
Gewicht werden sie verkauft. (c) Klaus Meyer

Neben dem Zuchtberater kommt regelmäßig der Fütterungsberater von Reudink auf den Betrieb, um auch futtertechnisch die Bedürfnisse der Tiere und die Ziele der Ferkelzüchter bestmöglich zu befriedigen. Im Ferkelaufzuchtstall werden bis zu 55 Tiere in einer Bucht gehalten. Für alle Tiere in diesem Stall gibt es eine Futtersorte. Zweimal im Jahr werden die Streifenvorhänge, die auf beiden Seiten der Ausgänge – also innen und außen – angebracht sind, in Abferkel-, Deck- und Quarantänestall repariert bzw. ersetzt. Von Türen an den Ausgängen hält Wilco Harms nichts, denn für ihn ist die Gefahr zu groß, dass die Türen manchmal nicht richtig schließen, und die Tiere deshalb Zug bekommen. Das darf seiner Meinung nach auf keinen Fall passieren. 

Montags werden die Ferkel von der Sau abgesetzt. Die Sauen kommen dann in den Deckstall. Die meisten davon werden Donnerstags besamt. Im Deckstall erhalten die Tiere ein spezielles energiereiches Futter, um besser in die Rausche zu kommen. Die Jungsauen vom ersten Wurf bekommen drei bis vier Tage vor dem Absetzen eine zusätzliche Portion Zucker (bis 500 g), natürlich Bioqualität, für eine höhere Fruchtbarkeit. Wilco Harmsen strebt hauptsächlich aus Arbeitszeitgründen nur eine Besamung pro Trächtigkeit an. 

Die Remontierungsquote liegt bei 45 %. Harmsen hält lieber ein paar mehr Jungsauen vor, sodass er nicht in die Bredouille kommt, Jungsauen zukaufen zu müssen. Die Gefahr der Einschleppung von Krankheiten ist ihm zu groß.