Warum sich die Agrar eG Korbußen bewusst gegen Melkroboter entschied
Die Agrar eG Korbußen verlässt sich in der Milcherzeugung mehr auf ihre Mitarbeiter als auf Herdenüberwachungssysteme. Und ist damit erfolgreich. Bewusst entschied man sich mit seinen Melkern gegen Roboter.
Von Silvia Kölbel
Durch den Stall der Agrargenossenschaft „Drei Eichen“ in Korbußen unweit von Gera könnte der Besucher theoretisch auch in Hausschuhen spazieren. Der saubere und aufgeräumte Eindruck, den das gesamte Betriebsgelände beim Besucher hinterlässt, setzt sich bei den Milchkühen und dem Jungvieh fort.
Ein Blick auf die Klauen der Rinder lässt vermuten, dass die Milchkühe in diesem Stall grundsätzlich gut zu Fuß unterwegs sind. Das bestätigt Vorstandsvorsitzende Christine Gerth: „Gelenkprobleme haben wir kaum.“ Die 230 Milchkühe strahlen Ruhe aus und liegen meist zufrieden in ihren Tiefliegeboxen auf einem Stroh-Kalk-Gemisch.
In den Gängen bewegen sich die Kühe auf Gummimatten, in den Übergängen auf Betonfußboden. Die Jungrinder und die Kühe im Reprobereich stehen auf Stroh. Der Gülleschieber hält die Gänge sauber, tägliches Spülen der Rinnen sorgt besonders im Sommer dafür, dass es im Melkhaus wesentlich weniger Fliegen gibt als vor dem Stallneubau im Jahr 2019.
Erste Rohmilch-Liga
Die Korbußener erzeugen seit Jahren mit die beste Rohmilchqualität im Land. Die Milchleistung liegt bei 10.0000 kg pro Kuh und Jahr. Der im Vorjahr erstmals verliehene Sonderpreis für langjährig hervorragende Produktqualität der Landesvereinigung Thüringer Milch ging an die Ostthüringer.
Das heißt aber nicht, dass es in der Agrar eG Korbußen nie Probleme gibt. Geringe Erlöse in der Milchproduktion, Arbeitskräftemangel und tatsächlich auch einmal Probleme bei der Milchqualität führten auch bei der langjährigen Vorstandsvorsitzenden, die seit 30 Jahren im Betrieb in leitender Funktion tätig ist, vor drei Jahren zu Fragen nach der Sinnhaftigkeit der Milcherzeugung. „Es war lange Zeit so, dass wir mit dem Feldbau die Verluste in der Milch ausglichen. Aber so sollte es eigentlich nicht sein.“
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Rinderhaltung unverzichtbarer Bestandteil der Kreislaufwirtschaft
Dass Christine Gerth und mit ihr die Genossenschaftsmitglieder letztendlich doch an der Milcherzeugung festhielten, hatte mehrere Gründe: „Wir haben 2012 den Milchviehstall umgebaut und auch mehrfach modernisiert. Mit der Verbesserung des Tierwohls haben wir uns schon frühzeitig beschäftigt. 2019 kam das neue Melkhaus dazu. Die Rinderhaltung ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kreislaufwirtschaft. Gerade in Zeiten steigender Düngemittelpreise gewinnt der organische Dünger aus der eigenen Tierhaltung an Bedeutung. Außerdem haben wir auch Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern“, betont Gerth.
Bewusste Entscheidung gegen Melkroboter
Die Chefin schätzt das Engagement ihrer Mitarbeiter. Als 2019 dem alten ein neuer Side-by-Side-Melkstand folgte, war das eine bewusste Entscheidung gegen Melkroboter. „Wir haben mit diesem Melksystem gute Erfahrungen gemacht. Es gab keinen Grund, zu wechseln. Uns ist es wichtig, die Tiere täglich zu sehen. Man muss seinen Bestand kennen, das ist äußert wichtig. Das wollten wir keinem Überwachungssystem überlassen“, sagt Christine Gerth.
Leichteres Melkzeug und ein höhenverstellbarer Fußboden im Melkstand brachten zudem Verbesserungen für Mensch und Tier. Mit dieser Entscheidung blieb die Milcherzeugung personalintensiv. Doch Christine Gerth ist sich sicher: „Mit dem Wechsel zu einem anderen Melksystem löst man keine Arbeitskräfteprobleme.“
Viele Puzzelteile für dauerhaft gute Rohmilchqualität
Sieben bis acht Arbeitskräfte kümmern sich in der Agrar eG Korbußen um die Tierhaltung. Allein für jeden Melkgang sind ein Fütterer, ein Treiber und ein Melker notwendig und das bei geteilten Schichten. „Damit haben wir momentan kaum Probleme. Die Mitarbeiter wohnen in der Nähe“, so die Vorstandschefin. Entscheidend sei, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen, ihre Arbeit wertgeschätzt wird und sie bereit sind, in einem solchen System motiviert zu arbeiten.
„Eine dauerhaft gute Rohmilchqualität ist das Ergebnis vieler kleiner Puzzleteile, die man richtig zusammensetzen muss.“ So widmen die Mitarbeiter der Pflege der Tiefliegeboxen besondere Aufmerksamkeit. „Der Feuchtigkeitsgehalt der Mischung muss stimmen. Auch die Kalksorte hat einen Einfluss. Wir haben viel ausprobiert, bis wir die richtige Mischung gefunden hatten.“ Das Ergebnis dieses Prozesses seien saubere Kühe.
Mensch statt Computer
Das Melkzeug werde zudem nach jeder Melkgruppe noch einmal gespült. In vier Gruppen kommen die Milchkühe zum Melkstand. Christine Gerth verlässt sich lieber auf Menschen statt auf Computer. „Uns ist Achtsamkeit bei der Arbeit wichtig“, sagt sie.
Die Top-Rohmilch können die Menschen seit 2017 auch direkt an der Milchtankstelle am Hof kaufen. „Der Verkauf lief anfänglich richtig gut. Wir konnten auf diesem Weg täglich bis zu 150 Liter Milch absetzen. Doch seit die Straßenbaumaßnahmen hier laufen, sind zwei Drittel des Umsatzes weggebrochen. Das sei aber längst nicht das einzige Problem, welches der Bau eines neuen Autobahnzubringers mit sich brachte. Die neue Zufahrt, die dem dort angesiedelten Gewerbegebiet „Korbwiesen“ zugutekommt, durchschneidet Flächen der Agrargenossenschaft. Um auf die durch den Straßenbau abgetrennten Flächen zu gelangen, müssen drei und mehr Kilometer Umweg pro Arbeitsgang gefahren werden. „Wir haben uns bis zuletzt dagegen gewehrt, wurden aber letztendlich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens, so wie fünf andere Flächeneigentümer auch, enteignet“, so die Vorsitzende.
Abwechslungsreiche Fruchtfolge nur mit der Milchkuhhaltung möglich
Durch das Wachsen des Gewerbegebietes Korbwiesen und den Straßenbau hat die Agrargenossenschaft bereits rund zwölf der ursprünglich 832 ha Fläche verloren – wertvoller Ackerboden mit einer Bodenwertzahl um die 50 und höher. Auf den verbliebenen 808 Hektar Ackerland wachsen Winter- und Sommergetreide, Raps, Zucker- und Futterrüben, Ackerfutter und Mais. Auf rund 30 ha findet Grassamenvermehrung statt.
Letztendlich sei diese abwechslungsreiche Fruchtfolge nur mit der Milchkuhhaltung möglich und wirtschaftlich sinnvoll, so Christine Gerth, weshalb sie der Überzeugung ist, dass die Agrargenossenschaft mit dem Erhalt der Milchproduktion die richtige Entscheidung getroffen hat.