Studie: Wolf ist nicht mehr ausrottbar
Der Wolf in Deutschland entwickelt sich so prächtig, dass weder einzelne Entnahmen noch Naturkatastrophen die Art gefährden könnten. Schon in wenigen Jahren wird sie alle potenziellen Lebensräume besiedelt haben, sagen Wiener Wildbiologen.
Dem Wolfsbestand in Deutschland droht durch eine kontrollierte Entnahme von einzelnen Tieren grundsätzlich keine Gefahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine bundesweit einmalige Studie, die das international renommierte Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) im Auftrag Niedersachsens angefertigt hat. Es habe sich gezeigt, dass die „kontrollierte Entnahme“ angesichts des stetig wachsenden Bestandes grundsätzlich keine Gefährdung für den Wolf mit sich bringt, erklärte Umweltminister Olaf Lies (SPD), als er am 14. Juli die Studie in Hannover vorstellte. Einzige Voraussetzung sei eine ständige Kontrolle durch ein „weiterhin engmaschiges und systematisches Monitoring“.
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Erforderlicher Mindestbestand beim Wolf längst erreicht
Die Wiener Wildbiologen bewerten die Studie selbst als „wissenschaftliche Grundlage für ein bestandsicherndes Wildtiermanagement“. Nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover belegt sie, dass unter der Annahme verschiedenster Szenarien, darunter selbst unvorhergesehene Naturkatastrophen, mit einer exponentiellen Zunahme der Wölfe in Deutschland zu rechnen ist. Ausgehend vom Basisjahr 2015, als es erst sechs Rudel in Niedersachsen gegeben habe, zeigten die Modelle einen kontinuierlichen Anstieg der Population, der ein erneutes Aussterben der Wölfe selbst bei kontrollierten Entnahmen sehr unwahrscheinlich mache. „Heute zählen wir 39 bekannte Wolfsrudel in Niedersachsen. Der Anteil des Landes am biologisch erforderlichen Mindestbestand ist also längst erreicht“, erläuterte Lies.
Wie viel Wolf wird auf dem Land akzekptiert?
Mit zunehmender Wolfsdichte rückt nach Ansicht des SPD-Umweltministers somit eine andere Grenze in den Fokus: der Akzeptanzbestand. Gemeint ist die Zahl von Wölfen, die in der Kulturlandschaft von den Menschen noch hingenommen wird. „Und zwar insbesondere von denen, die nicht in Großstädten leben“, erläutert Lies weiter. Die Studie liefert ein statistisches Modell, mit dem sich berechnen lässt, wie hoch der Anteil des Landes am gesamtdeutschen Wolfsbestand sein muss. Dies käme im Fall erforderlicher Entnahmen und auch eines später zu etablierenden Bestandsmanagements zum Einsatz. Ziel eines Bestandsmanagements sollte eine Quote von schadenverursachenden Wölfen sein, die ohne langwierige Einzelgenehmigungen entnommen werden könnten. Erleichtern würde dies die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht.
Nach Angaben des Umweltressorts in Hannover analysiert die Studie zudem, inwieweit die Population in ganz Deutschland gefährdet sein könnte. Dafür wurden 23 verschiedene Szenarien zu möglichen Entwicklungen in den kommenden 30 Jahren modelliert. Wird der Trend auf Grundlage der bisherigen Entwicklung und von Literaturwerten fortgeschrieben, würde die maximale Kapazitätsgrenze von 1.408 Territorien in Deutschland mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit schon im Jahr 2030 erreicht. Für Niedersachsen wären das 175 bis 205 Territorien mit 1.120 bis 1.312 Wölfen. Diese Kapazitätsgrenze hatte eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) im Jahr 2020 ermittelt.
Gezielte Entnahmen sind keine Gefahr
Dem Ministerium zufolge belegt die Studie, dass sich der Wolf unter den gegenwärtigen Bedingungen „exponentiell“ ausbreitet. Bis 2030 würde er alle geeigneten Lebensräume in Deutschland besiedeln, weil sich der Bestand „prächtig und ohne Hilfe vermehrt“. Weder in Deutschland noch in Niedersachsen sei er somit eine gefährdete Art. Ein „adaptives Management“ durch gezielte Entnahmen einzelner Tiere gefährdet den langfristigen Bestand des Wolfs demnach nicht. Dagegen ist ein Management wie in Frankreich oder Schweden darauf angelegt, den Wolfsbestand zu begrenzen. Dies bedürfte nach Einschätzung der Behörde „deutlich robusterer Eingriffe in den Bestand“.
Ostdeutsche „Wolfsländer“ gaben keine Daten frei
Ab welcher Untergrenze der Bestand wieder als gefährdet angesehen werden müsste, kann die Studie allerdings nicht klären. Denn die dafür benötigten und beim Senckenberg-Institut erfassten Informationen wurden den Wiener Wissenschaftlern nicht von allen Bundesländern freigegeben. Lediglich Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen unterstützten die Arbeiten. „Hätten alle Länder – auch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg – ihre Daten zur Verfügung gestellt, hätte man sich eventuell auch einer Untergrenze nähern können“, stellt das niedersächsische Umweltministerium fest. red