Umbau der Tierhaltung stockt

DBV-Präsident Joachim Rukwied, Minister Cem Özdemir, Christian von Bötticher (Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie), Berlins Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey, und EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski. (c) Messe Berlin
Agrarpolitik
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In die Kameras lächelnde Politiker gehören auch nach der Corona-Pause zur Grünen Woche. Doch unter den Tierhaltern ist von Zuversicht für den proklamierten Aufbruch zu neuen Zielen wenig zu spüren.

Von Ralf Stephan

Erwartungsgemäß gehörte der angestrebte Umbau der Tierhaltung in Deutschland zu den bestimmenden Themen beim fachlichen und politischen Auftakt der Grünen Woche. Dabei standen vor allem die Kritik am Entwurf für das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, aber auch die noch offene Finanzierung und die nötigen Änderungen am Baugesetz im Fokus.

Den ersten Aufschlag lieferte am Donnerstagmorgen – unmittelbar vor den traditionell stark frequentierten Fragestunden der Agrarjournalisten mit dem DBV-Präsidenten und dem Bundesminister – die Initiative Tierwohl (ITW).

Sie sieht sich zwar gut für Krisen gewappnet, in der Tierhaltungskennzeichnung aber eine echte Bedrohung. „ITW steht solide da, ist aber nicht unverwundbar“, warnte ITW-Geschäftsführer Robert Römer. Das Tierwohl der Millionen von Schweinen im System sei bedroht, wenn das Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung der Bundesregierung so umgesetzt werde, wie derzeit geplant.

Noch gebe es die Chance, das Gesetz so zu verändern, dass „es nicht zum Tierwohlkiller, sondern zum Tierwohlförderer wird“. Etwas moderater formulierte es die Borchert-Kommission, die sich ebenfalls zu Beginn der Grünen Woche zu Wort meldete. Allerdings bezeichnete sie gleich alle vom Bundeslandwirtschaftsministerium geplanten Gesetzesvorhaben und Programme zum Umbau der Nutztierhaltung als unzureichend und unzulänglich.

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Tierwohlprämie und Tierhaltungskennzeichnung

Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien „in ihrer jeweiligen Ausgestaltung und im Zusammenwirken nicht in der Lage, den Umbau des gesamten Sektors zu bewerkstelligen“, heißt es in einer Stellungnahme des Kompetenznetzwerks.

Das Expertengremium macht seine weitere Mitarbeit bei der Weiterentwicklung einer Gesamtstrategie für die Tierhaltung davon abhängig, dass die Bundesregierung eine umfassende Transformation des Nutztiersektors anstrebt und die Einführung „langfristiger, verlässlicher und ausreichend bemessener staatlicher Tierwohlprämien“ beschließt.

Der Bundeslandwirtschaftsminister reagierte während der Pressefragestunde an diesem Punkt sehr dünnhäutig. Auf die Stellungnahme vom Leiter des AgE-Hauptstadtbüros angesprochen, bestritt Cem Özdemir, dass es sich um eine grundsätzliche Kritik handele. Dass die Haltungskennzeichnug unzureichend sei, „steht nicht drin“, sagte der Grünen-Politiker und warf dem Fragesteller vor, nicht „faktenbasiert“ zu arbeiten.

Auch auf die ITW-Kritik ging Özdemir nicht weiter ein. Man sei im Gespräch, um die Bedenken auszuräumen, die Initiative Tierwohl werde „weiterhin ihren Platz haben“, sagte er. Eine Idee, wie dies etwa in Hinblick auf die strengen ITW-Audits und das ohne laufende Kontrollen vergebenene Haltungskennzeichen gelingen könnte, vermittelte der Minister nicht.

„Die Tierhaltungskennzeichnung ist kein Zukunftsprogramm, sondern ein Abbauprogramm.“ Diese Einschätzung hatte eine Stunde zuvor der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, der Journalistenrunde mitgeteilt. Auch sonst blickte Rukwied trotz der vorübergehend aufgehellten Daten im DBV-Stimmungsbarometer offen pessimistisch in die Zukunft. Ein Grund dafür sei die extreme Volatilität der Märkte, die Bauern sehr verunsichere und die wohl noch lange anhalten werde.

Rukwied: Politische Taten müssen folgen

Vor allem aber nannte der DBV-Präsident die Ergebnisse der bisherigen Politik als Ursache für fehlende Zuversicht. Auf „Lippenbekenntnissen zur nachhaltigen Landwirtschaft“ lasse sich keine Zukunft aufbauen, zumal sie und die beschlossenen Maßnahmen weit auseinanderklafften. „Minister Özdemir muss sich bekennen, seinen Ankündigungen müssen endlich auch politische Taten folgen“, forderte Rukwied.

Özdemir indes nutzte seinen Auftritt vor der Presse, um zum wiederholten Male für seine strategischen Ziele zu werben. Dafür, dass es nicht schnell genug vorangehe, machte er „mächtige Gegner“ und „falsche Freunde der Landwirtschaft“ verantwortlich. Mit diesen Worten verteidigte er sich am Samstag auch gegen massive Kritik aus den Reihen der „Wir haben es satt!“-Initiative.

Video: „Freie Bauern“ auf der Grünen Woche in Berlin

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Aber auch unter den Bundesländern bleibt die Unzufriedenheit mit dem, was der Bundesminister bislang vorgelegt hat, groß. Die Staatssekretäre der Agrarministerien mahnten auf ihrer Amtschefkonferenz (ACK) im Vorfeld der Grünen Woche erneut ein verbindliches Gesamtkonzept zum Umbau der Tierhaltung an (Bauernzeitung 04_2023, S. 23). Und Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef, Till Backhaus, äußerte sich beim IGW-Empfang seiner Landesregierung offen enttäuscht von der Ampelpolitik für die Tierhaltung.

Statt den allgemein anerkannten Borchert-Plan komplett umzusetzen, werde nur ein Teil davon angegangen. „So wird ein Ansatz wirkungslos, der viel Zuspruch erfahren hat“, beklagte der SPD-Politiker. Damit werde keinerlei Aufbruchstimmung erzeugt, sondern Frust und Perspektivlosigkeit bei den Tierhaltern.