Moore schützen, aber wie? Der Landesbauernverband forderte bei einem Fachgespräch zum Thema Moorschutz im Agrarausschuss des Brandenburger Landtags einen Neustart (c) Heike Mildner

Moorschutz in Brandenburg: Neustart mit Strategie gefordert

Der Landesbauernverband Brandenburg forderte bei einem Fachgespräch zum Thema Moorschutz am 8. Februar im Agrarausschuss des Brandenburger Landtags einen Neustart und machte ganz konkrete Vorschläge, wie der gelingen könnte. Neben Praktikern sprach Edgar Reisinger von der Firma TAURUS Consult. Er sieht vor allem die finanziellen Mittel für Moorschutz in Brandenburg viel zu knapp bemessen.

von Heike Mildner

Um durch die derzeit laufenden, nach Ansicht des Landesbauernverbandes (LBV) unkoordinierten und unstrukturierten Maßnahmen beim Moorschutz keine falschen Fakten zu schaffen, schlägt der LBV einen Neustart vor. Denny Tumlirsch, Hauptgeschäftsführer des LBV, skizzierte vor dem Ausschuss für Agrar, Umwelt und Klimaschutz (ALUK) am vorvergangenen Mittwoch dafür einen Fahrplan.

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Moorschutzstrategie mit Dreiphasenmodell

Am Anfang stehe eine umfängliche Bestandsaufnahme, die u. a. die tatsächliche Eignung der Projektgebiete für den gewünschten Klimaeffekt belegt und auch die Wirtschaftlichkeit alternativer landwirtschaftlicher Nutzung darstellt. Dies schließt eine Abschätzung der Folgen der Versumpfung für anliegende Infrastruktur und Siedlungen sowie Fragen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes mit ein.

Im zweiten Schritt solle eine entscheidungsbefugte, paritätisch besetzte Moorkommission aus Politik, Verwaltung, Berufsstand, Wissenschaft und Gebietskörperschaften auf Landesebene installiert werden, die mit einer gemeinsam erarbeiteten Moorstrategie Akzeptanz durch Beteiligung herstellt.


In einer dritten Phase müsse diese Moorstrategie in der jeweiligen Region angepasst und umgesetzt werden, gesteuert durch eine regionale Moorkommission aus Vertretern des Berufsstandes, der Kreis- und Gemeindeverwaltung und z. B. eines Umweltverbandes.

„Nur durch gemeinsame Gremienarbeit von Politik, Verwaltung, Verbänden und Landnutzern stellen wir sicher, dass Landwirte, die in den bereits festgelegten Projektgebieten für Wiedervernässungsmaßnahmen wirtschaften, mitgenommen werden“, betonte Tumlirsch. Nach der Diskussion bekräftigte er noch einmal: „Wir brauchen klare Berechnungen vorab, worüber wir sprechen. Die Leute vor Ort müssen entscheiden, was mit den von ihnen bewirtschafteten Flächen passiert. Und das muss vernünftig, mit direkter Beteiligung passieren.

Die Abgeordneten müssen das zuständige Ministerium jetzt in die Pflicht nehmen: erst Moratorium, dann endlich eine tragfähige Strategie.“ Der Landesbauernverband werde dazu das oben beschriebene Dreiphasenmodell „Akzeptanz durch Beteiligung“ einbringen.

Video: Moorschutz Fachgespräch in Brandenburg mit Denny Turmlirsch

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Einschätzung von außen: Ressourcenmangel und niedrige Prämie

Eingeladen zum Fachgespräch war auch der aus Thüringen bekannte Biologe Edgar Reisinger von der TAURUS Consult. Er richtete den Blick von außen auf die Brandenburger Moorschutzambitionen. Reisinger konstatierte, dass für ein solch ein Mammutprojekt – Wiedervernässung von 6.000 bzw. 9.000 ha/Jahr (die Angaben widersprechen sich im Detail) – derzeit nicht annähernd genug fachlich-personelle und finanzielle Ressourcen vorhanden sind.

„Es muss sich für die Landbewirtschafter ökonomisch tragen!“, ist Reisinger überzeugt. Das funktioniere nur, wenn das Produkt die Kohlendioxid-Vermeidung ist. Dies müsse honoriert werden. Das Produkt Fleisch sei das Sahnehäubchen.

Schaue man sich aber die Prämien für die extensive Weidetierhaltung an, werde schnell deutlich, dass Brandenburg hier das Schlusslicht ist: 520 €/ha in Nordrhein-Westfalen oder 350 € in Thüringen stünden 120 €/ha in Brandenburg gegenüber. „Damit können Sie keinen Landwirt gewinnen!“, so Reisinger.

Video: Moorschutz Fachgespräch in Brandenburg mit Edgar Reisinger

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Praxiserfahrung: Landwirte berichten

Lars-Andreas Sieh und Stefan Schulze-Bergcamen sind zwei Landwirte, die auf Moorstandorten wirtschaften und ebenfalls vor den Ausschuss geladen waren. Sie illustrierten deutlich, wie wichtig ein ehrlicher Dialog und eine organisierte Zusammenarbeit für einen erfolgreichen Moorschutz ist.

Im dünn besiedelten Randowbruch in der Uckermark stellt Sieh schwer zu bewirtschaftende und zur Vernässung neigende Flächen für Anstauungsmaßnahmen zur Verfügung, die zuvor in einem Staubeirat von Bewirtschaftern und Flächeneigentümern abgestimmt und anschließend gemeinsam mit dem Wasser- und Bodenverband umgesetzt werden.

Für das vernässte Land erhält der Landwirt Ausgleichsflächen aus Landeseigentum, ein Modell, das jedoch mitnichten auf alle Projektgebiete übertragbar ist.

Vollkommen anders ist die Situation in Potsdam Mittelmark bei Stefan Schulze Bergcamen, der einen breit aufgestellten ökologischen Gemüseanbau betreibt, in seinem Betrieb 20 Mitarbeiter beschäftigt, durch vielgliedrige Fruchtfolge mit Zwischenfruchtanbau seit Jahren den Humusaufbau auf seinen Flächen fördert, erheblich in moderne Beregnungsanlagen investiert hat, dessen Flächen jedoch zu 90 Prozent in das Projektgebiet zur Vermoorung von drei Poldern fallen.

Video: Moorschutz Fachgespräch in Brandenburg mit Lars Andreas Sieh

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Regionale Lebensmittel: Im Sumpf wächst nichts

Eine Umstellung auf Paludikulturen, die von der Arge Klimamoor als alternative Bewirtschaftungsform massiv beworben wird, kommt für ihn angesichts der nachweislich fehlenden Wirtschaftlichkeit nicht in Frage:

„Für mich bedeutet Paludi ein Eingriff in die Berufsfreiheit. Vor den Toren der Metropole Berlin möchte ich weiterhin Lebensmittel produzieren und meinen Beitrag für die Ernährungssicherheit mit regionalen Produkten aus ökologischem Anbau leisten.

Bei einer Vernässung meiner Flächen wird meine Humus aufbauende Arbeit vernichtet. Die bestehende Artenvielfalt wird verdrängt, die Lebensqualität im Morast durch Gnitzen und Mücken erheblich sinken. Im Sumpf wächst nichts, was Tiere oder Menschen ernährt oder gar antreibt oder erwärmt!

Die Wiedervernässung der Projektgebiete in diesem Landkreis stößt zudem in einer urbanen Region wie Potsdam Mittelmark auf größten Widerstand von Anwohnern und Gewerbe. Denn mit der Versumpfung geht ein erheblicher Wertverlust an Haus- und Grundstücken einher, der in seiner volkswirtschaftlichen Tragweite nicht vorstellbar ist.“

Video: Moorschutz Fachgespräch in Brandenburg mit Stefan Schulze Bergcamen

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Moorschutz steht und fällt mit der Wirtschaftlichkeit

„Wir unterstützen den Ansatz, Bestandsmoore zu schützen und für die Wiedervernässung einzusetzen. Moorschutz in bewirtschafteten Flächen aber steht und fällt mit den wirtschaftlichen Perspektiven für die Betriebe und für die betroffenen Regionen. Dies hat die Diskussion in der heutigen Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz deutlich gezeigt“, so Antonia Bing, Geschäftsführerin der Familienbetriebe Land und Forst Brandenburg.

Langfristige Planungen, volle Transparenz und umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit, insbesondere aber der betroffenen Landwirte und Grundeigentümer sind dabei unverzichtbar. Hierüber bestand Konsens. „Die Tragweite dieses Vorhabens wird gegenwärtig aber nicht hinreichend kommuniziert und deshalb in der Folge unterschätzt.

  • Erstens: Niemand will plötzlich nasse Füße – das gilt für Land- wie auch Stadtbewohner.
  • Zweitens: Es geht um Standorte, die staatlich flankiert, über Jahrhunderte und bis in die jüngere Vergangenheit hinein für die Landwirtschaft zur Sicherung der Ernährung urbar gemacht wurden.
  • Es geht – drittens – um ländliche Infrastruktur, Siedlungen, Dörfer und die Existenz ganzer Betriebe“, erklärt Antonia Bing.

Bestandsaufnahme nötig

Sie mahnt an: „Um Fehlentwicklungen zu vermeiden und neue Erkenntnisse zeitnah in die Praxis zu transferieren, braucht es zuallererst eine detaillierte Bestandsaufnahme, aus der verlässliche Aussagen über die notwendigen Auflagen und Planungsanforderungen abgeleitet werden können.

Niemand sollte mit dem Hausbau anfangen, bevor nicht der Baugrund untersucht, die Statik geplant und die Finanzierung geklärt ist“, kritisiert Antonia Bing. Die Geschäftsführerin ist sich sicher: „Das Klimaschutz- und Biodiversitätspotential der Land- und Forstwirtschaft lässt sich nur heben, wenn den Betrieben nutzungsorientierte Handlungsmöglichkeiten geboten werden.

Dies jedoch erfordert mehr Substanz und Verbindlichkeit, vor allem aber verlässliche Einkommensperspektiven und innovative Nutzungskonzepte, wie z. B. die Energieerzeugung in Verbindung mit Moorschutz, die die Wertschöpfung vor Ort erhöhen.

Daran fehlt es trotz des Engagements einzelner Landnutzer bislang. Dabei wären derartige Pilotprojekte einmalig in Brandenburg und könnten sogar Leuchtturmcharakter entfalten. Fördertatbestände allein werden das Ziel wegen fehlender Haushaltsmittel wohl nicht erreichen.“