Wolfsabschuss gekippt: Ein Staatsakt mit Zollstock
Die Fachstelle Wolf nimmt aus formalen Gründen ihre Zustimmung für den Abschuss auffälliger Wölfe am Wildgatter Krappe in Ostsachen zurück. Das sendet ein fatales Signal. Wolfsschutz scheint wichtiger zu sein, als die Weidetierhaltung.
Ein Kommentar von Karsten Bär
Nicht nur Karnevalisten wissen: Aschermittwoch ist das närrische Treiben vorbei. Dass die sächsische Fachstelle Wolf ausgerechnet einen Tag vorher mit der Nachricht überraschte, dass es für eine zuvor erteilte Entnahmegenehmigung für auffällige Wölfe nun doch keine Grundlage gebe, mag Zufall sein. Manchen schien es trotzdem so, als wollte die Behörde Isegrim verlängerte Narrenfreiheit erteilen.
Fachstelle kippt Entscheidung für Wolfsabschuss
Dass das geschützte Raubtier anscheinend alles tun und lassen kann, ohne dass es zu Konsequenzen kommt, glauben inzwischen nicht wenige Weidetierhalter. Im konkreten Fall in der Nähe von Löbau hatten Wölfe nachweislich mehrfach den Festzaun eines Wildgatters überklettert . Dessen Höhe übersteigt die Mindestanforderungen für den Herdenschutz. Und sie erfüllt den sogenannten zumutbaren Schutz. Überwindet ihn ein Wolf, ist eine Entnahme möglich. Dies wurde geprüft und letztlich genehmigt. Bis den Behörden auffiel, dass der Zaun an einer Stelle maximal 20 cm unter der erforderlichen Höhe des zumutbaren Schutzes liegt, und den Wolfsabschuss wieder kippte.
Selbst bei größter Sorgfalt kann niemand garantieren, dass – wie beim betroffenen Wildgatter in der Lausitz — ein zwei Kilometer langer Zaun jederzeit exakt im laut Verordnung „zumutbaren“ Zustand ist. Herabfallende Äste können jederzeit die Höhe beeinträchtigen. Muss in solchen Fällen der Zollstock entscheiden? Oder sollte nicht das offenkundige Bemühen des Halters, unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen für angemessenen Schutz zu sorgen, den Ausschlag geben? Zumal ein Wolf, der einen 160 cm hohen Zaun überklettern kann, sicher nicht an 180 cm scheitern wird. Zu verhindern, dass sich solches erlerntes Verhalten verfestigt, ist Aufgabe des Wolfsmanagements.
Im Zweifel lieber für den Wolf?
Die Entscheidung der Fachstelle mag bei buchstabengetreuer Auslegung der Sächsischen Wolfsmanagement-Verordnung richtig sein. Doch sie sendet ein fatales Signal. Sie wird unter Weidetierhaltern als Beleg dafür gesehen, dass die mit dem Wolfsmanagement befassten staatlichen Stellen im Zweifel lieber für den Wolf entscheiden und dafür alles daran setzen, dem Halter Fehler beim Herdenschutz nachzuweisen. Was das für die Akzeptanz gegenüber dem Wolf bedeutet, muss man nicht weiter ausführen.
Bei aller Kritik: Mitarbeitern staatlicher Wolfsmanagement-Stellen und anderer beteiligter Behörden bleibt allerdings oft nichts anderes übrig, als die Verordnungstexte lieber zu streng als zu pragmatisch anzuwenden, wollen sie Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang vermeiden. Denn wenn es um den Wolf, das Maskottchen der Naturromantiker, geht, verstehen viele Umweltorganisationen keinen Spaß. So auch im beschriebenen Fall, in dem der sächsische Landesverband des BUND juristische Schritte gegen den geplanten Wolfsabschuss einleitete. Der Fall zeige, dass es viele offene Fragen und Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Entnahme gibt, ließen die Juristen des BUND wissen.
Wolfsabschuss braucht sichere Rechtsgrundlage
Und damit haben sie sogar recht. So lange das Artenschutzrecht beim Wolf die Augen vor der Realität verschließt und Wolfsmanagementmaßnahmen mit dem Aufwand eines Staatsaktes verbunden sind, werden rechtliche Zweifel nicht ausgeschlossen sein. Es ist an der Zeit, hier durch politische Entscheidungen klare Verhältnisse zu schaffen.