Pfarrgut Taubenheim ist seit Jahren eine gute Adresse für Biobackwaren und -milchprodukte im Dresdner Raum. Die GmbH beliefert Naturkostläden, Reformhäusern und Player wie Rewe und Edeka. (c) Sabine Rübensaat

Pfarrgut Taubenheim: Bauernbrot im Supermarkt

Seit Jahren ist das Pfarrgut Taubenheim eine gute Adresse für Biobackwaren und -milchprodukte im Dresdner Raum. Die GmbH beliefert außer Naturkostläden und Reformhäusern sogar Player wie Rewe und Edeka.

Von Jutta Heise

Bäckermeister Bernd Schleinitz steht unter Dampf. Freitag ist der umsatzstärkste Tag der Woche. Dann und genau dann Neues auszutesten, Kunden im wahrsten Sinne anzufüttern, die Stammklientel ein bisschen zu verblüffen, ist so naheliegend wie die Meißner Albrechtsburg, von der wir uns nur eine viertel Autostunde entfernt befinden.

Die bisherige Bilanz: Läuft! Plunderecken, Käse- und Nussstangen werden garantiert auch zur Eröffnung der neuen, größeren, moderneren Bäckerei in der Ortsmitte von Taubenheim gereicht.

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Pfarrgut Taubenheim: Brot und Milch

Planmäßig sollte die schon seit drei Monaten in Betrieb sein, aber die Baumaßnahmen ziehen sich – sehr zum Unwillen von Sophia Sucholas, die gemeinsam mit ihrem Mann Jarek und ihrer Schwester Almuth Krenkel die GmbH führt. Zeit ist bekanntlich Geld, ihr Geld.

Ach, seht es mal positiv. So hat das 21-köpfige Team um Schleinitz, der über 20 Jahre in der Backstube das Sagen hat, noch ein wenig mehr Zeit, mit jenen meist süßen Kleinigkeiten zu verführen, die über das übliche, bewusst überschaubar gehaltene Kuchen- und Kekssortiment hinausgehen. Sophia Sucholas verpasst experimentellen Höhenflügen gleich mal gnadenlos einen Dämpfer. Die Preiskalkulation setze Grenzen.

Angesichts teurer Biobackzutaten müssen manche Ideen, etwa die gesamte Feingebäckpalette, wieder in der Versenkung verschwinden. Och, träumen darf man ja mal. „Brot und Milch bleiben auch in Zukunft unser Kerngeschäft“, sagt Sucholas bestimmt. Punkt! „Wir führen 25 Sorten Brot. Unser Schwerpunkt liegt auf Vollkorn-Roggen, dazu kommt ein kleines Angebot an Weizenbroten und -brötchen.“

Pfarrgut Taubenheim, Milch ist ein Topseller
Milch ist ein Topseller in den Verkaufsstellen. Fünf Angestellte kümmern sich wie Jarek Sucholas und Sohn Timo, gelernter Landwirt, um Tiere und Stallanlagen. (c) Sabine Rübensaat

Schwarzbrot pur: Eigenes Getreide wird veredelt

Der Hit, auch wenn Sucholas das vornehm verschweigt, aber es gibt ja noch andere Quellen, ist das mehrfach von der Fachwelt ausgezeichnete Schwarzbrot pur – ohne jeglichen Zusatz von Weizen. Die studierte Agraringenieurin weiter: „Dinkel erwerben wir zu, allerdings in geringen Mengen. Ich möchte ja vor allem mein Getreide verkaufen.“ Jährlich sind das 120 t Roggen und 50 t Weizen.

Die Kulturen baut man auf etwa 100 der circa 200 ha bewirtschafteten Fläche an und lässt es in der Wassermühle Miltitz mahlen. Mit dem Partnerbetrieb ist man verbunden, seitdem Sophia Sucholas‘ Mutter Ingeborg Schwarzwälder und deren Mann Michael das Pfarrgut 1991 erwarben und den Betrieb gründeten.

1.000 Brote und 1.500 Brötchen täglich werden hier gebacken – quasi rund um die Uhr. Man produziert im Zwei-Schicht-Betrieb. Die beiden Teams bestehen aus je einem Meister und drei bis vier Mitarbeitern. Schöner Nebeneffekt: „Seitdem wir die Tagschicht eingeführt haben, können wir auch Azubis ausbilden.“ (Merke: Minderjährige dürfen nur zwischen 6 und 20 Uhr beschäftigt werden.)

Die Besatzung der vier Lieferfahrzeuge fährt täglich 50 bis 60 Verkaufsstellen im Meißner und Dresdner Raum an. Bis spätestens sechs Uhr in der Früh müssen die Fahrer vom Hof sein, und das nicht nur der Frische wegen. Später könnte man im städtischen Berufsverkehr hängen bleiben. An Bord haben sie außer Backwaren auch Frischmilch. 260.000 l werden jährlich von den etwa 60 Milchkühen ermolken.

Milch vom Kooperationsbetrieb im nahen Pulsitz wird zu fünf Sorten Taubenheimer Joghurt in Sommer- und Wintervarianten sowie Frischkäse veredelt. „Wir haben die Produktion komplett ausgegliedert und in Lohnarbeit gegeben, konzentrieren uns ausschließlich auf Frischmilch.“ Die naturbelassene Vollmilch mit einer Haltbarkeit von sieben Tagen hat im Winter 4,2 % Fett, im Sommer 3,7 %. Dank der Fütterung mit hofeigener Gras-, Kleegrassilage, Heu und Getreideschrot bekommt die Milch einen von den Kunden geschätzten besonderen Geschmack.

Pfarrgut Taubenheim, Biobackwaren

Erfreuliches Interesse fürs (nicht ganz leichte) Handwerk: Nancy Merkel und Sophie Heduschka (v. l.) in der Bäckerei. (c) Sabine Rübensaat

Pfarrgut Taubenheim mit

Die „Freitagsteilchen“, präsentiert von Bernd Schleinitz. (c) Sabine Rübensaat

Pfarrgut Taubenheim, Abfüllanlage

Aneta Lajtlich ist seit sieben Jahren auf dem Pfarrgut und Technikaffin. Kleine Störungen an der Abfüllanlage beseitigt sie selbst. (c) Sabine Rübensaat

Pfarrgut Taubenheim, Ingeborg Schwarzwälder mit Tochter

Ingeborg Schwarzwälder hat mit wenig Geld und viel Enthusiasmus die Grundlage für das heutige prosperierende Geschäft gelegt. Tochter Sophia konnte darauf aufbauen. (c) Sabine Rübensaat

Pfarrgut Taubenheim

Jarek Sucholas ist der Mann für alle Fälle: Wenn es um Technik geht, kann er einfach alles – sagt seine Frau. (c) Sabine Rübensaat

Im Hofladen günstiger einkaufen

Die Hofmolkerei wurde seit 2010 – teils mit wieder aufgemöbelten Secondhand-Maschinen – modernisiert, etwa durch einen Abfüllvollautomaten mit einer Stundenleistung von 800 l. Statt aufwendig in Chargen zu 500 l pasteurisiert man nun die Milch dreimal die Woche, und das ab 3.30 Uhr. Nix für Langschläfer! Selbstverständlich ist die Frischmilch auch im Hofladen zu bekommen.

Der bietet so gut wie alles, was zum Lebensmittelgrundsortiment zählt: Obst und Gemüse, regional und saisonal, Wurstwaren, Frischkäse, durchweg in Bioqualität. „Im Vordergrund stehen natürlich unsere hofeigenen Produkte – zu Werksverkauf-Preisen“, sagt Sophia Sucholas. Ein Brötchen etwa kostet 38 ct. Mit einem Faktor von 1,5 bis 1,7 Aufschlag werden die Produkte in den abnehmenden Supermärkten, Reformhäusern oder Bioläden verkauft.

Das Konsumverhalten ist derzeit aus bekannten Gründen deutlich gedämpft. „Jede Krise der Vergangenheit, sei es BSE, seien es Niedrigpreise am Milchmarkt, hat vor allem die konventionell wirtschaftenden Kollegen getroffen. Jetzt sitzen wir alle im gleichen Boot.“ Gegenüber 2021 ist der Umsatz insgesamt im zweistelligen Prozentbereich gesunken. „Den Wochenendeinkauf erledigen weniger Kunden als früher bei uns, manche kommen nur noch der Milch wegen.“

Pfarrgut Taubenheim: Vom Neustart bis in den Lebensmitteleinzelhandel

Auf das umfangreiche Vertriebsnetz angesprochen, sagt Sophia Sucholas: „Meine Mutter hat enorme Pionierarbeit geleistet, auf der wir aufbauen konnten.“ Ingeborg Schwarzwälder war in der DDR-Umweltbewegung aktiv, hat Gäa mit begründet. Taubenheim war anfangs sogar der Sitz des jungen Vereins für ökologischen Landbau und seines ersten kleinen Büros. 1991 gelang es ihr und ihrem damaligen Lebensgefährten, das Pfarrgut zu pachten, man konnte Boden zukaufen. Mit wenig Geld, aber mit jenem Enthusiasmus, der jedem Neustart innewohnt, baute man 1992 die Bäckerei und 2000 die Hofmolkerei auf.

2006 übergab Ingeborg Schwarzwälder die Landwirtschaft an Tochter Sophia und deren Ehemann Jarek, zehn Jahre später erfolgte die Übergabe des Verarbeitungsbetriebes an diese beiden und die zweite Tochter Almuth. „Wir haben vom Bioboom der 2000er-Jahre profitiert. Ebenso, wie dieser Markt im Großraum Dresden gewachsen ist, sind wir mitgewachsen“, sagt Sucholas. „Anfangs haben wir verschiedene Modelle getestet, die Ware sogar nach Hause geliefert.“ Nicht wirtschaftlich! „In die Abo-Kisten-Schiene wollten wir nicht. Stattdessen waren inhabergeführte Geschäfte unsere Zielgruppe. Deren Zahl ist im Laufe der Zeit zusammengeschrumpft.

Heute sind wir vor allem im Lebensmitteleinzelhandel vertreten. Wir beliefern seit 2014 20 der 34 Konsum-Läden in Dresden. Die Rewe Group ist schon seit Ende der 1990er-Jahre dabei. Ebenso liefern wir an die 13 Geschäfte von Vorwerk Podemus und die sieben Märkte der Verbrauchergemeinschaft Dresden. Diese beiden Kunden machen rund 50 Prozent unseres Warenumsatzes aus.“ Der Versuch, auch in der Leipziger Region Fuß zu fassen, schlug fehl. „Wir konnten nur wenig Ware absetzen.“

Die Zukunft liegt bei den Großküchen

Während Landwirtschaft und Hofmolkerei auf dem alten Gutsgelände bleiben, wird auch der Hofladen in die neue Bäckerei umziehen. „Er erbringt zwar nur ein Prozent unseres Umsatzes, aber er ist wichtig für unsere Transparenz“. Mittlerweile sei das Pfarrgut so bekannt, „dass, wer neu in den Markt einsteigt, zuerst uns kontaktiert.“

Gleichwohl würden Neukunden in ernst zu nehmender Anzahl wohl nicht mehr dazukommen, der Markt sei gesättigt. „Unsere Schlagkraft sehe ich künftig, einer politischen Forderung folgend, in der Kantinenversorgung mit Biobackwaren.“ Schon jetzt beliefere man eine große Kinderküche mit 100 Broten und 1.000 Brötchen am Tag und eine Seniorenresidenz.

Neubau der Bäckerei in Taubenheim
Der Neubau der Bäckerei in Taubenheim, der auch bäckertechnisch mehr Spielräume eröffnet, wartet auf den letzten baulichen Schliff. (c) Sabine Rübensaat

Mit der neuen Bäckerei soll sich das Produktionsvolumen an Backwaren verdoppeln. „Zugleich werden wir viel Neuland erschließen“, sagt Sophia Sucholas. „Arbeitsabläufe werden rationeller gestaltet und für die Mitarbeiter körperlich leichter sein.

Derzeit arbeiten wir mit nur einem Roggen-Sauerteig, ich kann mir auch einen guten Weizen-Sauerteig vorstellen. Die Räumlichkeiten für die Kommissionierung, also das Zusammenstellen der Lieferungen laut Auftrag, sind groß. Das senkt die Fehlerquote beim Beladen …“ Sophia Sucholas redet sich ins Schwärmen. Na, dann – noch mal auf zu neuen Ufern!

Eine Zeit lang hat man versucht, dies durch Einsparungen abzufedern, das Sortiment eingedampft. Statt der Verkäuferin stand eine Kasse des Vertrauens hinterm Ladentisch. Man hat schnell wieder „gewohnte Verhältnisse“ hergestellt, nicht nur aus sozialer Verantwortung. „Der enge Kontakt zu den Kunden ist von unschätzbarem Wert.“ Nun hofft man auf bessere Zeiten. Positives Signal: Taubenheim ist ein Zuzugsdorf. Insbesondere junge Familien siedeln sich an.

Stimmen über das Pfarrgut Taubenheim

REWE Markt Keyser
Im REWE Markt Keyser. (c) Sabine Rübensaat

Björn Keyser, Rewe, Geschäftsführender Gesellschafter, drei Märkte im Raum Dresden/Mießen

„Im gekühlten Bereich führen wir Vollmilch, Joghurt und Frischkäse vom Pfarrgut. Brot bekommen wir lose geliefert, halbieren es vor Ort und packen es hier noch einmal ab. Dafür war eine spezielle Zertifizierung erforderlich. Das Brot spricht die Kunden an, ein Topseller ist es aufgrund des Preises nicht. Dank ihrer hohen Qualität wissen die Käufer insbesondere die Frischmilch zu schätzen. Die Zusammenarbeit mit dem Pfarrgut geht auf die 1990er-Jahre zurück.

Wir haben für jede Warengruppe einen großen Lieferantenkreis. Gleichwohl forcieren wir – und das entspricht voll und ganz unserer Unternehmensphilosophie – regionale Produzenten und engagieren uns für regionale Lieferketten. 2014 hat die Rewe Group sich mit allen einschlägigen Anbietern ausgetauscht und 2020 eine Lokal-Partnerschaft für nachhaltige Zusammenarbeit mit örtlichen Lieferanten und Erzeugern zementiert. Sie richtet sich an kleine und mittlere Erzeuger, die es üblicherweise schwer haben, einen Platz im Regal des Lebensmitteleinzelhandels zu bekommen, die nach umwelt- und sozialverträglichen Prinzipien arbeiten und möglichst branchenüblich zertifiziert sind, was, weil es Geld kostet, mitunter ein Hindernis darstellt.

Wir arbeiten derzeit mit 90 Direktlieferanten aus einem Umkreis von 30 bis 50 Kilometern zusammen. Äpfel etwa bieten wir ganzjährig von lokalen Erzeugern an, Kartoffeln neun Monate im Jahr. Erdbeeren kommen in der Saison komplett aus Sachsen. Einmal im Jahr veranstalten wir im Radebeuler Markt eine Regionalmesse mit 20 bis 30 Anbietern. Ich spreche auch Erzeuger auf Messen an. Wer Interesse hat, kann zwischendurch an unsere Tür anklopfen. Alle, die sich neu vorstellen wollen, erhalten dafür auf Zeit einen exponierten Platz in den Märkten und Aktionspreise. Aber grundsätzlich gilt wie eh und je: Ich kaufe nichts, was sich nicht verkauft. Wer sich nicht behaupten kann, muss das Sortiment verlassen.“

Barbara Rische
Barbara Rische (c) Michaela Beck

Barbara Rische, Vorstand Verbrauchergemeinschaft eG Dresden

„Wir waren die Ersten, die 1991 Brot aus Taubenheim verkauft haben. Damals bestand das Bäckereiteam aus nur zwei Personen, die alles gestemmt haben. Die Verbrauchergemeinschaft hat heute 10.000 Mitglieder. An sieben Standorten können Dresdner regionale Bioprodukte über uns beziehen. Die Mitgliederpreise liegen bei den meisten etwa 30 Prozent unter dem Normalpreis. Alle Märkte sind Vollsortimenter, unsere knapp 100 Lieferanten stammen aus einem Umkreis von 150 Kilometern. Aus Tschechien kommt Obst, Gemüse, Knoblauch etwa, derzeit ist Sauerkraut mit Roter Bete sehr gefragt.

Taubenheim liefert an alle sieben Märkte der Verbrauchergemeinschaft seine gesamte Palette, also etwa Brot und Brötchen, Kekse, Frischkäse. Der Absatz an Frischmilch ist aufgrund des Umstiegs mancher Verbraucher auf Pflanzenmilch etwas zurückgegangen. Das Pfarrgut bietet in unserem Regionalmarkt in Strehlen regelmäßig Verkostungen an. Unsererseits organisieren wir drei- bis viermal im Jahr Busfahrten für interessierte Mitglieder zu Partnerbetrieben und sind des Öfteren in Taubenheim vor Ort gewesen; ebenso schicken wir Personal zur Mitarbeiterschulung dorthin.“

Bioladen "Gute Luise" in Meißen
Bioladen „Gute Luise“ in Meißen (c) Sabine Rübensaat

Ulrike Jainta-Schulze, Inhaberin des Bioladens „Gute Luise“, Meißen

„Wir beziehen seit der Eröffnung unseres Ladens vor einem Jahr Brot, Kleingebäck und Milch vom Pfarrgut, dazu kommt saisonale Ware, etwa Ostergebäck oder Weihnachtsstollen. Taubenheim ist in der Szene eine gute Adresse, als regionaler Anbieter teils vom Preis her auch günstiger als andere. Das Roggen-Schwarzbrot, das nur das Pfarrgut herstellt, ist ein Renner. Der größte Vorteil: Wir können bis 18 Uhr Ware zum Folgetag bestellen. Der Naturkostgroßhandel bietet diese Flexibilität nicht. Wir waren auch schon vor Ort zu einer Verkostung. Das stärkt das Vertrauensverhältnis.“

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