Kälberdurchfall neue Studie: Einfluss von Kolostrum
An Magen-Darm-Erkrankungen verenden noch zu viele Kälber. Antibiotika helfen zwar dagegen, aber erhöhen die Gefahr von Resistenzen. Welchen Einfluss Kolostrum auf Kälberdurchfall hat, zeigt eine interessante Studie.
Von Dr. Christian Koch, Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung Hofgut Neumühle
Durchfall bei Kälbern ist nach wie vor eine wichtige Erkrankung und für bis zu 56 % der Erkrankungen und 32 % der Todesfälle bei noch nicht abgesetzten Kälbern verantwortlich.
Im Rahmen der PraeRi-Studie wurden auf deutschen Milchviehbetrieben über 14.000 Kälber untersucht, wovon bei 18,5 % eine Durchfallerkrankung diagnostiziert wurde, welches die zweithäufigste Erkrankung bei den untersuchten Kälbern war. Durchfall beeinflusst zu einem erheblichen Anteil das Wohlbefinden und die Gesundheit von Kälbern.
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Kälberdurchfall
Neben gesundheitlichen Problemen wie Dehydratation und reduziertem Wachstum erhöht Durchfall das Risiko für Folgeerkrankungen wie respiratorische Erkrankungen um ein Vielfaches. Aus der Forschung ist bekannt, dass Erkrankungen in einem frühen Alter langfristig die Tiergesundheit, das Immunsystem und die Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen können.
Neben reduzierten Leistungen und damit direkten negativen Auswirkungen auf die Ökonomie, werden sehr viele Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts mit Antibiotika behandelt, was die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen bei pathogenen Keimen fördert. Zudem hat der Einsatz von Antibiotika in einem frühen Lebensalter negative langfristige Auswirkungen auf das Mikrobiom im Darm, auf das Immunsystem und kann zu Funktionsstörungen im Magen-Darm-Trakt der Kälber führen.
Aufgrund der beschriebenen Effekte gilt es, nach Ansätzen zu suchen, um Durchfallerkrankungen bei Kälbern vorzubeugen und diese ohne Antibiotika zu behandeln.
Kälbergesundheit: Kolostrum statt Antibiotika?
Der Einsatz von Kuhkolostrum könnte hier eine sehr interessante Alternative sein. Kolostrum von Kühen verfügt über eine Vielzahl von bioaktiven Stoffen (Antikörper, Hormone, Wachstumsfaktoren, Oligosaccharide, Fettsäuren, maternale Immunzellen, Exosomen) sowie eine hohe Konzentration an wichtigen Nährstoffen, die fundamental wichtig für eine optimale Entwicklung des Magen-Darm-Trakts der Kälber sind. Da der Magen-Darm-Trakt das größte Immunorgan ist, hat vor allem die Prägung und Entwicklung des Darms und der Darmzotten einen wichtigen Einfluss auf das Darmimmunsystem und somit auf die Krankheitsanfälligkeit.
Im Rahmen einer Studie auf einem Kälberaufzuchtbetrieb im Südwesten von Ontario (Kanada) wurde der Einsatz eines Kolostrumersatzproduktes auf die benötigte Zeit zur Genesung von Kälbern mit Durchfall untersucht. Insgesamt 160 Kälber wurden von umliegenden Milchviehbetrieben, Viehhändlern und Auktionen in einem Alter von drei bis sieben Tagen zugekauft.
Ab dem zweiten Tag nach der Einstallung wurden die Kälber von zwei ausgewiesenen Personen täglich untersucht und die Kotkonsistenz zweimal täglich nach einer Vier-Punkte Skala (0: normal; 1: weich; 2: dünnflüssig; 3: wässrig) bewertet. Sobald eines der Kälber innerhalb der ersten drei Wochen einen Durchfallscore von über 2 (dünnflüssig) über zwei Tage aufwies, wurde dieses als durchfallerkrankt eingestuft und in die Studie aufgenommen (108 Kälber). Nach der Auswahl wurden die Kälber über die ersten 20 Versuchstage zweimal täglich mit 2,5 l Tränke (Tab.) je nach Gruppenzugehörigkeit gefüttert.
Von Tag 21 bis 27 wurde die tägliche Mahlzeitengröße auf drei Liter angehoben und vom 28.–35. Tag erhielten die Kälber zweimal täglich 3,5 l Tränke. Ab der sechsten Woche wurde die tägliche Tränkemenge wöchentlich reduziert (sechste Woche: 2 x 3 l; siebte Woche: 2 x 2 l; achte Woche: 1 x 2 l).
Kolostrum neue Studie: Einfluss auf die Genesungszeit
Um den Einfluss des Effektes von Kolostrum auf die Genesungszeit zu prüfen, wurde eine Gruppe (35 Kälber) über die ersten vier Mahlzeiten mit einem Gemisch aus Milchaustauscher (MAT) und Kolostrumersatz (65 g MAT/l und 65 g Kolostrumersatz/l Tränke) mit 2,5 l Tränke zweimal täglich gefüttert (Kurzzeitkolostrumkälber: KZK). Eine zweite Gruppe erhielt über die ersten acht Mahlzeiten in je 2,5 l Tränke zweimal täglich ebenfalls das Gemisch aus MAT und Kolostrumersatz (65 g MAT/l und 65 g Kolostrumersatz/l Tränke) (Langzeitkolostrumkälber: LZK).
Verglichen wurden die beiden Gruppen mit einer Kontrollgruppe (35 Kälber), die über den gesamten Versuch eine alleinige MAT-Tränke in einer Konzentration von 130 g MAT/l (2 x 2,5 l/Tag) erhielten. Nach den verschiedenen Fütterungsverfahren innerhalb der ersten vier bzw. acht Mahlzeiten wurden alle Kälber bis zum Ende des Versuchs am 56. Tag mit einer alleinigen MAT-Tränke (130 g MAT/l Tränke) gefüttert.
Zusätzlich erhielten alle Kälber Häckselstroh, Kraftfutter (18 % Rohprotein; 26,5 % Stärke; 17,3 % NDF; 3,6 % Rohfett; 5,6 % Rohasche) und Wasser zur freien Aufnahme. Sobald Kälber 25 % Restmilch übrig ließen oder Anzeichen einer Dehydratation zeigten, erhielten diese Kälber zwei Liter einer Elektrolytlösung (2 l, 115 g/l Wasser).
Effekt der Fütterung: Die Milch macht’s
Um den Effekt der Fütterungsszenarien bewerten zu können, wurden die Tage gezählt, bis die Kälber bei einer auftretenden Durchfallerkrankung wieder einen normalen Kot aufwiesen. Diese durchschnittlich nötige Anzahl von Tagen lag in der Kontrollgruppe bei 3,5 Tagen (0,5–11,5 Tage), in der Gruppe KZK bei 2,75 Tagen (0,5–11 Tage) und in der Gruppe LZK bei 2,75 Tagen (0,5–7 Tage).
Die Ergebnisse konnten zeigen, dass die Gruppe, die über acht Mahlzeiten den Kolostrumersatz (LZK) erhielt, im Vergleich zu den Kälbern, die von Beginn an mit MAT-Tränke gefüttert wurden, deutlich schneller die Durchfallerkrankung überwinden konnte. Neben der Fütterung hatte auch die Lebendmasse der Kälber zu Beginn des Versuchs einen positiven Einfluss auf die benötigte Zeit zur Genesung einer Durchfallerkrankung. So überwanden schwerere Kälber eine Durchfallerkrankung ebenfalls schneller als Kälber, die leichter in den Versuch starteten.
Während des Versuchs sind insgesamt acht Kälber verstorben (7,4 % aller Kälber). Fünf Kälber sind in der Kontrollgruppe (63 %) und drei Kälber in der Gruppe KZK (37 %) verstorben, wohingegen kein Kalb in der Gruppe mit Langzeitkolostrumgabe verendete. Die mittleren Tageszunahmen über alle Kälber lagen von Versuchsbeginn bis Tag 56 bei 0,82 kg/Tag. An Tag 42 und Tag 56 waren die Kälber der Gruppe Langzeitkolostrumkälber, die über die ersten acht Mahlzeiten Kolostrum erhielt, signifikant schwerer im Vergleich zur Kontrollgruppe (Abb.).
Fazit: Kälberdurchfall und Kolostrum
Durchfallerkrankungen treten häufig bei Kälbern in den ersten Lebenswochen auf. Um die Kälber prophylaktisch sowie in Hinblick auf benötigte Genesungszeiten bei Erkrankungen zu unterstützen, ist der Einsatz von Kuhkolostrum oder Kuh-Kolostrumersatzprodukten sinnvoll.
Diese positiven Effekte werden durch Antikörper induziert, aber auch durch eine Vielzahl von weiteren bioaktiven Stoffen (Wachstumsfaktoren, Hormone, Oligosaccharide). Die Behandlung von Durchfallerkrankungen bei Kälbern mit Kolostrum bietet daneben ein großes Potenzial, den Antibiotikaeinsatz bei Kälbern zu reduzieren.