CNG-Tankstelle in Thüringen: Biomethan tanken
Seit wenigen Tagen können Traktoren, Pkw oder Lkw an der Frohndorfer Landmilch GmbH Biomethan tanken. Der Thüringer Ökobetrieb liefert das Rohbiogas, was der Gasversorger Ohra Energie aufbereitet und verkauft.
Sie gehört bundesweit zu den ersten „Hoftankstellen“ ihrer Art. In Ostdeutschland gilt die CNG-Tankstelle an der Frohndorfer Landmilch GmbH als Novum. Seit wenigen Tagen können ihre beiden 175-PS-Schlepper (New Holland, Methane Power) an der öffentlich zugänglichen Zapfsäule in Frohndorf bei Sömmerda mit Biomethan betankt werden. Hierbei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen dem Milchviehbetrieb und der Ohra Energie GmbH.
Letztere ist ein regionaler Energieversorger, der in Westthüringen rund 70 Orte mit Erdgas bzw. Flüssiggas, Strom und Wärme versorgt. Seit 2010 schon bezieht die Ohra Energie von einer größeren landwirtschaftlichen Biogasanlage unweit von Gotha (GraNottGas GmbH, Grabslebe) Biogas, das in Erdgasqualität aufbereitet in das Ferngasnetz eingespeist wird.
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CNG-Tankstelle in Thüringen: Raffiniertes System
In den Händen der Ohra Energie liegt in Frohndorf die Aufbereitung des Rohbiogases und das Tankstellengeschäft. Für dieses Leuchtturmprojekt nahm man rund 1,2 Mio. € in die Hand, wobei gut 250.000 € EU- und Landesmittel als Förderung gewährt wurden. Das Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie von Dr. Frank Scholwin aus Weimar hatte zuvor eine Machbarkeitsstudie erstellt und das Projekt begleitet.
Den Rohstoff liefert die Biogasanlage des Agrarbetriebes mit einer elektrischen Leistung von 375 kW. Anfang dieses Jahres endete nach 20 Jahren ihre EEG-Vergütung. Das vor Augen, so Enrico Bergmann, bei der Frohndorfer Landmilch sowohl für die Umstellung auf den Ökolandbau als auch das CNG-Projekt verantwortlich, begann man frühzeitig mit der Suche nach Alternativen zum wirtschaftlichen Betrieb der Biogasanlage jenseits der Stromerzeugung – stets unterstützt vom Gesellschafter, der Boreas.
Realisiert hat die einstufige Aufbereitungsanlage die Firma EnviTec Biogas. Das sei nichts von der Stange, betont Volkmar Braune, Technischer Leiter der Ohra Energie. Herzstück und Clou des Systems sind die lediglich fünf Membranen, die bei einem Druck von 10 bar das CO2 vom Methan trennen. Hiernach gelangt das Biomethan unter einem Druck von 300 bar direkt in die Gasflaschen des Tanklagers. Zuvor wird das geruchlose Gas „odoriert“ – ihm wird aus Sicherheitsgründen in Mikrodosierung ein Geruchsstoff beigefügt.
Das Restgas, bestehend aus CO2 und Methan, steht dem thermischen Kreislauf der Biogasanlage zur Verfügung. Die komplette Aufbereitungstechnik samt Tanklager findet in einem 13,5 m langen Container Platz.
Bioenergie: Überschuss ins Netz
Verlegt sind bereits die Rohre zum Mitteldruck-Gasnetz der Sömmerdaer Energieversorgung GmbH. Sie wird neben der Tankstelle Technik errichten, um überschüssiges Biomethan in ihr Netz einzuspeisen. Das wird Braune zufolge eher im kleinen Maßstab erfolgen. Man rechne fest damit, dass neben den privaten Pkw auch Lkw die CNG-Tankstelle nutzen, die bereits in einschlägigen Apps wie www.gibgas.de gelistet ist.
500 kg CNG kann die permanent produzierende Anlage maximal speichern. Der Methan-Schlepper von New Holland fasst in seinen fünf Tanks insgesamt 79 kg, mit denen er eine Tagesschicht bewältigt. Vier Minuten dauert sein Auftanken.
Stärkerer Schlepper
New Holland hat von seinen 175-PS-CNG-Maschinen europaweit bisher 250 Stück verkauft. Klaus Senghaas, beim Traktorenhersteller für alternative Kraftstoffe verantwortlich, kündigte an, auf der diesjährigen Agritechnica einen 270-PS-Methanschlepper zu präsentieren, der Ende 2024 vom Band laufen soll.
Braune stellt heraus, dass die CNG-Anlage von ihrer Dimension her wohl nicht direkt kopiert werden wird. Denn eine Aufbereitungsanlage, die die zwei- oder dreifache Kapazität besitzt, koste nur unwesentlich mehr. Insofern sei dies für die Ohra Energie ein Projekt, mit dem man zeige, dass die dezentrale Produktion von nahezu 100 % CO2-freiem Kraftstoff in kleinem Maßstab technisch möglich sein kann – und das ohne Methanverluste.
Biogas und CO2 Zertifikate
Die Wirtschaftlichkeit der Tankstelle fuße nicht allein auf dem CNG-Verkauf, sondern auch auf dem Handel mit Treibhausgasminderungs-Zertifikaten.
Deren Wertigkeit bestimmt vor allem die Biogasproduktion. Gülle und Mist sind die Grundlagen des Substratmixes aus ökologischer Wirtschaftsweise, den etwa 4 t Abraum vom Maissilo und 1 t Grassilage komplettieren. Wie Enrico Bergmann berichtet, musste im Zuge der CNG-Produktion lediglich die Entschwefelungstechnik der Biogasanlage auf reinen Sauerstoff umgerüstet werden. Im Zuge der Ökomilchkuhhaltung reduzierte sich der Gülleanteil und kam Festmist hinzu.
Strom von den Dächern
Neben der Bioenergie hat der Landwirtschaftsbetrieb auf seinen Dachflächen Photovoltaik mit einer Leistung von 1,5 MW installiert. Das ist mehr Strom, als man selbst verbrauche, so Bergmann. Perspektivisch werde daher Hof-und Stalltechnik mit Elektroantrieben angeschafft. Erwartungsvoll blickt er auf die Methanschlepper mit 270 PS Leistung, die man auf schweren Böden benötigt.
Kommende Woche besucht Dr. Frank Scholwin mit den Tagungsteilnehmern des zweiten „Biomethantages Weimar“ die Frohndorfer Anlage. Perspektivisch sieht er bundesweit 700 bis 800 Biogasanlagen bis 2030 Biomethan produzieren – viele davon, aufgrund von Gülle und Größe, im Osten. Wenn die Politik es zulässt, wird nicht allein in Gasnetze eingespeist, sondern auch Kraftstoff vor Ort angeboten.
Bildergalerie: Bio-CNG-Tankstelle in Thüringen
Frohndorf stellt auf Ökolandbau um
Rund 1,3 Mio. € investierte der Frohndorfer Betrieb in den Umbau seiner Milchviehhaltung. Seit einem Jahr liefern die gut 550 melkenden Kühe Biomilch nach Naturland-Standards an die BMI-Molkerei in Jessen. Zuvor wurden rund 1.100 Kühe mit 11.000 kg Jahresleistung gemolken. Die Milchproduktion überführte man in die neu gegründete Landmilch GmbH, die 720 ha ökologisch bewirtschaftet.
Gut 420 ha gehören noch zum „Ursprungsbetrieb“, der Agrar GmbH Frohndorf, die weiterhin konventionellen Ackerbau betreibt. Die Hülle der alten 2.000er-Milchviehanlage blieb stehen. Es gibt Dachöffnungen für den Außenklimakontakt. 8.000 m2 Spaltenböden wurden entfernt, die Laufgänge auf 5,20 m verbreitert. Als Einstreu dienen sowohl Stroh (Jungrinder/Kälber) als auch ein Feststoffeinstreu-Kalk-Gemisch. Die Feststoffe liefert ein Gülleseparator
Für den Weidegang stehen um die Anlage herum 64 ha Ackerflächen portionsweise und wechselnd mit Ackergras oder etwa Luzernegemischen zur Verfügung. 385 ha der Ökofläche haben ab diesem Sommer die Umstellung abgeschlossen, die übrigen im Jahr 2024. Seit mehreren Jahren schon können die Frohndorfer auf 400 ha Fläche beregnen. 2019 veräußerten die 54 Mitglieder der vormaligen Agrargenossenschaft ihre Anteile an das Dresdner Windenergieunternehmen Boreas.