Proben für den Ernstfall: Die Rettung von Großtieren stellt Einsatzkräfte vor speziellen Herausforderungen und birgt Gefahren. (c) Sabine Rübensaat

Verhalten im Brandfall: Jeder Stall-Brand eine Katastrophe

Was müssen Tierhalter beachten, wenn der Stall in Flammen steht? Auf dem Kongress in Brandenburg tauschten Landwirte, Tierärzte sowie Feuerwehrleute dazu ihre Erfahrungen aus.

Von Wolfgang Herklotz

Der Stall brennt! Unfassbar, aber schon oft zur bitteren Realität geworden für viele Tierhalter. Also: Was in solch einer Situation tun? Tür auf und Tiere raus? „Das Prinzip klappt in 99 Prozent aller Fälle nicht“, meint Dr. Volker Mielke, Amtstierarzt im brandenburgischen Landkreis Barnim.

Nach seiner Einschätzung kommt es in solch einer Situation darauf an, die Nerven zu behalten und nüchtern die Lage zu beurteilen.

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Verhalten im Brandfall: Einsatzleitung hat das Sagen

Nachdem die Feuerwehr, Polizei und das Veterinäramt informiert seien, habe die Einsatzleitung das Sagen. „Die Bekämpfung des Brandes und der Schutz des menschlichen Lebens haben oberste Priorität. Tiere zu schützen, steht nicht an erster Stelle, wenn dadurch Helfer in Gefahr geraten.“ Eine wichtige Aussage auf dem dreitägigen Kongress zum effektiven Brandschutz in der Nutztierhaltung Ende März, über den wir bereits berichteten.

Dr. Volker Mielke
Dr. Volker Mielke (c) Privat

Ob eine Evakuierung von Tieren aus angrenzenden beziehungsweise brandgefährdeten Objekten möglich ist und welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden, sollte immer mit der Einsatzleitung besprochen werden. Geprüft werden müsse, ob andere Gebäude, Ställe oder Weiden des Eigentümers genutzt werden können, um Tiere unterzubringen, so Dr. Mielke. „Ganz wichtig dabei ist, dass diese vor Verletzungen geschützt sind und wenn möglich auf umzäunten Flächen stehen.“ Es gelte dabei aber immer den Seuchenstatus zu beachten.

Veterinäramt und Hoftierarzt informieren

Die tierärztliche Versorgung konzentriere sich auf die Atemwegs- und Schocksymptomatik sowie die Behandlung von Brand- und anderen Verletzungen. Wo diese schwerwiegend und unheilbar seien, müssten die Tiere erlöst werden. „Das darf aber nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat!“ Aus hygienischen Gründen müssen Tierkadaver nach dem Stallbrand unverzüglich entsorgt werden, dafür verantwortlich ist der Tierhalter. Tierkörper und Teile davon sind von anderen Abfällen zu trennen, soweit das technisch und manuell möglich ist, unterstrich Amtstierarzt Dr. Mielke.

Das Veterinäramt sei für die Überwachung zuständig, das Abfallgemenge müsse genau deklariert werden und die SBB Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin GmbH sei mit der Beseitigung zu beauftragen. Zu klären gelte ebenso, wer die Entsorgungskosten übernimmt. „Jeder Brand ist eine Katastrophe für alle Beteiligten“, resümierte Dr. Mielke. „Wenn Tiere betroffen sind, müssen unverzüglich das Veterinäramt und der Hoftierarzt informiert werden.“ Sich von Fachleuten beraten zu lassen, sei in dieser Situation unverzichtbar.

Auch wenn der Stress sehr groß sei, dürfe die Presse nicht abgewimmelt werden, gab der Amtstierarzt zu bedenken. Es sollten Pressetermine vereinbart werden, wenn gesicherte Angaben über den Brand und seine Schäden gemacht werden können.

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Die Brandkatastrophe von Alt Tellin wühlte viele Gemüter auf. Über Brände in Tierhaltungen kursierende Zahlen erweisen sich aber oft als nicht belastbar. (c) IMAGO / BildFunkMV

Fluchtweg darf nicht zu breit sein

Wenn es in Tierhaltungsanlagen zu einem Brand kommt, nimmt dieser einen schnellen Verlauf. Dafür sorgt auch die zumeist reichlich vorhandene Einstreu. Als zusätzliches Problem erweist sich die mitunter sehr verschachtelte Bauweise. Es empfiehlt sich in jedem Fall, zwei Ausgänge für die Evakuierung der Tiere vorzubereiten. „Eine Selbstrettung der Tiere erfolgt – wenn überhaupt – sehr spät!“ Darauf machte Dr. Florian Diel von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, zugleich praktizierender Tierarzt, aufmerksam.

Dr. Florian Diel
Dr. Florian Diel (c) Privat

Als einen möglichen Fluchtweg bezeichnete er den Kanalausgang zur Stallentmistung, wobei jedoch Abdeckungen für das Gülleabwurfgitter vorbereitet werden müssen. Als signifikanter Vorteil erweise sich, wenn Tiere an den Weideaustrieb gewöhnt seien. Aber auch nicht daran gewöhnte Tiere lassen sich zügig evakuieren, wenn Vorbereitungen getroffen wurden und die Austriebsfläche von der Feuerwehr ausgeleuchtet wird.

Als sinnvoll bezeichnete Diel, bei Rindern eine Austriebsbreite von zwei Tieren vorzuhalten, damit diese sich nicht behindern. „Fällt der Fluchtweg breiter aus, besteht immer die Gefahr des Umkehrens.“ Dann sollten also regelmäßig Evakuierungsübungen mit Rindern gemacht werden?

„Ein kategorisches Nein“, erklärte Florian Diel. Denn der Arbeitsaufwand für das Austreiben und Rückführen der gestressten Tiere sei immens, und es bestehe ein nicht zu vernachlässigendes Risiko für Mensch und Tier, sich dabei zu verletzen. „Außerdem ist nicht bekannt, ob und wie lange ein Gewöhnungseffekt bei einer einmaligen Übung besteht!“

Bildergalerie: Gefahrenquellen

Stallbau

Schon beim Stallbau sollte auf extra breite Treibewege geachtet werden. (c) AG Theuma-Neuensalz

Stroh- und Heulager

Stroh- und Heulager gilt es, in großem Abstand zum Stall zu errichten. (c) Sabine Rübensaat

Feuerwehrkameraden bei der Brandschutzübung

Brände können sich schnell ausbreiten, wie Dr. Markus Böckelmann hier bei der Übung an verschiedenen Materialien demonstriert. (c) Sabine Rübensaat

Hühner mit Einstreu

Gefahrenquellen sind aber auch Lager mit Einstreu und Futter fürs Federvieh. (c) Sabine Rübensaat

Ferkel mit Einstreu

Oder auch Lager mit Einstreu und Futter fürs Borstenvieh. (c) IMAGO / Countrypixel

Verhalten im Brandfall: Bewusstsein für Gefahren schärfen

Jeder Betrieb, so Diel weiter, sollte ein Konzept zur Tierrettung bereithalten, das Vorüberlegungen zu einem Brandszenario ebenso beinhalte wie die Vorbereitungen von Öffnungen im Stall. Wichtig sei ebenso ein enges Zusammenwirken mit der Feuerwehr, so eine gemeinsame Begehung und Einsatzplanung.

Dr. Markus Böckelmann
Dr. Markus Böckelmann (c) Privat

„Es geht aber auch darum, das Bewusstsein für Gefahren zu schärfen.“ Dazu gehöre, elektrische Anlagen und den Blitzschutz zu prüfen und Fahrzeuge sowie Futter- und Einstreulager so zu positionieren, dass sie einen Brandfall nicht noch beschleunigen. Sich räumlich und funktional in größeren Stallanlagen zu orientieren, ist für ortsunkundige Einsatzkräfte schwierig und führt oft zu größeren Zeitverlusten. „Zwar wissen die Landwirte häufig um die Brandgefahren, unterschätzen aber deren Ausbreitungsgeschwindigkeit.“ Dies betonte Dr. Markus Böckelmann, Landwirt und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, zudem Brandoberinspektor.

„Bei Bränden in Nutztierställen gelten bewährte Einsatzgrundsätze, doch die Möglichkeiten der Brandbekämpfung eilen häufig der Ausbreitung des Feuers nur nach.“ Tierverluste könnten frühzeitig schon durch Schadgase entstehen, Tierleben zu retten und den Brand in der ersten Phase des Einsatzes zu bekämpfen, sei schwierig, entscheide aber über den Erfolg. Deshalb müssen die Möglichkeiten eines vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes im Dialog mit allen Beteiligten angepasst werden, „regelmäßig und auf Augenhöhe“, so Dr. Böckelmann.

Bei einem Besuch in Finnland habe er Schweineställe besichtigen können, wo Brandschutz beispielhaft demonstriert wurde. Es handelte sich dabei zumeist um neue, meist einseitige Kammställe mit abteilweisen Trennwänden hoher Feuerwiderstandsdauer. Pro Abteil führt ein Fluchtgang zur Außentür und ein zweiter Fluchtweg über den Außengang.

Selbst ältere Systemställe wiesen über drei Abteile reichende Brandabschnitte mit einer Feuerwiderstandsdauer von 60 Minuten und Brandschutztüren im Zentralgang auf. Der Sachverständige plädierte für individuelle einsatztaktische Vorplanungen in Bestandsanlagen. „Größere Tierverluste durch mehr oder weniger vermeidbare Ereignisse sind gesellschaftlich wie betriebswirtschaftlich nicht mehr tolerierbar!“

Verhalten im Brandfall: Praktische Hinweise zum Evakuieren

Seddiner See. Es heißt: „Feuer ist ein wildes Tier, das mit Peitschen aus Wasser gezähmt werden will.“ Aus den Vorträgen von Dr. Toschi Kaufmann, Ursula Driemel, Dr. Dieter Schad und Dr. Lukas P. Roos sowie Dr. Jens Hübel auf dem Kongress zum effektiven Brandschutz in der Tierhaltung Ende März in der Heimvolkshochschule am Seddiner See halten wir hier einige Hinweise zum Evakuieren von Tieren fest:

Rinder:

  • Vorrang hat, auf die eigene Sicherheit und die aller beteiligten Helfer zu achten,
  • Evakuierungswege und Sammelplatz sichern,
  • den Evakuierungsraum ausleuchten, die Tiere aber nicht blenden,
  • den Geräuschpegel möglichst niedrig halten, um Panik zu vermeiden,
  • wenn möglich die Tiere durch einen Weg nach außen treiben, den sie kennen.

Schweine:

  • In kleinen Gruppen treiben, Kette bilden,
  • Geräusche hinter der Gruppe erzeugen,
  • Rückwege versperren,
  • Saugferkel in Futterwagen absammeln (Sauen folgen den Ferkeln),
  • Sichtbarrieren aus Brettern oder Decken bilden, Treibebretter einsetzen,
  • flackerndes Licht vermeiden und eine gedämpfte Beleuchtung sichern.

Pferd:

  • Verhalten als Fluchttier beachten,
  • reflektorische Abwehrreize können unvermittelt auftreten,
  • äußere Verletzungen, Anzeichen von Schmerzen beachten,
  • vorsichtig hinter dem Pferd agieren (blinder Bereich, 4 m Abstand zur Hinterhand),
  • ruhiges Ansprechen und dicht am Tier bleiben,
  • möglichst Tierarzt in die Rettung mit einbinden.

Geflügel:

  • Vögel gehen weder ins Dunkle noch ins helle Licht,
  • ausreichend breite Fluchtwege sichern,
  • Haltungsform entscheidet, ob Herde oder Einzeltiere evakuiert werden,
  • Jungtiere nicht zurücklassen,
  • größter Risikofaktor sind Rauch- und Schadgase.
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