Erträge lassen sich um 39–54 % durch Insektenbestäubung steigern. (c) Sabine Rübensaat

Insektenschutz und Landwirtschaft: Erfolgreiche Praxisbeispiele

Mehrere Betriebe in Deutschland zeigen, Insektenschutz und Pflanzenschutz lassen sich durchaus miteinander vereinbaren. Es kommt nur auf das „Gewusst wie“ an.

Von Silvia Kölbel

Wie insektenfreundlich kann Landwirtschaft sein? Dieser Frage gingen die Teilnehmer eines Symposiums Ende Oktober in Unterwellenborn nach. Eingeladen hatte die Thüringer Arbeitsgemeinschaft Imkerei und Landwirtschaft (ThAGIL). Längst hat sich auf beiden Seiten, also sowohl bei den Landwirten als auch bei Naturschützern oder auch Imkern die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nur ein Miteinander geben kann. Gleich der erste Redner, Umweltstaatssekretär Burkhard Vogel (Grüne), Thüringen, sagte: „Es gibt kein Entweder-Oder, sondern nur ein Miteinander zwischen Umweltschutz, Naturschutz und Landwirtschaft.“ Vera Kaunath, Doktorandin der Tierökologie an der Universität Potsdam, wies auf die Bedeutung der Landwirtschaft hin: „Bis 2050 müssen voraussichtlich zehn Milliarden Menschen ernährt werden. Das Problem besteht darin, dass Naturschutz und Landwirtschaft gegeneinander ausgespielt werden.“

Und Björn Rohloff von der Stiftung Kulturlandpflege Niedersachsen meinte: „Wir wollen Naturschutz mit und nicht gegen die Landwirte machen.“ Dieses Miteinander sei notwendig, weil sich die inzwischen auch wissenschaftlich belegte Erkenntnis durchgesetzt habe, dass die Höhe der landwirtschaftlichen Erträge auf lange Sicht untrennbar mit der Biodiversität der landwirtschaftlichen Flächen zusammenhängt. Zahlen dazu stellte Vera Kaunath vor: „Erträge lassen sich um 39 bis 54 % durch Insektenbestäubung steigern. 90 % aller Blütenpflanzen werden durch Tiere bestäubt. Durch Insekten bestäubte Früchte weisen auch eine bessere Qualität auf.“ Dem gegenüber stehe die Tatsache, dass 40 % der Wildbienenarten gefährdet seien.

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Insektenschutz und Landwirtschaft: Erfolgreiche Praxisbeispiele

Insektenfreundliche Landwirtschaft ist auch kein Thema, dem sich nur Biobetriebe erfolgreich widmen. Das zeigten die beiden Praxisbeispiele: der Hof Hartmann aus Rettmer in Niedersachsen in der Lüneburger Heide und die Agrargenossenschaft Lößnitz-Stollberg e.G. aus Sachsen. Die norddeutschen Landwirte präsentierten sich als Familienbetrieb mit Kartoffelanbau, Tierhaltung und Direktvermarkung.

Familie Hartmann beteiligt sich als einer von zehn Betrieben an dem Projekt F.R.A.N.Z. (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft). Die Agrargenossenschaft aus Sachsen, ein typischer großer, ostdeutscher Betrieb, mit Feldbau, Tierhaltung und Direktvermarktung, betreibt eine eigene Imkerei als Betriebszweig.

Zwischen 150 und 200 Völker betreut Yves Krone in der Agrargenossenschaft Lößnitz-Stollberg. Sie produziert jährlich 6.000 kg Honig. (c) Sabine Rübensaat

Zehn Betriebe aus verschiedenen Bundesländern

Das Projekt F.R.A.N.Z. unter der Obhut der Stiftung Kulturlandpflege Niedersachsen mit mehreren weiteren Mitwirkenden, so der Deutsche Bauernverband oder das Thünen-Institut als wissenschaftlicher Begleiter, läuft seit sechs Jahren. Zehn konventionelle Betriebe aus verschiedenen Bundesländern mit Flächengrößen zwischen 70 und 1.700 ha, die sowohl Ackerbau als auch Grünland bewirtschaften, wählte die Stiftung aus.

Der Betrieb Hartmann hat bereits vor der Teilnahme am F.R.A.N.Z.-Projekt Pappelacker, Agroforstsysteme und einen Hühnerwald auf seinem Hof etabliert. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität kamen hinzu, so unter anderem blühende Untersaaten im Getreide, Feldlercheninseln, die Anlage mehrjähriger extensiver Rand- und Blühstreifen am Ackerrand und Insektenwälle. Teils handele es sich dabei um nicht oder nur wenig erprobte Maßnahmen.

Betriebschef Jochen Hartmann nennt einige Ergebnisse: „Obwohl wir seit vier Jahren auf Glyphosat verzichten, gehen wir im Unkraut nicht unter.“ Bei mehrjährigen Blühstreifen verschwinde das Gänsefußproblem im zweiten Jahr von selbst. Mulchen sei kontraproduktiv, weil das zum Ausbreiten von Disteln und unerwünschten Gräsern führe. Queckenflächen eignen sich als Blühfläche nicht. Vorgewende seien die bevorzugten Flächen, weil dort sowieso nur 50 % des durchschnittlichen Ertrages zu erwarten seien. Blühende Untersaaten unterdrücken Unkräuter.

Die Herausforderung bestehe darin, dem Kunden die sich aus solchen Schutzmaßnahmen ergebenden höheren Preise zu vermitteln. Generell müsse man dahin kommen, dass Landwirte gerne mitmachen. „Naturschutz darf nicht die Arbeit lahmlegen“, so das Fazit des Praktikers. Dass sich Landwirte zuletzt aus Umweltschutzmaßnahmen verabschiedeten, hänge laut einer Einschätzung von Björn Rohloff damit zusammen, dass die GAP-Regelungen die Landwirte verunsichern und wegen der schlechten Rahmenbedingungen zu Unmut führen.

Ein Beispiel, wie es besser laufen könne, seien die teils aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt heraus entstandenen Biodiversitätsprogramme mit der Region Hannover, für die zuletzt 400.000 € jährlich zur Verfügung standen. Landwirte könnten kurzfristig ein- und austeigen und so auf sich verändernde Gegebenheiten unkompliziert reagieren.

Bienen bestäuben täglich vier Milliarden Blüten

Eine ganz andere Herangehensweise an eine insektenfreundliche Landwirtschaft stellte die Agrargenossenschaft Lößnitz-Stollberg vor. Um Beschwerden des örtlichen Imkervereins zum Spritzmitteleinsatz zu begegnen, trat der Betrieb 2017 dem Verein bei und begann selbst mit der Bienenhaltung. Anfänglich waren es fünf Völker, inzwischen gehören zum Betriebszweig Imkerei zwischen 150 und 200 Völker, betreut von Yves Krone, der als Hobbyimker das nötige Wissen in den Betrieb mitbrachte.

Die hochgerechnet zehn Millionen Bienen bestäuben täglich vier Milliarden Blüten. Die Imkerei der Agrargenossenschaft produziert jährlich 6.000 kg Honig an zehn Standorten. Die Wanderimkerei stellt ihre Bienen zur Bestäubung unter anderem an eine Kirschplantage bei Dresden, in die Lausitz an einen Robinienbestand und in einen Betrieb, der sich der Wildblumen-Saatgutvermehrung widmet. Auf diese Weise gewinne die Imkerei elf Sorten Honig.

Im Jahr 2021 begann die Imkerei „Glück Auf“ dann auch mit der Bienenzucht. Seit diesem Jahr bietet der Betrieb auch Mietbienen an. „Über jedes Volk, das wir vermieten, finanzieren wir fünf Jahre lang eine Blühfläche und wir laden zum Mietbienentag mit Hofführung ein“, beschreibt Yves Krone das Konzept. Die Imkerei im Landwirtschaftsbetrieb bringe mehrere Vorteile, so Yves Krone: So werden die eigene Flächen gut bestäubt, und durch die Wanderimkerei entstehen Kontakte zu anderen Betrieben. Die Imkerei verbessert das Image der Landwirtschaft und dient zugleich als Multiplikator. Pflanzenschutzmaßnahmen erfolgen nachts, sodass die Bienen kaum gefährdet werden. Die komplette Aufzeichnung der Veranstaltung sowie die einzelnen Vorträge werden auf der Internetseite des LFE-Projektes www.bienendialog.de veröffentlicht.

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Das Imkerpaar Uwe und Katrin Bergmann vor den Bienenbeuten auf der großen Wiese. (c) Silvia Kölbel

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