Kühe im Schliebener Land: Modernisierung zum Tierwohl
Die Milchproduktion ist das Herzstück der Agrarbetriebe Schliebener Land im Kreis Elbe-Elster in Brandenburg. Haltung, Fütterung und Management wurden nach neuesten Erkenntnissen modernisiert.
Von Fritz Fleege
Die Agrarbetriebe Schliebener Land sind auf nachhaltige Landwirtschaft mit geschlossenen Kreisläufen ausgerichtet. Dazu gehören die Milchgut Kolochau GmbH, die Wenau Agrar GmbH, die Agrar- und die Bioenergie Schlieben GmbH. Die Unternehmen verfügen über 1.850 Hektar Ackerland auf Sand und besseren Tonböden sowie 1.350 Hektar Grünland auf Niedermoorstandorten.
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Kühe im Schliebener Land: Melk- und Stalltechnik
Erst die Milchwirtschaft macht die Kreislaufwirtschaft Boden–Pflanze–Tier–Boden möglich. So werden etwa 1.800 Kühe mit Nachzucht an den Standorten Schlieben und Kolochau gehalten und knapp 20 Millionen Kilogramm Milch im Jahr erzeugt. In beiden Milchviehanlagen hat sich vieles verändert. Die beiden geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Christina Münch und Björn Förster führen uns mit ihrem jungen Managerteam durch die Anlage in Schlieben und erläutern die weiteren Ziele.
Umbau der Ställe für die Rinder
Auffallend sind schon von Weitem die umgebauten Rinderställe. Einst waren diese vom Typ 1930er und L203 klassischerweise geschlossen. Heute sind die Seitenwände offen, und auch für Auslauf ist gesorgt. „Wir haben uns bewusst gegen Abriss und Neuaufbau von Ställen entschieden, sondern für den Umbau der vorhandenen Bausubstanz“, erläutert Björn Förster. „Unser Ziel ist es, im laufenden Bewirtschaftungsprozess umzubauen: So probieren wir im Kleinen aus, beobachten, wie die Kühe mit den Erneuerungen klarkommen bzw. wie sich die Bewirtschaftung verändert, und entscheiden dann, wie wir weitermachen.“
Daten aus dem Stall lassen sich am Computer im Büro ablesen
So nutzt man auch das alte Melkhaus weiter, innen wurde ein neuer Side-by-Side-Melkstand mit 2 x 24 Plätzen von der Firma Boumatic eingebaut. Vom Vorwartehof kommen die Kühe flott zu den Melkplätzen. Dort wird jede Kuh über ihren Transponder registriert. Die wichtigsten Daten lassen sich vor Ort bzw. am Computer im Büro ablesen. Diana Buszkowiak, die Milchmanagerin, erläutert uns den Ablauf. Der tief verlegte Flur ist zweigeteilt, sodass die Melker die für sie passende Höhe einstellen können. Im Melkstand arbeiten zwei Personen, die je Seite zwölf Kühe betreuen – zunächst die ersten sechs Kühe einer Seite vordippen, das Euter reinigen, vormelken und das Melkzeug ansetzen. Nach den nächsten sechs Kühen geht es zur anderen Seite.
Kühe nach vier bis sechs Minuten gemolken
Weil zwischen den ersten Handgriffen und dem Melkzeug-Ansatz gut zwei Minuten Zeit verstreichen, kommt es gleich zum zügigen Milchfluss. So sind die Kühe nach vier bis sechs Minuten ausgemolken. Das Melkzeug wird automatisch abgenommen, und es erfolgt noch eine Zwischendesinfektion. Zum Abschluss werden die Zitzen der Kühe per Hand nachgedippt, damit während der Ruhephase keine Keime ins Euter eindringen. Über einen Schnellaustrieb verlassen die Kühe den Melkstand. Ein Durchgang dauert 14–16 Minuten. Pro Stunde werden bis zu 200 Kühe gemolken. Eine Arbeitskraft holt eine Gruppe mit etwa 200 Tieren heran und treibt sie nach dem Melken wieder zurück und pflegt die Liegeboxen.
Mehr Bewegungsfreiheit
Auch in den Ställen wurde vieles umgebaut. Das Grundgerüst hat man überwiegend erhalten, aber die Zwischendecke herausgenommen und ein höheres Dach mit offenem First daraufgesetzt. Über die offenen Seiten treten viel Licht und Luft in den Stall. In der Mitte von drei Ställen befindet sich nun ein breiter Futtergang. Links und rechts daneben sind ein Fressgang, eine Doppelliegeboxenreihe, ein Laufgang und eine Wandliegeboxenreihe angeordnet. Bei der Ausstattung hat man sich für innovative Technik von Cow-Welfare entschieden, berichtet der technische Betriebsleiter Fabian Hoppe.
Bürsten für je 60 Tiere
Wenn man auf dem Futtergang in den Stall kommt, sieht man die Kühe recht locker am Fressgitter stehen, das aus beweglichen Plastikstäben besteht. Durch die Flexibilität ermöglicht es den Kühen eine natürliche Nahrungsaufnahme. Die Tiere können sich weit nach vorne beugen und werden auch von keinem Nackenrohr behindert. Und zum gesteigerten Wohlbefinden tragen auch die rotierenden Kuhbürsten bei – für je 60 Tiere ist eine installiert.
Auch beim Liegen haben es die Kühe auf Hochliegeboxen mit Stroheinstreu bequem. Die Boxen sind jeweils seitlich von zwei flexiblen Kunststoffrohren begrenzt. Das untere Rohr leitet die Kuh beim Hinlegen. Gleichzeitig bewirkt der Neigungswinkel, dass sie den Kopf ausstrecken kann. Das obere gerade Kunststoffrohr leitet die Kuh, wenn sie die Box betritt, und verhindert eine Drehung beim Hinlegen. Für die Fress- und Laufgänge hat man sich was Besonderes einfallen lassen. Sie bestehen aus Gummimatten mit Rillenprofil wie bei einem Autoreifen, wo die Flüssigkeit schnell abfließen kann, sodass die Kühe nicht rutschen.
Frische Luft für die Kühe
Die feste Phase der Ausscheidungen wird mit einem seilgezogenen Schiebeschild abgezogen. Da flüssige und feste Phase getrennt werden, vermindern sich der CO2– und Methanausstoß aus der Anlage. Zum Teil wurde um die Ställe herum noch Platz geschaffen, wo die Kühe jederzeit Auslauf oder auch noch Ruheplätze an frischer Luft finden. Ähnlich wie in Schlieben wurden auch die Milchviehställe in Kolochau umgebaut. All das hat dazu beigetragen, dass beide Milchviehanlagen mit der Haltungsstufe 3 und QM++ zertifiziert werden konnten.
Die Rate der Totgeburten liegt unter vier Prozent
Der Herdenmanager, Eckhard Tzschoppe berichtet, dass alle trockenstehenden Kühe auf extensivem Grünland im Sommerhalbjahr Weidegang erhalten. Auch die tragenden Färsen kommen ins Grüne. Es hat sich bewährt, in die Herden ruhige und bedächtige Angus-Bullen zu integrieren, die den Jungrindern vormachen, wie man draußen frisst und sich verhält, wenn mal Wild durch die Herde geht. In der Holsteinzucht bestreiten die Schliebener Agrarbetriebe etwas andere Wege. Statt die genetisch fixierte maximale Milchleistung auszuschöpfen, ist es das Ziel, die Kühe wieder robuster und funktionaler zu züchten, sodass sie in der Lage sind, dass standorttypische Futter in Milchleistung umzusetzen. Des Weiteren stehen Leichtkalbigkeit und gute Melkbarkeit im Fokus. Das hat dazu beigetragen, die Totgeburtenrate unter vier Prozent und die Aufzuchtverluste auf unter zwei Prozent zu senken.
Managementprogramm DairyComp gibt Überblick über alle Herden und jedes Tier
Großen Einfluss auf die Tiergesundheit hat Tierarzt Dr. Michael Kreher, der nicht nur zur Stelle ist, wenn kranke Tiere behandelt werden, sondern als Bestandstierarzt viel Wert auf den vorbeugenden Gesundheitsschutz legt. Mit dem Managementprogramm DairyComp erhält er einen guten Überblick über alle Herden und jedes Einzeltier. Damit lassen sich schnell alle relevanten Informationen eingeben und abrufen und individuelle Behandlungspläne erstellen. Die Software lässt sich einfach mit dem Melksystem, der Aktivitätsmessung und den MLP-Daten koppeln. Zur Überwachung wird der Moo-Monitor von Dairymaster genutzt, womit Aktivität, Brunst und andere Verhaltensauffälligkeiten erfasst werden.
Milch, Fleisch, Strom, Wärme und Dünger wird erzeugt
Die Schliebener dachten beizeiten an die Erzeugung und Verwertung von Biogas. 2010 wurde die erste Biogasanlage und bald danach eine zweite gebaut, um Rindergülle und -mist sowie Restfutter zu verwerten. Sowohl Biogas als auch separierte Gärprodukte können in großen Behältern zwischengelagert werden, und bei Bedarf werden Strom und Wärme erzeugt. Die Gärprodukte können nach 150 Tagen Verweilzeit bedarfs- und zeitgerecht auf die Flächen gebracht werden. So wächst neues Futter ohne Zukauf von kostenintensivem Mineraldünger auf dem Acker und dem Grünland. Das entlastet sowohl die CO2– als auch die Düngebilanz. Zukünftig soll möglichst nur eigenes Futter eingesetzt werden, welches durch funktionale Kühe zu Milch, Fleisch, Strom, Wärme und Dünger veredelt wird.
Prognose: Haltung von Milchvieh hat eine Zukunft
Abschließend möchten wir noch vom Chef und der Chefin des Unternehmens eine Prognose hören, Björn Förster erklärt es klar: „Die Milchviehhaltung hat bei uns Zukunft, vor allem auf unseren Niedermoor- und leichten Böden. Da müssen wir sicherlich noch so manches Schräubchen drehen, aber sie schließt den Kreislauf Boden–Pflanze–Tier–Boden, sodass wir am Ende die Milch auch klimaneutral erzeugen.“
Dr. Christina Münch ergänzt noch: „Die Kühe sind intelligente und neugierige Tiere mit ausgeprägtem Sozialleben, die sich positiv auf den Menschen, auf unser Team und uns auswirken. Wir setzen umgekehrt alles daran, dass es ihnen bei uns gut geht. Unsere Rinder liefern Milch für etwa 170.000 Menschen und auch noch viel Fleisch. Sie veredeln das durch den Menschen nicht verwertbare Grünland zu hochwertigen Lebensmitteln und sind daher auch unter sich ändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen elementar in der Sicherstellung der Versorgung. Wir sind aber zudem davon überzeugt, dass die Milchproduktion als Betriebszweig nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern immer im ganzheitlichen zirkulären System.“
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