Agrarmeteorologischer Jahresrückblick 2023: Mittelwerte mit Höhenflügen
Das Jahr 2023 geht zu Ende und es ist Zeit für den agrarmeteorologischen Jahresrückblick. Das Wetter war in vielerlei Hinsicht außerordentlich. Temperaturen und Niederschläge fielen aus dem Rahmen.
Von Falk Böttcher, Deutscher Wetterdienst, Leipzig
Wieder liegt ein interessantes agrarmeteorologisches Jahr hinter uns. Die Lufttemperatur zeigte weltweit die höchsten Mittelwerte seit es einheitliche Messungen gibt, und auch in den Landstrichen zwischen Kap Arkona und dem Erzgebirge fielen alle Jahreszeiten wärmer aus, als es nach der Klimanormalperiode 1991 bis 2020 zu erwarten gewesen wäre.
Beim Niederschlag war die Verteilung wieder sehr ungleichmäßig, kam aber für die Ertragsbildung der landwirtschaftlichen Kulturen immer gerade noch zum richtigen Zeitpunkt, auch wenn es erneut eine große Bandbreite der Bodenfeuchte in den durchwurzelten Bereichen des Bodens gab.
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Agrarmeteorologischer Jahresrückblick 2023: Winter 2022/23
Meteorologisch bilden die Monate Dezember bis Februar den Winter. Orientiert an der Pflanzenentwicklung startete der Winter 2022/23 in etwa zum normalen Zeitpunkt mit dem Blattfall der Stieleiche in der ersten Novemberdekade. Er dauerte diesmal nur etwas länger als zwei Monate, denn schon Mitte Januar regte sich die Vegetation mit der einsetzenden Hasel- und Schneeglöckchenblüte.
Der landwirtschaftliche Vegetationsbeginn verteilte sich je nach Höhenlage auf den Zeitraum zwischen der dritten Februar- und der dritten Märzdekade. Dabei gab es frostige Witterungsabschnitte wie beispielsweise die vierte Adventswoche 2022, aber auch ungewöhnliche, zum Teil noch nie dagewesene milde Temperaturwerte um den Jahreswechsel.
Insgesamt war der Winter im Osten der Bundesrepublik zwischen 1,5 und 3,1 K zu mild und rangiert damit – je nach Region – zwischen Platz 10 und 13 in der Reihung der Winter seit 1881. Flächig betrachtet, zeigte sich der Winter in den nordöstlichen Bundesländern niederschlagsreich, während in Sachsen und Thüringen im Flächenmittel leicht unterdurchschnittliche Niederschlagssummen fielen.
Bis zum Wechsel in den Frühling wurde in allen Regionen im durchwurzelbaren Bereich ein normaler Bodenwassergehalt erreicht. In tieferen Bodenschichten reichte das Niederschlagsgeschehen nicht, um die Bodenwasservorräte aufzufüllen.
Das Frühjahr 2023: Verspätete Apfelblüte
Mit dem März startete der meteorologische Frühling mit einer großen Schwankungsbreite. Jahreszeitlich betrachtet, waren die gängigen meteorologischen Größen zwar nahe der Normalwerte zu verorten, aber die Einzelmonate lieferten ein differenziertes Bild. Während der Erstfrühling mit der Forsythienblüte aufgrund eines etwas zu milden März noch früher als normal einsetzte, waren ein kühlerer April und auch ein leicht unterdurchschnittlich temperierter Mai mit nochmals frostigen Einsprengseln für ein gebremstes Wachstum und eine erst um den Monatswechsel zum Mai leicht verspätet einsetzende Apfelblüte verantwortlich.
Nach überdurchschnittlichen Niederschlagssummen im März und April, die für recht hohe Bodenfeuchtewerte und Schwierigkeiten bei der Bestellung der Sommerungen sorgten, folgte ein thermisch aber geringfügig zu kalter, niederschlagsarmer, aber sonnenschein- und damit verdunstungsreicher Mai. Im Mai ging dadurch die Bodenfeuchte von überdurchschnittlichen auf Werte am unteren Rand des Normalbereiches zurück.
Abbildung 2: Bodenfeuchte unter Gras – Saison 2022/23 in Deutschland
Der Sommer 2023: Hoher Niederschlag
Der Juni war deutlich zu warm und auch die beiden anderen Sommermonate Juli und August zeigten verbreitet positive Temperaturabweichungen, aber bei weitem nicht in dem Maße wie der Juni. Das Niederschlagsgeschehen war im Sommer wie üblich durch überwiegend konvektive, schauerartige Regenfälle, aber auch gelegentlich Hagel geprägt. Damit gab es Landstriche mit einer überdurchschnittlichen Niederschlagssumme neben solchen, die wiederum ein Niederschlagsdefizit verbuchen mussten.
Allen Gegenden war gemein, dass die potenziellen Verdunstungswerte erneut auf hohem Niveau zu finden waren. Dadurch sank die Bodenfeuchte bis in den Juli hinein auf ein ähnlich geringes Niveau wie im Vorjahr, aber die in der zweiten Julihälfte aufkommende höhere Niederschlagsneigung, die dann auch im August spürbar war, fing das Bodenfeuchteminimum ab und sorgte so für eine späte, aber nicht zu späte Wassergabe zur Ertragssicherung. Die hohen Niederschlagssummen oft punktueller Starkniederschläge drangen oft nicht vollständig in den Boden ein und lösten auch Erosionsereignisse aus, die bisweilen auch über die Grenze der landwirtschaftlichen Nutzflächen traten. Bei einigen dieser konvektiven Ereignisse gab es regional katastrophale Auswirkungen.
Insgesamt waren zum Ende des Sommers nur die oberen Bodenschichten bis etwa 40 cm nennenswert durchfeuchtet. Das half vor allem bei der Ertragsentwicklung von Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais sowie beim Kernobst. Tiefere Bodenschichten wiesen vielerorts weiterhin ungewöhnlich trockene Bedingungen auf.
Auf der anderen Seite haben die Niederschläge immer wieder zu Verzögerungen bei der Ernte von Wintergetreide und -raps geführt. Das wirkte sich gebietsweise auf die Ertragsqualität aus. Neben Gebieten, die zu einer normalen Ertragsmenge auch eine gute Qualität einfahren konnten, gibt es Regionen, die dahingehend deutlich unterdurchschnittlich abschnitten.
Der Pflanzenschutz stand im Fokus. So mussten pilzliche Erreger besonders in Kartoffeln, auf den Blättern der Zuckerrübe und an den Äpfeln behandelt werden. Beim Mais war an einigen Orten Beulenbrand festzustellen. Ebenso schränkte der häufige Regen die Zeitfenster für eine Bodenbearbeitung und Neuaussaat von Winterraps und auch Zwischenfrüchten ein. Hier sind zum Teil Rückstände von mehr als zwei Wochen gegenüber normalen Bedingungen zu erkennen gewesen.
Zum Ende des Sommers war die phänologische Entwicklung mit dem Erreichen der Fruchtreife des Schwarzen Holunders und des Zweigriffligen Weißdorns im Frühherbst angelangt, was nur minimal früher als normal war.
Der Herbst 2023: Trockener September
Der Herbst startete mit einem zu warmen, sonnenscheinreichen und extrem zu trockenen September. Wenn dann doch mal große Mengen Niederschlag registriert wurden, fielen sie in kurzer Zeit und flossen oberirdisch ab und erzeugten Erosionen wie beispielsweise in manchen Regionen am 12. und 13. September.
Den geringen Monatsniederschlagssummen standen teils vierfach höhere potenzielle Verdunstungssummen gegenüber. Dementsprechend niedrig gestalten sich die Bodenfeuchten, besonders in den obersten zehn Zentimetern. Nach der verzögerten Winterraps- und Zwischenfruchtaussaat im August und Anfang September wegen nicht befahrbarer Böden verzögerte sich die Wintergetreideaussaat wegen Trockenheit. Es fehlte die Keimfeuchtigkeit. Im September blühten die Herbstzeitlosen, Birken zeigten teils trockenheitsbedingt ihre Blattverfärbung. In der zweiten Septemberhälfte fielen reife Kastanien und erste einzelne reife Eicheln.
Der Oktober 2023 war verbreitet sonnenscheinarm, überall zu nass und zeitweise sehr mild. Immer wieder gab es teils ergiebige Niederschlagsereignisse. Das sorgte für wüchsiges Wetter. Die Rüben profitierten kurz vor der Ernte von dieser Witterung, ebenso gingen nun die Winterungen und die Zwischenfrüchte gut auf. Das Grünland entwickelte sich so gut, dass noch ein weiterer Schnitt möglich war. Nach Mitte Oktober wurde die Entwicklung durch ein paar Tage mit geringen Temperaturen und erstem Frost gedämpft. Es gab aber keine Schäden.
Diese kurze kühlere Phase konnte ebenso wenig die Entwicklung tierischer und pilzlicher Schaderreger beenden, wie auch das Wachstum von unerwünschtem Beikraut auf den Feldern. Mechanische und chemische Bekämpfungen gestalteten sich im Monatsverlauf durch die schlechte Befahrbarkeit der Flächen immer schwieriger. Die Rüben konnten nur mit einem großen Schmutzbesatz bei verbreitet hohem Bodenverdichtungsrisiko geerntet und abtransportiert werden. Allmählich wurden die Bodenwasservorräte erhöht. Zum Monatsende war die Bodenschicht 0 bis 10 cm überall gesättigt. In einer Schicht bis 30 cm Tiefe lagen die Werte über 50 % der nutzbaren Feldkapazität.
Abbildung 1: Temperatur in Deutschland im Herbst
Dunkle Winterruhe im November
Der etwas zu milde November brachte mit Ausnahme des Nordens unterdurchschnittliche Sonnenscheindauerwerte. In manchen Berglagen machte sich die Sonne völlig rar. So wurde in Neuhaus/Rwg. im gesamten November in der Summe nur eine Stunde Sonnenschein registriert.
Dafür gab es überall deutlich übernormale Niederschlagsmengen bei einer verschwindend geringen Monatssumme der potenziellen Evapotranspiration. Das führte zu einer weitgehenden Normalisierung des Füllstandes der Bodenwasservorräte in den oberen 60 cm des Bodens und allmählich drang das Wasser auch in tiefere Schichten vor, ohne dass für den Bereich zwischen 60 und 90 cm schon überall eine durchgreifende Entspannung festgestellt werden konnte. Insbesondere im Mitteldeutschen Trockengebiet war in der Tiefe noch immer ein deutliches Manko festzustellen.
Von sehr wüchsigen Bedingungen am Monatsanfang, die zunächst noch kein Ende der Vegetationszeit anzeigten, kippte der November zum Ende hin in Richtung Winter mit einer nahezu geschlossenen Schneedecke, die für eine gute Frostschutzwirkung bei den noch nicht abgehärteten Winterungen sorgt. Wo es die Befahrbarkeit zuließ, waren in der ersten Monatshälfte noch Pflanzenschutzmaßnahmen an der Tagesordnung.
Ernte-Arbeit Schwierig bis zum Ende
Die Erntearbeiten zum letzten Mais und zu den letzten Kartoffeln sowie zu den Zuckerrüben waren durch die nassen Oberböden erschwert. Spätestens in der letzten Novemberdekade, in der am 22. verbreitet und ab 28.11. überall und durchgehend negative Tagesmittelwerte der Lufttemperatur gemessen wurden oder sogar gebietsweise Dauerfrost herrschte, stellte sich endgültig die Vegetationsruhe ein. Die ist auch an der Bodentemperatur ablesbar.
Während bis zum Beginn der dritten Novemberdekade beispielsweise in 10 cm Tiefe noch Werte um oder über 5 °C herrschten, waren danach in der Schicht nur noch Tagesmittelwerte zwischen 1 und 4 °C festzustellen. Unbeständig und zu kalt war der Übergang in den Winter 2023/24, sodass sich bis über die Monatsmitte des Dezembers die Bodenwasservorräte weiter erhöhten und nun auch allmählich unter die Grenze von einem Meter Tiefe vordringen, was eine gute Ausgangslage für die Bodenwasserversorgung in der nächsten Vegetationsperiode verspricht.
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