Polnische Bauern protestieren an den Grenzen zu Deutschland gegen die illegalen Importe aus der Ukraine und die Politik der EU. (c) LsV Sachsen

Illegale Importe aus der Ukraine: Nicht mehr weit bis zur Schmerz-Grenze

Nicht nur polnische Bauern sind besorgt über den Preisdruck wegen der Getreideexporte aus der Ukraine. Auch Landwirte aus anderen Nachbarländern kämpfen mit den wirtschaftlichen Auswirkungen. Warum jetzt Regeln gefordert werden, das kommentiert Ralf Stephan.

Von Ralf Stephan

Polens Bauern sind seit Monaten besonders wütend auf die Brüsseler Agrar- und Handelspolitik. Als unmittelbare Nachbarn der vom Krieg betroffenen Ukraine spüren sie das Fehlen der von Russland aufgekündigten Schwarzmeerroute für Getreideexporte am direktesten. Ware, die nun auf dem Landweg eigentlich in Drittländer durchgeleitet werden soll, gelangt oft auf den polnischen Markt. Dort sorgt sie für entsprechenden Preisdruck.

Seltener hört man ähnliche Klagen von den anderen Ukraine-Anrainern, was aber nicht heißt, dass die dort kleineren Mengen auf auch viel kleineren Märkten keinen Schaden anrichten würden. Ungarn kündigte kürzlich an, die Grenzen so lange geschlossen zu halten, bis eine gemeinsame europäische Lösung gefunden ist. Dass diese nationale Einfuhrsperre gegen EU-Recht verstößt, aber geduldet wird, zeigt die Vielschichtigkeit des Problems.

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Illegale Ukraine-Importe: Schattenmarkt und Proteste

Außerordentlich heikel ist das Ganze nicht nur deshalb, weil die Europäische Union die auf Agrar­exporte extrem angewiesene Ukraine natürlich unterstützen will. Dafür sieht sie eine Mehrheit hinter sich. Auch unter den hiesigen Landwirten fehlt es ja nicht an Verständnis dafür, dass ihre unter denkbar schwierigsten Bedingungen wirtschaftenden Berufskollegen eine Chance am Markt bekommen müssen. Und obwohl die verfügbaren Statistiken nicht unbedingt erkennen lassen, dass auch der deutsche Markt mit ukrainischer Ware überschwemmt wird, breitet sich das Gefühl aus, nicht mehr weit von einer Schmerzgrenze entfernt zu sein. Das kann daran liegen, dass die Dunkelziffer höher ist, als man sich eingestehen will.

Anzeichen dafür, dass ukrainisches Getreide umdeklariert zu uns gelangt, gibt es nicht nur in sozialen Netzwerken. Die Regierung in Kiew selbst hatte letzten November eingeräumt, dass es einen Schattenmarkt für illegale Ausfuhren gibt. Sie kündigte an, ein staatliches Agrarregister anzulegen, in das sich Exporteure eintragen und dazu ihre Steuerzahlerbescheinigung vorlegen müssen. Dagegen gab es umgehend Proteste aus der Handelsbranche. Über Fortschritte bei der Umsetzung ist seitdem nichts bekannt.

Illegale Ukraine-Importe – Regeln aufstellen

Druck auf die Kommission kommt nicht nur aus der Ukraine. Vertreter der dortigen Milchbranche beklagten Anfang des Jahres zunehmende Handelsbeschränkungen einiger EU-Staaten. Zur Seite springen ihnen (ausgerechnet) polnische Molkereien, die angesichts der andauernden Trecker-Blockaden um ihr Geschäft mit der ukrainischen Seite fürchten.

Nicht anders sehen hiesige Süßwarenhersteller die Lage: Sie fordern, den ungehinderten Zustrom an Zucker aus dem östlichen EU-Anrainer bloß nicht einzuschränken. Die Aussicht, an billigen Rohstoff zu kommen, lässt nachhaltige regionale Erzeugung offenbar ganz plötzlich unwichtig erscheinen.

Bevor die von Brüssel nach dem russischen Angriff gewährten Handelserleichterungen für ukrainische Waren ohne Einschränkungen verlängert werden können, müssen also dringend ein paar Regeln aufgestellt werden. Ausreichend Transparenz entlang der Handelswege und konsequentes Vorgehen gegen illegale Geschäfte sind dabei die Mindestanforderungen.

Werden sie eingehalten, haben nicht nur die Landwirte in der EU etwas davon, sondern letztendlich auch ihre ukrainischen Kollegen und das unter dem Krieg leidende Volk – jene also, denen man eigentlich helfen will und sollte.

Kommentar aus der Ausgabe 09/2024

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