Mehr Frauen in Führungsebene!
Das Impulsforum „Mehr Frauen in die erste Reihe“ auf der Wintertagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft hat sich mit Frauen in Führungspositionen beschäftigt. Und fünf Frauen in Führungsebenen der Branche eingeladen. Auch eine Junglandwirtin.
Von David Benzin
In der Landwirtschaft arbeiten 599.000 Männer und 341.000 Frauen – also 36 % weibliche und 64 % männliche Arbeitskräfte. Doch nur etwa 10 % der landwirtschaftlichen Betriebe werden von Frauen geführt. Hier herrscht also ein sehr deutliches Ungleichgewicht. Doch woran liegt das? Was sollte sich ändern und vor allem: Warum?
Im Schnitt aller EU-Staaten sind Frauen zu 28 % in Führungspositionen vertreten. In Ländern wie Lettland und der Ukraine liegt der Wert sogar bei 45 %. Unter den Auszubildenden in der Landwirtschaft liegt der Anteil der weiblichen Lehrlinge bei 23 %, im Studium bei stolzen 48 % – also sehr ausgeglichen. Doch im universitären Bereich, vor allem bei Professuren, sind Frauen trotzdem immer noch unterrepräsentiert.
Junglandwirtin mit drei Jobs
Die junge Landwirtin Henriette Struß aus Nordrhein-Westfalen ist Teil des Beirats von Land schafft Verbindung. Sie führt gemeinsam mit ihren Eltern einen Ackerbaubetrieb in Form einer GbR und ist zudem halbtags als Herdenmanagerin auf einem Milchviehbetrieb tätig. Für Frauen in Führungspositionen hat sie eine Reihe von Tipps:
Tipp 1: Authentizität durch Faktenbasiertheit anstatt Emotionalität, Ehrlichkeit und Konsequenz (wenn Frauen versuchen, Rollen und Klischees zu entsprechen, sind sie eventuell zwar beliebt, aber auch opportun und unecht).
Tipp 2: Geduld durch Durchhaltevermögen, Nachhaltigkeit und Zuhören (denn unter Stress und Zeitdruck sollte abgewartet, die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt werden, aber das Ziel fest im Fokus bleiben).
Tipp 3: Selbstkritik durch die Analyse der eigenen Stärken und Schwächen, Zurückhaltung und das Erkennen von Fehlerquellen.
Doch Henriette Struß übt auch Kritik an den oft geforderten Frauenquoten. Denn aufgrund der Biologie des Menschen sollte die Familienplanung auch nicht hintenanstehen, nur um eine Frauenquote zu etablieren. Die junge Landwirtin ist der Meinung: „Frauen in die erste Reihe ja, aber seid euch dessen bewusst.“ Zudem findet sie: „Durch Handeln kommt man als Frau nach vorne. Einfach mal Taten und dann folgen meist auch die Anfragen.“ Und die Frauen sollten „bitte nicht immer nur nach Quoten gucken“. Eines ist für Henriette Struß klar: „Ohne Frauen in der ersten Reihe wäre ich arbeitslos.“
500.000 Landfrauen für Gleichberechtigung
Petra Bentkämper ist Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes. Mit 500.000 Mitgliedern ist der Verband eine der wichtigsten Interessenvertretungen der Branche. Sie macht ihren Job ehrenamtsbasiert. Gründe bzw. Hemmnisse für die – relativ betrachtet – wenigen Frauen sind für Bentkämper das eher traditionelle Rollenbild in der Branche, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eine männerdominierte Sprache und zu wenige weibliche Vorbilder.
Auch ein gewisser „Machterhalt in Verbandsspitzen“ ist für Bentkämper ein Grund für weniger Frauen an der Spitze. Mit einer offenen Willkommenskultur, gezielter Ansprache von Frauen und vor allem einer verbindlichen Quotenregelung und paritätischen Wahllisten könne man ihrer Ansicht nach den Frauenanteil in der Landwirtschaft erhöhen. Nicht zuletzt sollte es eine deutlich größere Zahl an weiblichen Vorbildern in Führungspositionen geben. Hierfür setze sich der Deutsche LandFrauenverband bundesweit ein, sagt die DLV-Präsidentin.
Frauen werden mehr, betonte Bentkämper, aber von selbst kämen Frauen nicht in die gewünschten Positionen „Wer möchte als Frau schon die ‚Quotenfrau’ sein?“ Von diesem Denken müssen sich Frauen verabschieden, denn sie würden nur gefragt, wenn sie die Aufgabe auch bewältigen können. „Die Fachkenntnis sollte vorne stehen“, weiß sie.
(Hier sprachen wir mit Petra Bentkämper auch zu ihrer Arbeit im LandFrauenverband)
Fünf Stimmen fehlten zur Präsidentschaft
Eine weitere Frau in einer landwirtschaftlichen Führungsposition ist Susanne Schulze Bockeloh. Sie hatte für die Präsidentschaft des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) kandidiert. Die Wahl hatte sie jedoch leider nicht für sich entscheiden können, trotz eines sehr fairen Wahlkampfes mit dem jetzigen WLV-Präsidenten Hubertus Behringmeier. Lediglich fünf Stimmen haben Bockeloh gefehlt, die erste Frau an der Spitze eines Landwirtschafts- bzw. Bauernverbandes zu werden.
Doch trotz der Niederlage in der WLV-Wahl weiß die Vorsitzende des Landwirtschaflichen Kreisverbands Münster: „Wir brauchen Frauen in der ersten Reihe. Ganz deutlich. Und alles, was wir dafür tun können, sollten wir auch tun“, denn „nur mit uns Frauen wird uns die große Herausforderung, die wir vor uns haben, gelingen.“
Erste Geschäftsführerin seit sechs Generationen
Als Vertreterin aus dem Bereich Landtechnik war Nicola Lemken nach Münster angereist. Für die Geschäftsführerin des Familienunternehmens war der Eintritt in die Führungsebene des Herstellers der smaragdblauen Landtechnik das Ende einer Tradition. Zuvor bestand die Lemken-Geschäftsführung seit sechs Generationen aus Männern – mit dem Eintritt von Nicola Lemken stand erstmals eine Frau an der Unternehmensspitze.
2001 übernahm sie die Verantwortung für das erste Projekt – den Bau einer neuen Halle. So ist ihre Verantwortung sukzessive gewachsen und Nicola Lemken in die Geschäftsführung des Unternehmens eingetreten. Bei Lemken gibt es weltweit 1.600 Beschäftigte, davon 1.000 am Standort Alpen. Davon wiederum sind 110 Frauen – ein Anteil von 11 %. Davon arbeiten rund 30 Mitarbeiterinnen im technischen Bereich (20 in der Entwicklung – also der Konstruktion und dem Produktmanagement und zehn in der Produktion). In der Verwaltung ist das Verhältnis zwischen Frauen und Männern prozentual aber sehr ausgeglichen: 50 : 50.