Landung einer Wiesenweihe (c) Herbert Henderkes

Wiesenweihe: Auf der Suche nach dem seltenen Greifvogel in Brandenburg

Früher war die Wiesenweihe ein Bewohner von Feuchtgebieten, Mooren und Heiden. Heute bauen die stark gefährdeten Greifvögel ihre Nester auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Doch ohne spezielle Schutzmaßnahmen hat der seltene Greifvogel kaum Chancen, seinen Nachwuchs groß zu ziehen.

Von Heike Mildner

Wenn Anfang Mai Menschen an Feldrändern stehen und stundenlang in den Himmel schauen, halten sie vielleicht nach Wiesenweihen Ausschau. Sie warten auf den Moment, der ihnen verrät, wo sie suchen müssen, damit sie helfen können. Ohne menschliches Zutun bekommt der seltene Greifvogel kaum seinen Nachwuchs groß, und das hat Gründe.

Wiesenweihe: Brüten im Wintergetreide

So viel habe ich gelernt: Ich brauche Geduld. Warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, mich bei schönem Wetter an einen Feldrand setzen, diesen Beitrag schreiben und warten, ob am Himmel was passiert? Der Tag ist sonnig, warm und nicht zu windig: Ideal für die Wiesenweihe, schön zum Draußensein.

Von Simone Müller vom Wiesenweihenschutz Nordostdeutschland e. V. habe ich die Karte eines überschaubaren Gebiets bekommen, in dem in den Vorjahren Wiesenweihen gesichtet wurden. Jetzt, Ende April, Anfang Mai, kommen die stattlichen Greifvögel von ihren Überwinterungsorten in Afrika südlich der Sahara zurück, wo sie reichlich Heuschrecken und angenehmere Temperaturen hatten, um hierzulande im Wintergetreide, in Luzerneschlägen oder im Saatgrasland zu brüten.

Wiesenweihen bei der Futterübergabe: Ein Schauspiel, das dieser Tage zu beobachten ist.
Wiesenweihen bei der Futterübergabe: Ein Schauspiel, das dieser Tage zu beobachten ist. © Herbert Henderkes

Naturschutzpreis für Engagement

Simone Müller ist Diplombiologin und engagiert sich mit ihrem Mann schon seit mehr als 20 Jahren für den Schutz der Wiesenweihe. Mit ihrem Vortrag am Aktionstag „Naturschutz im Agrarland“ im Heimtiergarten Mallnow hat sie mich noch neugieriger gemacht, als ich eh schon war. Auf dem Kreisbauerntag in Teltow-Fläming habe ich Anja Drangusch und Helmut Brücher kennengelernt, die sich im Süden Brandenburgs um die Wiesenweihe bemühen und 2022 sogar den Naturschutzpreis des Landes für ihr Engagement bekommen haben. Und auch über Brandenburg hinaus gibt es vielerorts Naturfreunde, die mit Landwirten zusammenarbeiten, damit sich die schönen Vögel hierzulande wieder üppiger vermehren.

Vor allem im Süden Brandenburgs engagieren sich Anja Drangusch und Helmut Brücher für die Weihe.
Vor allem im Süden Brandenburgs engagieren sich Anja Drangusch und Helmut Brücher für die Weihe. © Heike Mildner

Wiesenweihen: Daran erkennt man sie

Ein leichter Wind geht über den Gerstenschlag, den ich mir für meine Beobachtung ausgesucht habe. Zwei Punkte am Himmel werden größer, erweisen sich aber als Krähen. Wiesenweihen sehen anders aus: Das Weibchen ist etwas größer als das Männchen und hat eine dunklere Färbung. Beide haben einen charakteristischen weißen Bürzel.

Das Weibchen beobachtet zunächst ihr potenzielles Brutgebiet, setzt sich auf Fehlstellen im Acker, an den Wegrand oder auf einen Pfahl und prüft das Männchen, das Futter vorbeibringt: Bringt er viel, bringt er wenig, bringt er regelmäßig? Davon hängt ihre Entscheidung für den Nestbau ab, hat Simone Müller berichtet. Männchen bevorzugen Sitzwarten am Feldrand, besonders zur Mittagszeit seien sie gut zu beobachten.

Flugkünste weisen auf nahe Brutplätze hin

Mit Glück und Geduld kann die Nahrungsübergabe in der Luft beobachtet werden: Dabei fliegt das Männchen mit der Beute über dem Weibchen und übergibt ihr das Futter im Flug. Das erfordert eine hohe Flugkunst und Koordination zwischen den Partnern, ein Moment, den ich auf Bildern gesehen habe und gern selbst beobachten würde. Nicht nur aus ästhetischen Gründen, auch aus ganz praktischen. Denn das Weibchen taucht irgendwann ab: Es wählt den Nistplatz, beginnt mit dem Eierlegen und parallel mit dem Nestbau. Es ist ein unscheinbares Nest aus Halmen, nicht zu vergleichen mit einem Adlerhorst.

Bildergalerie: Futterübergabe bei den Wiesenweihen

Diese Futterübergabe hat Naturfotograf Herbert Henderkes aus Berlin im Bild festgehalten. Hat das Weibchen mit dem Brüten begonnen, fliegt es nun zielstrebig zum Nest und taucht im hohen Grün ab (u.). Ein wichtiger Moment für die Vogelschützer – und den Bestand der Wiesenweihe. © Herbert Henderkes

Diese Futterübergabe hat Naturfotograf Herbert Henderkes aus Berlin im Bild festgehalten. Hat das Weibchen mit dem Brüten begonnen, fliegt es nun zielstrebig zum Nest und taucht im hohen Grün ab (u.). Ein wichtiger Moment für die Vogelschützer – und den Bestand der Wiesenweihe. © Herbert Henderkes

Diese Futterübergabe hat Naturfotograf Herbert Henderkes aus Berlin im Bild festgehalten. Hat das Weibchen mit dem Brüten begonnen, fliegt es nun zielstrebig zum Nest und taucht im hohen Grün ab (u.). Ein wichtiger Moment für die Vogelschützer – und den Bestand der Wiesenweihe. © Herbert Henderkes

Diese Futterübergabe hat Naturfotograf Herbert Henderkes aus Berlin im Bild festgehalten. Hat das Weibchen mit dem Brüten begonnen, fliegt es nun zielstrebig zum Nest und taucht im hohen Grün ab (u.). Ein wichtiger Moment für die Vogelschützer – und den Bestand der Wiesenweihe. © Herbert Henderkes

Diese Futterübergabe hat Naturfotograf Herbert Henderkes aus Berlin im Bild festgehalten. Hat das Weibchen mit dem Brüten begonnen, fliegt es nun zielstrebig zum Nest und taucht im hohen Grün ab (u.). Ein wichtiger Moment für die Vogelschützer – und den Bestand der Wiesenweihe. © Herbert Henderkes

Diese Futterübergabe hat Naturfotograf Herbert Henderkes aus Berlin im Bild festgehalten. Hat das Weibchen mit dem Brüten begonnen, fliegt es nun zielstrebig zum Nest und taucht im hohen Grün ab (u.). Ein wichtiger Moment für die Vogelschützer – und den Bestand der Wiesenweihe. © Herbert Henderkes

Seit 1998 Wiesenweihe in Brandenburg gesichtet

In einem 50-Hektar-Schlag ist es kaum zu erkennen und nur mittelbar zu orten: Nach der Futterübergabe durch das Männchen in der Luft segelt das Weibchen mit der Beute direkt zum Nest. Das ist der entscheidende Moment, auf den Wiesenweihenschützer oft stundenlang warten, um das Nest ausfindig zu machen.

Der erste, der in Brandenburg Brutpaare entdeckt habe, sei Klaus-Dieter Gierach gewesen. „Das war 1998“, erzählt Simone Müller. Die Idee der Zäunung habe man aus Sachsen übernommen. Sie sei seit 2003 dabei, immer mehr Freiwillige konnten begeistert werden, immer mehr Sichtungen, immer mehr Arbeit. 2022 habe man den Verein „Wiesenweihenschutz Nordostdeutschland“ gegründet, um sich besser aufzustellen. Die Arbeit habe Dimensionen angenommen, die ehrenamtlich kaum mehr zu leisten seinen, so Müller.

In Nordostbrandenburg sind die Biologin Simone Müller und ihr Mann
Ronny seit mehr als 20 Jahren aktive Wiesenweihenschützer.
In Nordostbrandenburg sind die Biologin Simone Müller und ihr Mann Ronny seit mehr als 20 Jahren aktive Wiesenweihenschützer. © Heike Mildner

Naturschutzpreis: Ein Landwirt hielt die Laudatio

Antje Drangusch aus Treuenbrietzen und Helmut Brücher aus Rohrbeck haben ähnliche Geschichten zu erzählen. Sie sind seit 2016 bzw. 2010 im Dienste der Greifvögel unterwegs. Und als sie 2022 für ihr Engagement den Naturschutzpreis des Landes Brandenburg bekamen, hielt erstmals bei einer Verleihung ein Landwirt die Laudatio: Eckhard Fuchs von der Oehnaland Agrargesellschaft, die 4.000 ha bewirtschaftet. Er berichtete von der anfänglichen Skepsis, die sich über Wissensvermittlung und Vertrauensbildung zu eigenem Engagement verdichtete.

Am Himmel über mir tut sich nichts, dafür ist die Wiesenweihengeschichte fast erzählt. Fast. Bleibt die Frage zu klären, warum der Mensch überhaupt eingreifen muss und wie er das tut. Die Zäune schützen vor Prädatoren. Dazu eine Erhebung von Klaus-Dieter Gierach und Simone Müller, auf die sich auch Helmut Brücher bezieht: Demnach wurden zwischen 2013 und 2022 88 Bruten betreut. 13 Nester wurden nicht gezäunt, weil sie zu spät gefunden worden waren. Nur 0,9 Jungvögel pro Brutpaar aus diesen Nestern wurden flügge, während aus den den 64 gezäunten Nestern 147 Jungvögel ausgeflogen, das sind 2,3 Jungvögel pro Brutpaar. Kurz: Die Zäunung ist sinnvoll.

Prädatoren, Mahd und Lagergetreide sind gefährlich

Wildschwein, Fuchs, Dachs, Hauskatze und Waschbär sind potenzielle Feinde der jungen Wiesenweihe. Die durchschnittlich vier Eier pro Gelege werden 28 Tage lang bebrütet, nach 32 weiteren Tagen wird der Nachwuchs flügge. In dieser Zeit bieten die vier Zaunfelder, jedes zwei Meter breit und einen Meter hoch, einen passablen Schutz. Auch, wenn Lagergetreide droht, die Jungvögel zu erdrücken. Bei der Ernte wird ein 50 mal 50 Meter großes Carré stehengelassen, wenn das Nest zuvor entdeckt wurde. Statt der bisher gezahlten 250 Euro Entschädigung, solle sich die Entschädigung ab 2024 am Marktpreis der Kultur orientieren, hat Simone Müller jüngst von der Vogelschutzwarte erfahren. Und auch, wenn die Wiesenweihe in Brandenburg wieder häufiger gesehen wird: Sie hat nicht nur Prädatoren zum Feind. Simone Müller nennt frühe Schnitte bei Luzerne und Grünroggen und die Flächenkonkurrenz durch Freiflächenphotovoltaikanlagen.

Den Zaun um ihr Nest akzeptiert die Wiesenweihe ohne Zögern. Sie beeindruckt mit einer Flügelspannweite von 1,1–1,3 m.
Den Zaun um ihr Nest akzeptiert die Wiesenweihe ohne Zögern. Sie beeindruckt mit einer Flügelspannweite von 1,1–1,3 m. © Herbert Henderkes

Der Beitrag ist fertig, eine Weihe habe ich nicht gesehen. Vielleicht gilt es, erstmal genauer die Gegend zu erkunden. Seit ich weiß, worauf zu achten ist, schaue ich aufmerksamer in die Landschaft, und bin sicher, schon früher Wiesenweihen gesehen zu haben, ohne dass ich um die Umstände gewusst hätte. Jetzt weiß ich: Ein Anruf genügt zwar nicht, ist aber ein erster Schritt.

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