Bürokratie für Landwirte in Thüringen: „Grenze des Zumutbaren ist erreicht“
Wie geht es Landwirten in Thüringen? Über Bürokratie-Abbau, das Agrarportal Portia und das Lehr-, Prüf- und Versuchsgut sprach die Bauernzeitung mit Peter Ritschel, Präsident des Thüringer Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum.
Der Forderung nach weniger Bürokratie, der Landwirte und ihre Verbände seit Ende vorigen Jahres vor allem auf der Straße Nachdruck verleihen, kann der Präsident des Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR), Peter Ritschel, einiges abgewinnen. „Die Bauernproteste haben gezeigt, dass die Grenze des Zumutbaren für die Betriebe erreicht ist. Es wäre toll, wenn es nachhaltige Schritte beim Bürokratieabbau gäbe. Nicht nur die Landwirte würden gewinnen, auch und gerade der Staat und seine Ressourcen könnten davon profitieren“, so der Chef der 800 Mitarbeiter zählenden Fachbehörde.
So unterstütze das Landesamt etwa die Initiative des Agrarministeriums in Erfurt für ein Ende der Stoffstrombilanzverordnung, was fachlich gut zu begründen sei. „Es bindet bei uns personelle Ressourcen, die wir für die stetig wachsenden hoheitlichen Aufgaben benötigen, wie etwa das Monitoring zur Düngeverordnung, was uns im nächsten Jahr beschäftigen wird.“
Allein die Überwachung und der Vollzug der neuen düngerechtlichen Anforderungen mussten in der jüngeren Vergangenheit mit zusätzlichem Personal aus den eigenen Reihen verstärkt werden.
Bürokratie-Abbau: Keine digitale Entlastung
„Ich kann nur wiederholen, worauf ich schon mehrmals verwiesen habe: Die Hoffnung, dass uns die Digitalisierung die Arbeit erleichtert und vor allem abnimmt, ist bislang nicht eingetreten.“ Kontrolle, Überwachung oder Dokumentation des detailreich geregelten Fach- und Förderrechts seien eben nicht auf dem Stand vor der Digitalisierung stehen geblieben, sondern mit den neuen technischen Möglichkeiten rasant gewachsen.
Ein Ende neuer agrar- und gesellschaftspolitischer Anforderungen an die Landwirtschaft, die sich im Fach- und Förderrecht widerspiegeln, sei nicht in Sicht. „Die Digitalisierung wird langfristig nur Akzeptanz gewinnen, wenn sie den Menschen Nutzen bringt.“
Aktuell laufe die Antragstellung, für die in den vergangenen Wochen im Bereich jedes Agrarförderzentrums im Durchschnitt sechs Schulungen für die Betriebe angeboten wurden. „Die Resonanz war sehr gut, was den Austausch über Verbesserungen beim digitalen Antragsverfahren über das Agrarportal Portia einschließt“, resümiert Ritschel.
Aus seiner Sicht sei man bei der Funktionalität des Portia gut vorangekommen. Es gebe verschiedene Rechnertools oder Tutorials, die Hilfen anböten. Updates, wie jüngst bei der Fan-App, hätten zeitnah installiert werden können, um beispielsweise auf den frühen Vegetationsbeginn reagieren zu können.
Landesamt: freiwillige Leistungen für Thüringer Landwirtschaft
„Es gibt immer wieder ungeplante Herausforderungen, die man nicht einfach per Knopfdruck löst. Aktuell bedeutete das zum Beispiel, die geänderten GLÖZ-8-Regelungen zügig einzuarbeiten.“ Ritschel lobt seine Mitarbeiter, die unter großem Zeitdruck dafür gearbeitet hätten, dass im vorigen Dezember die Auszahlungen an die Betriebe erfolgen konnten. Er verstehe den Frust der Landwirte, die wie schon 2022 aufgrund der Probleme mit der Satellitentechnik im Vorjahr Nachweise „händisch“ nachreichen mussten.
Hier wie auch bei einer mangelnden Netzabdeckung sieht Ritschel aber nicht das Landesamt in der Verantwortung. „Dort, wo wir etwas verbessern können und müssen, bleiben wir dran. Dafür bilden der Austausch zwischen den Betrieben und den Agrarförderzentren, in den Arbeitsgruppen mit dem Berufsstand und mit unserem Dienstleister Ibykus die Basis.“
Neben den hoheitlichen Aufgaben wolle und müsse das Landesamt weiterhin freiwillige Leistungen für die Thüringer Landwirtschaft erbringen, betont Ritschel. So investiere man in Personal und Technik, um die tierhaltenden Betriebe beim geforderten Umbau fachlich begleiten zu können, unabhängig davon, dass immer weniger Betriebe Tierhaltung betreiben.
„Wir begleiten beispielsweise ab diesem bis zum Jahr 2028 im Rinder-, Schweine- und Geflügelbereich verfahrenstechnische Lösungen im Stallbau, indem wir vor Ort Emissionswerte messen und auswerten. Dafür werden wir in diesem Jahr moderne Messtechnik anschaffen.“
Rund 25 laufende und neue Projekte, die über die Arbeit der Versuchsstationen hinausgehen und in der Regel auf drei Jahre angelegt sind, bearbeitet das TLLLR derzeit. Das reicht vom Agroforst über die PSM-Reduktion bis hin zur Aussaat mit Drohnen.
TLLLR und Standort Dornburg: Das ist in Planung
Im Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut (TLPVG), wo man nach der Integration in das Landesamt zunächst den Produktionsbetrieb aufrechthalten wollte, stünden jetzt die inhaltlichen Weichenstellungen an. „Wir werden den Standort in Dornburg auflösen und uns auf Buttelstedt und Weimar-Schöndorf konzentrieren“, kündigt Ritschel an.
Fest installiert wird das Hamsterkompetenzzentrum, das auf einen Kabinettsbeschluss zurückgeht. Mit festem Personal geht in Kürze das Praxiszentrum Ökologischer Landbau an den Start. „Ziel wird es sein, einen Teilbetrieb mit Flächen in Weimar-Schöndorf auf Ökolandbau umzustellen.“
Konkret sind die Planungen für den Neubau eines Milchviehstalles: „Hier wird nicht mehr die Produktion bestimmend sein, sondern die Aus- und Weiterbildung. Wir wollen einen Stall für 190 Milchkühe bauen, in dem die künftigen Tierwirtinnen und Tierwirte ihr Handwerkszeug erlernen können.“
Zweigstelle Stadtroda: Landtechnik-Kabinett und Cafeteria geplant
2025 wird sowohl in das sogenannte Schweißkabinett der Überbetrieblichen Ausbildungsstätte investiert als auch in den Fachschul-Campus. „Stadtroda bekommt ein Landtechnikkabinett und eine Cafeteria. Auf die Cafeteria dürfen sich neben den Fachschülern die Mitarbeiter der Agrar- und Umweltverwaltung freuen, die an unserer Zweigstelle Stadtroda zentral ihre Weiterbildungen absolvieren.“
Nicht zuletzt kündigt der TLLLR-Präsident Neuerungen für das Agrarmarketing an. „Wir werden ab Mitte des Jahres mit insgesamt vier festen Stellen, die von den Synergien der Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes profitieren werden, das Agrarmarketing neu ausrichten und die Marketingförderung ausbauen. Es bleibt damit in staatlicher Verantwortung, was Kontinuität verspricht.“
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