Jessica Wolff mit ihren beiden Kindern Ziva (9) und Neo (4) © Sabine Rübensaat

Jungzüchter auf der Brala: Von der Kita zu den Kälbern

Neo und seine große Schwester Ziva führen als Jungzüchter bei der BraLa Kälber durch den Ring. Ihre Mutter Jessica Wolff steht helfend zur Seite. In der Agrargenossenschaft Hohennauen kümmert sie sich um die Mutterkuhhaltung.

Von Heike Mildner

Wenn Jessica Wolf am Wochenende in der Agrargenossenschaft Hohennauen zum Kälberfüttern eingeteilt ist, kommt ihr vierjähriger Neo gern mit in den Stall. Er ist groß für sein Alter und kann schon mit einer echten Heugabel hantieren. Im vergangenen Jahr führte er im Jungzüchterwettbewerb ein Kälbchen durch den Ring, und jetzt freut er sich auf den Sonntagvormittag, wenn um 9 Uhr im Großen Ring der BraLa knapp 40 Jungzüchter um die Titel in den verschiedenen Altersklassen antreten. Wobei das Miteinander immer im Vordergrund steht, betont Jessica Wolff, die seit mehr als 20 Jahren dabei ist.

Für unser Gespräch haben wir uns an diesem kalten Frühlingstag Windschutz im Stall gesucht. Gleich schnappt sich Neo die Schubkarre und versorgt die Kälber mit einer Extraportion Heu und ist die nächsten 20 Minuten beschäftigt. Und auch als es für die Fotos nach draußen geht, ist er ganz bei der Sache, – also bei seinem Kälbchen.

Eine Extra-Übungseinheit, damit die Bauernzeitung ein Titelbild machen kann. Der vierjährige Neo und die neunjährige Ziva sind – wie ihre Mutter auch, im Brandenburger Jungzüchterverein aktiv – drei von 150 Mitgliedern.
Eine Extra-Übungseinheit, damit die Bauernzeitung ein Titelbild machen kann. Der vierjährige Neo und die neunjährige Ziva sind – wie ihre Mutter auch, im Brandenburger Jungzüchterverein aktiv – drei von 150 Mitgliedern. © Sabine Rübensaat

Seit 22 Jahren bei den Jungzüchtern der BraLa aktiv

Für Jessica Wolff ist es in diesem Jahr bereits die 20. BraLa, an der sie als Jungzüchterin teilnimmt. Dabei ist sie erst 39, und natürlich haben sich ihre Ambitionen und Aufgaben in dieser Zeit gewandelt und entwickelt.

Das BraLa-Procedere hat sich indes kaum gewandelt: Bevor am Donnerstag die BraLa begann, haben sich die Jungzüchter am Mittwochabend mit einem gemeinsam Grillabend schon für den Messerummel gestärkt. „Wir kamen mit den Tieren Mittwochmittag in Paaren an, die Tiere wurden entladen, bekamen erst einmal Wasser und Heu und konnten sich von der Fahrt erholen. Dann wurden sie nochmal abgespritzt und richteten sich im Tierzuchtzelt ein. Alle helfen sich gegenseitig“, sagt Jessica Wolff.

Dann wurden Luftmatratzen aufgepustet, der Grill angeschmissen: Der Abend gehörte den Jungzüchtern. Knapp 40 haben sich für die BraLa in diesem Jahr angemeldet. Zur Nacht verschwanden sie in ihren Wohnwagen, Autos, Zelten, Pferdeanhängern (Letztere wurden selbstverständlich nach dem Tiertransport gereinigt). Gegen 22 Uhr siah Jessica Wolff noch einmal nach den Tieren: „Sonst kann ich nicht ruhig schlafen.“

Als am nächsten Morgen um 11 Uhr die Schau auf der BraLa eröffnete, saß die neunjährige Ziva – wie andere schulpflichtige Jungzüchter – allerdings noch in der Schule. Sie kam erst am Freitagnachmittag nach Paaren.

Im vergangenen Jahr hat sie den Vorführwettbewerb in ihrer Altersklasse gewonnen. „Fast schon wie die Großen, ihr Jungrind mit Lederhalfter und vorwärts führend, betrat Ziva Wolff mit ihrer Simas-Tochter Smilla (Agrargenossenschaft Hohennauen eG) den Ring. Diese Professionalität bescherte ihr den ersten Platz in ihrer Klasse“, stand im RBB-Journal Blickpunkt zu lesen. Neo war als Dreijähriger im vergangenen Jahr der Jüngste, der ein Kalb durch den Ring führte und bekam auch eine Medaille.

Die neunjährige Ziva ist – wie ihre Mutter auch, im Brandenburger Jungzüchterverein aktiv. © Sabine Rübensaat
Die neunjährige Ziva ist – wie ihre Mutter auch, im Brandenburger Jungzüchterverein aktiv. © Sabine Rübensaat

Großer Handlungsspielraum für Engagement bei Jungzüchtern

Natürlich steht hinter jedem erfolgreichen Kind eine starke Frau (mitunter auch ein starker Mann). Jessica Wolff wählt ein paar Wochen vor der Schau die Tiere aus, stellt sie in Gruppen, macht sie führig und übt dann mit den Kindern den Umgang mit ihnen. Nicht nur die eigenen zwei, auch Kinder aus der Umgebung, die sich trauen und für die Sache begeistern können, lassen sich auf innigere Kontakte zu den meist freundlichen Wiederkäuern ein.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass hinter der starken Frau hinter dem erfolgreichen Kind immer auch ein wohlwollender Landwirtschaftsbetrieb steht. Ein solcher ist die Agrargenossenschaft Hohennauen. Vorstandsvorsitzender Peter Wilke räumt seiner Mitarbeiterin Jessica Wolff einen großen Handlungsspielraum ein – sowohl was ihr Engagement für den Jungzüchterverein als auch, was ihre Arbeit mit den Mutterkühen im Betrieb anbelangt.

Mitten im Raps: Peter Wilke ist 36 und leitet seit sechs Jahren die Agrargenossenschaft Hohennauen. © Sabine Rübensaat
Mitten im Raps: Peter Wilke ist 36 und leitet seit sechs Jahren die Agrargenossenschaft Hohennauen. © Sabine Rübensaat

Agrargenossenschaft Hohennauen: Zahlen und Fakten zum Betrieb

Peter Wilke stellt den Betrieb vor: Die Agrargenossenschaft Hohennauen liegt im westliches Havelland. 37 Mitarbeiter und zwei Auszubildende bewirtschaften knapp 3.500 ha, davon 2.000 ha Acker, betreuen 500 melkende Kühe, die automatisch gemolken werden, die Mutterkuhherden und eine kürzlich flexibilisierte Biogasanlage.

Die Flächen liegen im Naturpark Westhavelland. Auf den vorwiegend leichten Böden werden Raps, Weizen, Gerste, Roggen und Mais sowie Luzerne als Grundfutterkomponente angebaut. Von den 1.500 ha Grünland liegt etwa die Hälfte im Naturschutzgebiet und wird extensiv bewirtschaftet. Hier kommen die Mutterkühe als Landschaftspfleger ins Spiel. Jessica Wolff setzt dafür die Kreuzungsherden für die Absetzerproduktion ein.

Das andere Mutterkuh-Standbein ist die Zucht. Wolff arbeitet mit fünf Zuchtherden, je zwei sind Uckermärker und milchreiches Fleckvieh, ergänzt um eine Herde mit den schwereren Charolais. „Die Bullen sind bis zum Austrieb in ihren Herden. Dann bleiben sie im Stall und kommen erst im August wieder zu ihren Herden auf die Weide.“ Auf 220–250 Herdbuchkühe kann die Genossenschaft bauen.

Bauernzeitung weckte Interesse an Zucht

Wie sie zur Zucht und den Jungzüchtern kam? Letztlich durch die Bauernzeitung. Sie habe sie durchgeblättert und sei fasziniert gewesen von Beiträgen, in denen es um Kuhfitting, Vorführen und Auktionen ging, erzählt Jessica
Wolff. Und zwar schon zu Beginn ihrer Ausbildung 2001. Die machte sie in Buchholz nahe Fürstenwalde, bei unserem aktuellen Praxispartner. Ihr damaliger Chef Hans-Georg Meise förderte ihr Interesse, und so sei sie 2002 mit einem Tier, das sie führig gemacht hatte, erstmals auf einer BraLa gewesen. Die Jungzüchter waren nette, liebe Leute, erzählt Jessica Wolff, und sie gehörte fortan zu ihnen, gewann Preise auf diversen Schauen und bekam 2009 den Jungzüchterpreis des Landes.

Nach ihrer aktiven Vorführer-Laufbahn, die satzungsgemäß mit 25 Lebensjahren endet, blieb die inzwischen „staatlich geprüfte Technikerin für Landbau“ weiter aktiv, vertritt Brandenburg seit 2017 im (Bundes-)Verband deutscher Fleischrind-Jungzüchter und führte fortan als Profi Kühe in den Ring. Zuletzt beim 15. Deutschen Färsenchampionat in Groß Kreutz am 23. April. Dort wurde Fleckvieh-Färse Morgenrot PP als „halfterführigstes Tier“ ausgezeichnet. „Ich war total happy“, freut sich die Wolff, auch darüber, dass die Tiere – das zweite war die Uckermärker-Färse Jara Pp – für 3.800 Euro bzw. 3.600 Euro verkauft wurden.

Jessica Wolff ist in der Agrargenossenschaft für die Mutterkuhhaltung verantwortlich.
Jessica Wolff ist in der Agrargenossenschaft für die Mutterkuhhaltung verantwortlich. © Sabine Rübensaat

Brala: „Früher ein schöner Herrentagsausflug“

Ihre Freude an der Jungzüchterarbeit konnte Jessica Wolff ihren Kindern wunderbar vermitteln. Das liegt sicher auch an der „langen Leine“. Ziva geht einmal in der Woche zum Reiten, Neo kann sich mit seinem Vater, der Traktorist im Nachbarbetrieb ist, auch für alte Landtechnik begeistern. Dass die BraLa den Termin gewechselt hat, findet letzterer überhaupt nicht gut. „Früher war das immer ein schöner Herrentagsausflug“, sagt Andy Reiser. In diesem Jahr laufe in Friesack parallel über drei Tage der „Treckertreff“, da würde er mit Neo auch gerne hin.

Für den Fototermin ist er mit zum Kälberstall gekommen, um Ziva hinterher zum Reiten zu fahren: Elterntaxi im Westhavelland. Kinderfreundlich zu sein und an die Zukunft zu denken, ist offenbar ein Markenzeichen des Betriebes. Der Wechsel an der Vorstandsspitze vor sechs Jahren war von langer Hand vorbereitet und erfolgreich. Peter Wilke spinnt diesen Faden fort. 2020 wurde die Genossenschaft als „Unternehmen mit ausgezeichneter Berufs- und Studienausbildung“ geehrt. In diesem Jahr soll es eine Neuauflage geben. Aber das ist eine neue
Geschichte. Diese hier handelt von Jungzüchtern. Und ohne die möchte man sich eine BraLa gar nicht vorstellen.

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