Hoher Besuch in Brandenburg: Bundespräsident Steinmeier bei agrafrisch und im ZALF
Landwirtschaft im Wandel: Die agrafrisch Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH verabschiedet sich von Milchviehhaltung und setzt auf Agroforst und Agri-Photovoltaik. Bundespräsident war am Dienstag (7.5.) zu Besuch und informierte sich über die innovativen Projekte des Betriebs. Anschließend fuhr er zum Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).
Vor dem Steinmeier-Besuch: Vorbereitung in Fürstenwalde
Das ist das Los einer Wochenzeitung: Montag ist Redaktionsschluss und Dienstag kommt mit Frank-Walter Steinmeier der wohl prominenteste Gast, den unser Brandenburger Praxispartner jemals auf dem Hof hatte. Als wir am Donnerstag vergangener Woche in Buchholz vorbeischauen, sind noch alle unaufgeregt bei ihrer Arbeit. Wir sind mit Geschäftsführer Benjamin Meise verabredet, denn seit unserem letzten Besuch vor fünf Wochen ist Wesentliches geschehen, was die Betriebsführung betrifft.
Der Steinmeier-Besuch: Station im ZALF in Müncheberg
agrafrisch: viele Jahre den Markt beobachtet
Nach jahrelanger Marktbeobachtung und vielen Versuchen, Überlegungen und Gesprächen habe man entschieden, sich von der Milchproduktion zu verabschieden, sagt Benjamin Meise. „Wenn man nur in drei von zehn Jahren mit der Milch Geld verdienen kann und sogar in durchschnittlichen Jahren Geld verliert, muss man irgendwann die Konsequenzen ziehen.“ Zudem seien Kredite und Zweckbindungsfristen für Investitionszuschüsse inzwischen weitgehend abgelaufen, sodass die Entscheidung jetzt überhaupt getroffen werden konnte.
Keine Kühe mehr auf dem Hof
Die Fürstenwalder Agrarprodukte sind also ihre Kühe los. Und doch stehen sie immer noch in den Ställen, als wäre nichts geschehen. Denn bevor Meise den Viehhändler anrief, suchte er sich im Internet einen Makler und hatte Glück: Zwei Tage später standen zwei junge Leute auf dem Hof, die daran interessiert sind, die Milchviehanlage in Buchholz zu übernehmen. Sechs Wochen hätten zwischen dem Anruf und der Unterzeichnung der Verträge gelegen, erzählt Meise. Inzwischen managen Benedikt Kraus und Anne de Boer die Milchviehhaltung selbst. Bei unserem Besuch treffen wir sie gerade nicht auf dem Hof an, müssen die Vorstellung also auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Hofmolkerei bekommt weiter Milch
Meise ist froh, dass durch die neue Konstellation immerhin elf der 17 Mitarbeiter übernommen wurden. „Rund 30 Verträge regeln das Miteinander unserer Betriebe“, so Meise. Die Hofmolkerei von agrafrisch bekomme also weiter ihre Milch, die Biogasanlage könne weiter mit Gülle aus den Ställen rechnen. „Mit der Milch können nur die besten zehn Prozent der Betriebe Geld verdienen. Wir haben nicht dazu gehört. Die beiden sind hoch motiviert und bekommen es hoffentlich besser hin“, wünscht Meise ihnen Erfolg.
Neuer Betriebszweig
Eine weitere betriebliche Innovation wächst seit zwei Wochen in Form Tausender Pappelstecklinge heran. Die wurden reihenweise auf insgesamt 18 Hektar Eigentumsfläche ausgebracht. Die Pappelreihen gliedern die großen Schläge, sollen bei gleichbleibenden Erträgen Erosion verhindern, ein besseres Mikroklima schaffen und ganz nebenbei Berlin mit Wärme versorgen. Im Januar hatten Meises den Vertrag mit der Energy Crops GmbH abgeschlossen, jetzt nimmt die Sache Gestalt an.
Die Tochterfirma von Vattenfall betreibt Kurzumtriebsplantagen für Holzhackschnitzelkraftwerke in Berlin. Sie finanziert die Anlage der Flächen, zahlt eine stabile Pacht und erntet selbstständig. Die Fürstenwalder helfen in den ersten beiden Jahren bei der Pflege. Der Vertrag läuft über 25 Jahre.
Vor dem Steinmeier-Besuch: Auf dem Acker ist kaum etwas zu sehen
Noch braucht man viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie aus den bleistiftlangen Hölzern Baumreihen heranwachsen. Auf dem Acker ist kaum etwas zu sehen außer den Spuren der kleinen, bemannten Raupen, die die Stecklinge in gleichmäßigem Abstand in der Erde versenkt haben. Zwischen den Pappelreihen soll Mais wachsen. Auf einem Schlag mit Wintergetreide ist hingegen schon deutlich auszumachen, wie die Baumreihen die Fläche gliedern.
Manche der älteren Kollegen hätten Schwierigkeiten mit dieser Entwicklung, räumt Meise ein. Ging es doch vor ein paar Jahrzehnten um das genaue Gegenteil: große Flächen zu schaffen, die man gut bewirtschaften kann. Doch die Staubwolken, die beim Anwalzen des frisch gedrillten Maises über den Acker wehen, zeigen, dass die Entscheidung für diese Agroforst-Variante nicht nur betriebswirtschaftlich motiviert ist. Sie sei ein Kompromiss, sagt Meise, Bunte Windschutzhecken seien für die Biodiversität sicher attraktiver, aber in dem Umfang nicht finanzierbar.
Besuch von Bundespräsident Steinmeier: Blick auf den Agroforststreifen
Die Agroforststreifen will sich auch der Bundespräsident ansehen. In der Nähe befindet sich auch eine Blühfläche – die allerdings noch nicht so richtig in Gang gekommen ist – und ein Schlag, auf dem teilflächenspezifisch Mais gelegt werden soll. Entsprechend der Ertragskartierung bei der Ernte, die auf die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens verweist, differenziert die Einzelkornsämaschine, wie viele Maispflanzen je Quadratmeter – zwischen sechs und zehn – wachsen sollen. Bis auf die Anschauungsfläche für Steinmeier sind die Fürstenwalder mit dem Maislegen fast fertig.
Der erste Schnitt Luzerne und Gras ist von einem Dienstleister schon im Auftrag der neuen Milchviehanlagenbetreiber erfolgt. „Sie sind in die laufenden Verträge eingestiegen“, sagt Meise. „Bei Gerste und Raps sind wir mit dem Gröbsten durch, bei Weizen und Roggen kann noch alles schiefgehen“, fasst Meise zusammen. Im dritten Jahr wird auch Hanf angebaut. Die Pflanzen sind aufgelaufen und warten auf Regen. Bäckereien und Taubenzüchter nehmen die Hanfnüsse ab, das Hanf-Brot gibt es im Hofladen-Automaten.
Den wird Steinmeier leider nicht ansteuern. Dafür bekommt er noch eine Zukunftsgeschichte auf den Weg: Die Fürstenwalder werden mit vier anderen Landwirtschaftsbetrieben und der Firma Sunfarming aus Erkner Agri-PV-Anlagen auf insgesamt 500 Hektar bauen. Unter den 2,10 Meter hohen Modulen soll allerlei passieren: von Tierhaltung bis Heil- und Gewürzkräuteranbau. Bereits Ende des Jahres soll der Bau beginnen.
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