Mindestlohn-Erhöhung: Alte Debatte mit neuen Argumenten
Bundeskanzler Scholz will den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen. Der Deutsche Bauernverband und die ostdeutschen Arbeitgeber positionieren sich gegen die Steigerung. Welche Auswirkungen und Risiken hat die Erhöhung auf die Landwirtschaft und die Verbraucher?, das kommentiert Claudia Duda.
Von Claudia Duda
Fairer Lohn für gute Arbeit – mit diesem Slogan wurde im Jahr 2015 bundesweit der Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt. Dem war eine lange Kosten-Nutzen-Debatte vorausgegangen. Der Kampf gegen Lohn-Armut und Schwarzarbeit sowie die steigende Produktivität verbunden mit einer positiven Motivation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sprachen für den Mindestlohn, während die steigenden Preise, der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen, die Einschränkung der Tarifautonomie sowie der hohe bürokratische Aufwand dagegensprachen. An den Argumenten hat sich bis heute nicht so viel geändert – es sind noch einige dazugekommen.
Mindestlohn: Ein Blick in die EU
Erst zum 1. Januar 2024 ist der Mindestlohn in Deutschland auf 12,41 Euro gestiegen. Damit liegen wir in der Europäischen Union an vierter Stelle – hinter Luxemburg (14,86 Euro), den Niederlanden (13,27 Euro) und Irland (12,70 Euro). Die Schlusslichter sind Ungarn (4,02 Euro), Rumänien (3,99 Euro) und Bulgarien (2,85 Euro). Jetzt macht sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für einen schrittweise steigenden Mindestlohn auf 15 Euro ab 2025 stark.
Von der Politik wird der Mindestlohn als Erfolgsgeschichte gefeiert. Und gerade jetzt im Wahlkampf vor der EU-Wahl am 9. Juni erhoffen sich insbesondere die Sozialdemokraten Zustimmung ihrer Klientel.
Mindestlohn 15 Euro: Ostdeutsche Arbeitgeber positionieren sich gegen Erhöhung
Der Protest gegen eine Mindestlohn-Erhöhung scheint wie ein Reflex zu sein – aber: Für die Agrarbranche ist er existenziell. Entsprechend groß sind Unverständnis und Empörung. Nach dem Deutschen Bauernverband und anderen Interessenverbänden haben sich nun auch die ostdeutschen Arbeitgeber ganz klar gegen die Steigerung positioniert. Sie alle befürchten insbesondere im Obst-, Gemüse- und Weinbau eine Abwanderung der Produktion ins Ausland.
Denn für die landwirtschaftlichen Betriebe hat die politische Entscheidung neben den reinen Mehrkosten noch eine weitere Dimension: Gerade hier kommen die meisten Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa. Viele von ihnen setzen sich ein Einkommensziel. Bei einem höheren Mindestlohn ist das natürlich viel schneller erreicht.
Die Arbeitgeber befürchten, dass die Saisonkräfte frühzeitig zurückreisen, um wieder bei ihren Familien und in der Heimat zu sein. Um das zu vermeiden, zahlen schon jetzt zum Beispiel einige Spargelbauern sogenannte Durchhalte-Prämien, um die Erntehelfer bei Laune zu halten.
Mindestlohn-Erhöhung und Folgen für den Verbraucher: Regional vs. Import
Aber auch für die Verbraucher hätte eine weitere Erhöhung des Mindestlohnes Konsequenzen. Schon jetzt liegt der Preis beispielsweise für heimische Erdbeeren an Ständen und auf Wochenmärkten bei bis zu 6 Euro pro Pfund. Im Supermarkt sind sie mit 4 Euro pro Pfund günstiger. Doch unschlagbar ist der Preis für spanische Erdbeeren, die es beim Discounter für etwa 2,50 Euro pro Pfund gibt.
Im Vergleich wundert es also nicht, dass deutsche Erdbeeren den Wettbewerb nur verlieren können. Und kaum ein Verbraucher bedenkt dabei den ökologischen Fußabdruck. In Spanien müssen für die Bewässerung der Erdbeeren tiefe Brunnen gegraben werden, was den Grundwasserspiegel erheblich sinken lässt. Dazu kommen die Transportwege.
Politik gefordert: Abwägung von Zielen und Umsetzung
Deutschen Landwirtinnen und Landwirten ist das bewusst. Der Hauptgrund für den Preisunterschied liegt im spanischen Mindestlohn, der bei 6,87 Euro liegt. Wenn die Politik also eine regionale, ökologisch sinnvolle und nachhaltige Produktion unterstützen will, sollte sie ihre Ziele und die praktische Umsetzung genau abwägen.
Kommentar aus der Ausgabe 22/2024
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