Landwirt rettet Acker mit Bäumen: Agroforst statt Dürre in der Prignitz
Nach zwei Dürre-Jahren begann Reiner Guhl, Agroforstsysteme auf den Äckern des Landwirtschaftshofes Düpow in der Prignitz zu integrieren. Mittlerweile wachsen auf 11 Hektar Pappeln in Dreierreihen zwischen Getreide, Mais oder Kartoffeln.
Von Bettina Karl
Es war im Herbst 2019, als der Betriebsleiter mit seinem Traktor über die Felder fuhr, auf denen er gerade 100 ha Raps verloren hatte. „Nach der Aussaat herrschte im September Trockenheit!“, entrüstet sich Reiner Guhl. Er dachte über eine dritte, teure Beregnungsanlage nach, als im Radio ein Beitrag von Dr. Christian Böhm von der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus über das Anlegen und die Wirkungsweise von Agroforstsystemen auf landwirtschaftlichen Flächen lief. Für Reiner Guhl war vieles einleuchtend, und er rief Christian Böhm gleich am nächsten Tag an.
Mit dessen Unterstützung und Beratung – Böhm ist Vorsitzender des Deutschen Fachverbandes für Agroforstwirtschaft (DeFAF) – entschied sich Guhl für eine schnelle Umsetzung: Bereits am 30. April 2020 ragten die ersten Pappelstecklinge in Dreierreihen aus seinem Prignitzer Sandboden.
Guhls Vorteil: Rund 20 % der bewirtschafteten Flächen des Landwirtschaftshofes Düpow sind Eigentum des Betriebes. Reiner Guhl brauchte keine Verpächter davon zu überzeugen, warum auf einmal Bäume auf ihren Ackerflächen wachsen sollten. Er konnte das Agroforst-Konzept erst einmal auf seinen eigenen Flächen ausprobieren.
Betriebsspiegel des Landwirtschaftshofes Düpow
Demonstrationsbetrieb Agroforstwirtschaft des Deutschen Fachverbandes für Agroforstwirtschaft (DeFAF)
Betriebsleiter: | Reiner Guhl |
Personal: | drei Arbeitskräfte in Vollzeit |
Lage: | Landkreis Prignitz |
Boden: | 20–50 Bodenpunkte (Ø 32), lehmiger Sand auf Geschiebemergel |
Jahresnieder-schlag: | 585 mm |
Betriebsgröße: | 675 ha, circa 20 % Eigentum |
Betriebszweige: | 560 ha konventioneller Ackerbau, 90 ha Grünland, 25 ha Wald |
Agroforst: | silvoarables System (Pappel auf Ackerland), insgesamt etwa 75 ha auf drei Schlägen, davon 6,5 ha reine Gehölzfläche |
Kulturen: | Raps, Weizen, Gerste, Roggen, Mais, Zuckerrüben, Sonnenblumen, Kartoffeln, Spargel |
„Grüne Korridore“ gegen Dürre und Erosion
Wenige Niederschläge und hohe Temperaturen sind typisch für Brandenburger Sommer. Die Folgen der Klimaveränderungen auf den ohnehin schon sandigen und nährstoffarmen Böden sind vor allem Wind- und Wassererosion sowie Ertragsminderungen in Qualität und Quantität bis hin zu Totalausfällen. „Darum sind Agroforstsysteme gerade hier besonders wichtig“, erklärt Reiner Guhl. Im Folgejahr legte er daher mit seinen Mitarbeitern das nächste Agroforstsystem an, weitere folgten 2023 und 2024. Wie grüne Korridore ziehen sie sich heute durch die Felder.
Bereits zeigt sich, wie die Ackerflächen vom Schutz vor Erosionen und Verdunstung profitieren und wie sich das Mikroklima der Gehölzstreifen auswirkt. Damit tragen sie nicht nur zu einer höheren Klimaresilienz und Produktivität bei, auch Wildtiere finden in ihnen Ruhe.
„Zwischen den Baumreihen und dem Ackerland ist ein Ackerrandstreifen“, stellt der Landwirt fest. Dieses Grenzland will der Landwirt noch besser nutzen, beispielsweise mit Blühstreifen. Mit dem Deutschen Institut für Nachhaltigkeit und Ökonomie in Münster ist er dabei, die Machbarkeit zu erproben. Ein Problem dabei ist, dass Blühstreifen in Agroforstsystemen gemeinsam mit Ackerkulturen nach den EU-Förderrichtlinien bisher nicht erlaubt sind, während sie es als Top-up zur Stilllegung auf Ackerland sind.
Agroforst und Naturschutz: Kein Widerspruch, sondern sinnvolle Symbiose
Der Betrieb verfügt für seine restlichen Flächen über insgesamt 68 Pachtverträge. Damit es mit dem Aufbau von Agroforstsystemen zügig weitergehen kann, lud der Prignitzer Landwirt 2023 sämtliche Verpächter ein und überzeugte sie erfolgreich von den Vorteilen silvoarabler Agroforstsysteme, also der Bäume auf Ackerland.
Guhl erklärte den Eigentümern, dass sie damit kein Ackerland verlören, sondern das Gegenteil der Fall sei und die Ertragsstabilität der Ackerflächen zunehme. Das wiederum wirke sich auch positiv auf die Werterhaltung der Böden aus.
Im Grunde, so argumentiert Guhl, wachse auf dem Acker ein zweites Biotop. In den Wechselwirkungen zwischen den Baumreihen und dem Ackerland liegt das Plus des Systems. Die Flächen werden resilienter gegen Starkregen und Trockenheit. Auch der Naturschutz kommt wieder ins Spiel: In den Gehölzstreifen sind weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel notwendig. „Jeder Baum, den wir pflanzen, ist Leben“, erklärt er.
Pionierbaum Pappel: Die ideale Baumart für Agroforstsysteme
In Düpow sind es vor allem Pappeln. Für die Agroforstsysteme eignet sich diese Baumart besonders gut. Sie verträgt Trockenheit und Hitze. Dieser Pionierbaum wachse schnell und bringe zügig die angestrebten Effekte, weiß Guhl, egal ob als Energieholz in Kurzumtriebsplantagen (KUP) oder als Wertholz.
Brandenburgs Landwirtschaftsminister ist überzeugt: Agroforst hat Zukunft in Brandenburg
Als kürzlich Axel Vogel, Brandenburgs Landwirtschaftsminister, und Dr. Christian Böhm vom DeFAF sowie Akteurinnen und Akteure aus Umweltschutz und Wirtschaft den Hof in Düpow besuchten, zeigte sich: Trotz der unerwarteten Kürzungen der ohnehin nicht ausreichenden Förderung über die GAP wächst das Interesse an Agroforstsystemen. Christian Böhm stellte in der Runde noch einmal klar: Bei allen positiven Effekten der Gehölzstreifen sei ein Agroforstsystem kein Landschaftselement, das vordergründig dem Naturschutz dienen solle. Sein Hauptzweck sei die Produktion von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen. Es sei somit auch nicht Teil einer Stilllegungsfläche, räumte er mit einem Vorurteil auf.
Nachfrage nach Holz steigt: Agroforst als Chance für Land- und Forstwirtschaft
Daher ist es für Umwelt-, Klima- und Artenschutz neben der Klärung und Berücksichtigung von Standort- und Eigentumsverhältnissen für die Planung wichtig, die Produktionsziele festzulegen. Sie werden sich von denen der herkömmlichen Wirtschaftsweise unterscheiden.
Böhm nannte als Beispiele die Produktion von Holz-Hackschnitzeln, Industrie- und Stammholz sowie von Obst oder Nüssen. Dass die Nachfrage nach Industrieholz steigt, zeigte sich darin, dass auch Abgesandte des Holz verarbeitenden Gewerbes an dem Treffen in Düpow teilnahmen. Die zu erwartenden Folgen von Klimawandel und Waldumbau veranlassen sie offenbar, bereits nach neuen Vertragspartnern für die Holzproduktion zu suchen. Agroforstsysteme könnten sich also in vielfacher Hinsicht lohnen.
Fazit: Agroforst – ein vielversprechendes Konzept für die Landwirtschaft von morgen
Die vielen positiven Effekte der Agroforstsysteme sind wissenschaftlich erforscht, in Düpow heute schon in Ansätzen zu erkennen, lassen sich aber nach so kurzer Zeit noch nicht in Zahlen fassen. Fest steht jedoch, dass so nachhaltig Wasser in der Fläche gehalten werden kann. Ob Wasser für Beregnungsanlagen in Zukunft ausreichend zur Verfügung stehen wird, ist nicht sicher.
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