Frost-Schäden in Millionenhöhe: EU-Hilfen nicht für Deutschland
Nach dem verheerenden Frost im April gibt die EU jetzt Hilfen frei, nur nicht für Deutschland. Obst- und Weinbauern in Ostdeutschland sitzen auf Schäden in Millionenhöhe. Minister Cem Özdemir fordert eine Berücksichtigung der hierzulande ansässigen Betriebe.
Von Detlef Finger
Die Frostnächte Ende April haben im Obst- und Weinbau in Sachsen-Anhalt Gesamtschäden von etwa 50 bis 60 Millionen Euro verursacht. Deutschlandweit schätzen die Bundesländer die Frost-Schäden auf mindestens 210 bis 254 Millionen Euro. Jetzt hat die Europäische Kommission Hilfen in Höhe von 62 Millionen Euro für Österreich, Tschechien und Polen in Aussicht gestellt. Deutschland bleibt in diesem Vorschlag außen vor.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) kritisiert das vorgestellte Paket stark: „Das Brüsseler Vorgehen ergibt einfach keinen Sinn und zerstört Vertrauen. Ich erwarte, dass die EU-Kommission diese Ungleichbehandlung zügig auflöst und die Frosthilfen auch für unsere deutschen Landwirtinnen und Landwirte öffnet.“ Dementsprechend verweigert das BMEL seine Zustimmung, bis Deutschland mit in die Liste aufgenommen wird.
Bereits in den vergangenen zwei Agrarräten im Mai und Juni hatte Deutschland auf die teilweise massiven Frost-Schäden für deutsche Obst- und Weinbaubetriebe hingewiesen.
Derweil findet die Diskussion um zusätzliche staatliche Hilfen schon in den einzelnen Landtagen statt.
Frühzeitige Obstblüte und harter Frost
Geschuldet sind die extrem hohen Frost-Schäden vor allem der in diesem Jahr witterungsbedingt deutlich früheren Blüte bzw. Fruchtanlage bei allen Obstarten. Die Ausfälle sind je nach Standort und Obstart sehr differenziert und reichen vielfach bis hin zum Totalverlust. Beim Wein drohen trotz eines zweiten Austriebs der Rebstöcke Verluste von mindestens 50 %. In der Folge sind nicht wenige Obst- und Weinbaubetriebe im Land in ihrer Existenz gefährdet.
Während in Brüssel die deutschen Produzenten bisher nicht in dem Hilfsvorschlag berücksichtigt werden, waren mögliche staatliche Hilfen für die Erzeuger bereits Mitte Juni Thema einer Debatte im Landtag in Magdeburg. Die Fraktion Die Linke hatte dazu einen Antrag ins Parlament eingebracht mit dem Titel: „Obst- und Weinanbaubetriebe nach Frost-Schäden nicht allein lassen“.
Mit diesem soll die Landesregierung aufgefordert werden, kurzfristige Hilfen für die von Ernteausfällen bedrohten Obstanbaubetriebe unbürokratisch bereitzustellen und für die Weinanbaubetriebe zu prüfen (hier greifen womöglich Versicherungen nicht, weil die Fröste bereits im April auftraten – Anm. d. Red.).
Betriebe sollen zudem mindestens 60 % der entstandenen finanziellen Schäden geltend machen können. Für Obstbaubetriebe sollen ferner – analog zu den Weinbaubetrieben – 50 % der Prämien für Versicherungen gegen Frostverluste als Zuschuss übernommen und dies im Doppelhaushalt 2025/2026 dargestellt werden. Und schließlich soll das Land auf eine Gesamtverantwortung des Bundes zur Entschädigung hinwirken, um die Existenz der Betriebe nicht zu gefährden.
Nur Ankündigungen – keine Taten
Linken-Agrarsprecherin Kerstin Eisenreich untermauerte für ihre Fraktion die Notwendigkeit kurz- und mittelfristiger Unterstützungsmaßnahmen. Es gehe insgesamt darum, den Obst- und Weinbau in Sachsen-Anhalt zu sichern. Langfristig müsse angesichts des Klimawandels eine Mehrgefahrenversicherung auf den Weg gebracht werden, ferner seien Anpassungen im Obst- und Weinbau, z. B. über Züchtung, Anbautechniken, Bodenbearbeitung und Wassermanagement, vom Land zu unterstützen und zu fördern.
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Weitere InformationenEisenreich kritisierte, dass es hierzulande seitens des Landwirtschaftsministers bisher nur Ankündigungen gegeben habe, dem Landtag einen Vorschlag bezüglich Hilfen zu unterbreiten. In Sachsen und Thüringen hingegen seien mittlerweile bereits konkrete Hilfen beschlossen worden.
Strenge Regelungen für Beihilfemaßnahmen
Finanzminister Michael Richter (CDU) erklärte im Parlament in Vertretung von Agrarminister Sven Schulze (CDU), es brauche konkrete Zahlen zur Betroffenheit, auch weil Beihilfemaßnahmen streng reglementiert seien. Die Landwirtschaftliche Rentenbank habe ihr Liquiditätshilfedarlehen für frostgeschädigte Obst- und Weinbaubetriebe zum Überbrücken akuter Probleme geöffnet. Wie weitere Hilfen aussehen können und welche Mittel zur Verfügung stehen, werde zwischen Finanz- und Agrarressort geklärt.
Die Notwendigkeit für Hilfen und zukünftige Prävention sehen alle Parteien. Doch wie genau insbesondere vorbeugende Maßnahmen aussehen sollen, dazu hat jede Partei ihren eigenen Ansatz. Schnelle Hilfen für die Betriebe befürworteten alle Agrarsprecher. SPD, FDP, AfD und Grüne schlagen Versicherungslösungen mit Zuschüssen vor. Auch die Gewinnglättung für landwirtschaftliche Betriebe ist durch die FDP im Gespräch. Für einen Versicherungszuschuss wie bei den Weinbauern von 50 % seien jährlich insgesamt 1 Mio. Euro erforderlich. Hierfür könnten GAK-Mittel des Bundes genutzt werden.
Die Linken-Abgeordnete Eisenreich zeigte sich abschließend erfreut, dass im Parlament Einigkeit darüber besteht, „den Obst- und Weinbauern unter die Arme zu greifen“. Sie bedauerte zugleich die noch abwartende Haltung von Finanz- und Agrarministerium Sachsen-Anhalts.
Der Antrag der Linken wurde schließlich einstimmig federführend in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie mitberatend in den Ausschuss für Finanzen überwiesen.
Zeitplan für Hilfen ungewiss
Das Agrarministerium erklärte Ende Juni auf Nachfrage, dass es mit dem Obstbauverband zur genaueren Untersetzung der Schadenhöhe im Gespräch sei. Es würden derzeit Hilfen geprüft für Betriebe, bei denen die Schäden existenzgefährdende Ausmaße annehmen. Der zeitliche Rahmen könne noch nicht beziffert werden.
Minister Schulze selbst hatte beim Saisonauftakt in die Süßkirschenernte am 20. Juni auf dem Obsthof Müller in Querfurt dem MDR gesagt: „Wir werden was auf den Weg bringen.“ Dies könnte auf zwei Ebenen geschehen: Erstens über direkte Hilfen für Betriebe und zweitens über zinsverbilligte Kredite. Bis zum Tag der Veröffentlichung (15.07.2024) gab es diesbezüglich aber keine neuen Informationen.
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