Nominiert für den Ceres Award 2024: Tino Ryll aus Brandenburg
Landwirt Tino Ryll aus dem Fläming in Brandenburg ist mit regenerativer Landwirtschaft und innovativer Fruchtfolgegestaltung erfolgreich und hat sich für das Finale des Ceres Awards 2024 qualifiziert hat. Trotz schwacher Böden setzt er auf Vielfalt, Experimente und nachhaltige Methoden.
Von Claudia Duda
Das Motto von Tino Ryll lautet: „Am einfachsten ist immer am besten!“ Der Brandenburger führt im Landkreis Teltow-Fläming einen Betrieb mit 500 ha. Neben Gerste, Weizen, Raps, Mais, Zuckerrüben und Sonnenblumen, baut er auch Senf, Mohn, Urweizen, Urroggen, Linsen und Leindotter an.
Ceres Award: Als Ackerbauer nominiert
Seit 2012 beschäftigt sich der heute 42-Jährige mit regenerativer Landwirtschaft, seit 2017 wirtschaftet er regenerativ. Damit hat sich der Ackerbauer aus Reinsdorf für das Finale des Ceres Awards 2024 qualifiziert. Tino Ryll meistert die Herausforderung schwacher Böden (sandiger Lehm mit im Schnitt 35 Bodenpunkten) mit einer innovativen Fruchtfolgegestaltung.
Im Kern seiner Strategie steht der jährliche Wechsel zwischen Winter- und Sommerungen, wobei Blattfrüchte und Getreide stets gleichermaßen angebaut werden. Diese vielfältige Fruchtfolge mit 12 bis 16 Kulturen wirkt gleichzeitig als Risikostreuung im Anbau.
Experimente mit Komposttee
Im Schnitt wird in der Region eine Niederschlagsmenge von 450 l auf den Quadratmeter gemessen, 2023 waren es sogar 690 l, in diesem Jahr waren es bis zum 11. Juli etwa 350 l, was den Sommerkulturen sehr zugute kommt.
Der Landwirt zeichnet sich durch seine Experimentierfreude aus. Er probiert beispielsweise den Einsatz eigener Beizen, von Mikronährstoffen, Fermenten und Pflanzenkohle aus. Dies hat sich nicht nur durch stabile Erträge auch in Trockenjahren bewährt, sondern führt zudem zu einer deutlichen Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. 15 ha gestattet er sich jedes Jahr als Versuchsfläche, wo er neue Sorten ausprobiert – wie Mariendistel, Schwarzkümmel, Sesam und andere.
Vater gründet Betrieb aus einer LPG
Der Brandenburger hat in Bernburg Agrarwirtschaft und Agrarmanagement studiert. Sein Ziel war es, einen Teil des Betriebes zu übernehmen, den sein Vater Norbert Ryll nach der Wende aus einer LPG begründet hatte. Als Tino Ryll im Jahr 2012 seinen ersten regenerativen Bodenkurs bei Jens Petermann und Dietmar Näser absolvierte, konnte er nicht ahnen, wie sehr das Thema ihn beschäftigen würde. Damals gefiel ihm der gute Austausch zwischen den beteiligten Landwirten – egal, ob sie konventionell oder ökologisch wirtschafteten.
Boden und Humusgehalt haben sich verbessert
Es ging ihm darum, Kreisläufe zu verstehen. Er hat gelernt, dass auch Beikräuter (Unkräuter) hilfreich für den Boden sein können, da dies Zeigerpflanzen sind. Sie „sagen“, was dem Boden fehlt. Darauf können ackerbauliche Planungen ausgerichtet werden. Ein weiterer Bodenkurs und die Beschäftigung mit Kompostierung und Fermentierung führten dann dazu, 2017 erste Flächen umzustellen. Seit 2021 bewirtschaftet er alle Flächen regenerativ.
Dass sich die Böden seitdem verbessert haben, ist nicht nur an dem weitverzweigten Wurzelsystem der verschiedenen Kulturen zu sehen. „Ich rieche es – und ich sehe es am Spaten“, sagt Tino Ryll. Das Wurzelwerk seiner Pflanzen ist stabiler und fein verzweigt. Aber auch die Bodenstruktur ist besser, viel feinkrümeliger als zuvor.
Der Humusgehalt des Bodens sei nachweislich minimal gestiegen. Er ist stolz darauf, dass sich seine Erträge trotz der Trockenheit in Brandenburg in den vergangenen sechs Jahren stabilisiert haben. Als konventioneller Betrieb, der auf regenerative Methoden setzt, kann er merklich weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel einsetzen. Nach eigenen Proben haben sich die Böden um 0,1 bis 0,2 Humusprozente verbessert.
Im April wurden von einem unabhängigen Institut Bodenproben gezogen – nicht zum ersten Mal. Die Proben wurden im Zusammenhang mit dem CO2 Zertifikatprojekt gezogen, um zu schauen, wie sich der Boden über die Jahre aufgebaut hat, quasi die erste Testfläche. Die Werte werden auch regelmäßig nach der Albrecht/Kinsey-Methode überprüft.
Untersaaten gegen Unkraut
Das Ziel sei, die Böden über Zwischenfrüchte immer grün zu halten, meint der Landwirt. Überwinternde, alte Sorten seien dazu besonders geeignet. Ryll ist Mitglied im Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen, kurz VERN, und experimentiert beispielsweise mit Braugerste. Darüber hinaus arbeitet er mit Mischungen der Deutschen Saatveredelung (DSV). Auch mit Untersaaten experimentiert der Brandenburger, um die Hauptfrüchte zu unterstützen und Unkraut zu bekämpfen.
Als Ende Juni die Gerste gedroschen wird, fährt Tino Ryll parallel mit der Direktsaatmaschine von Claydon übers Feld und drillt Terralife N-fixx (DSV) ein – eine Zwischenfruchtmischung aus verschiedenen Arten (Phacelia, Öllein, Sonnenblume, Ramtillkraut, Sorghum, Felderbse, Sommerwicke, Alexandrinerklee, Perserklee, Serradella).
Im Winter werden unter anderem Klee und Leindotter als Untersaaten ausgedrillt. Insgesamt 4,4 t/ha Gerste hat er in diesen Tagen geerntet. Das Hektolitergewicht liegt bei 63 kg/hl. Mit der Qualität der Ernte ist er zufrieden, dabei hatte er im Vorfeld keine Fungizide und keine Insektizide verwendet. Er hatte mit 90 kg Stickstoff gedüngt – 80 kg weniger als sonst. Einmal hatte er Herbizid ausgebracht und dreimal mit Komposttee vitalisiert. Die Vorfrucht war Mohn. Mit Zwischenfrüchten arbeitet er nach der Gerste, vor allen Sommerungen und teilweise nach dem Weizen.
Als Sorten nutzt er neben N-fixx auch MaisPro TR 50 (DSV). Nach seiner Erfahrung sind dadurch die Böden strukturierter und koppeln sich nicht voneinander ab, die Wurzelleistung steigt, was eine bessere Bodenstruktur mit sich bringt. Er bevorzugt mehrzeilige Sorten.
Verkauf an Supermärkte aus der Region
Dass sich der Einsatz auch auf die Artenvielfalt auswirkt, sei zu beobachten. „Es sind viel mehr Laufkäfer und Wildbienen zu sehen.“ Während Tino Ryll drillt, wird ein anderer Acker von seinem Vater mit der Pflanzenschutzspritze behandelt, die dortigen Linsen werden mit dem selbst hergestellten Komposttee besprüht.
Insgesamt 3,5 Arbeitskräfte sind mit ihm in der GbR tätig, darunter auch Vater Norbert. Neben der Bewirtschaftung der Felder werden die Produkte selbst verarbeitet und vermarktet. Auf dem Hof gibt es eine Ölmühle, die Raps, Leinen, Sonnenblumen zu Ölen verarbeitet, die im Hofladen sowie in regionalen Supermärkten verkauft werden.
Gastronomie-Betriebe aus Berlin und Brandenburg setzen auf die Produkte; Bäckereien aus Brandenburg verarbeiten verschiedene Getreidesorten des Betriebes. Dabei experimentiert er mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, hat z. B. ein Zitronen- und ein Mohnöl im Angebot. „Wir machen vom Anbau über das Marketing bis zur Buchhaltung alles selbst“, erklärt Tino Ryll, als die Juroren des Ceres Awards im Juni seinen Hof besuchen. So präsentiert er seine Abfüll-Anlage für die Öle und die Etikettierung. Auch die Anlage zur Produktion von Komposttee führt er vor. „Den kann man sogar anfassen“, rührt er zur Demonstration selbst mit der Hand im Krug.
Ceres Award wird von agrarheute verliehen
Momentan sind die fachkundigen Juroren deutschlandweit unterwegs, um sich vor Ort ein Bild der 21 Finalisten-Betriebe zu machen. Der Ceres Award wird seit 2014 vom Fachmedium „agrarheute“ vergeben. Es werden Sieger in folgenden Kategorien ausgezeichnet:
- Ackerbauer
- Energielandwirt
- Junglandwirt
- Rinderhalter
- Schweinehalter
- Geflügelhalter
- Unternehmerin
Aus den Kategorie-Siegern wird anschließend der Gesamtsieger, der Landwirt bzw. die Landwirtin des Jahres gewählt. Die feierliche Preisverleihung, an der Gäste aus Landwirtschaft und Politik teilnehmen, wird am 30. Oktober 2024 in Berlin stattfinden.
Seine Erfolge und manchmal auch Misserfolge dokumentiert der Brandenburger selbst. Er fotografiert leidenschaftlich gern und ist auch bei Instagram & Facebook als Flämingbauer aktiv unter Fläminger Genussland. Außerdem nutzt er eine eigene Drohne, um den Überblick über seine Flächen zu haben.
Weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Dünger
Ganz ohne Pflanzenschutzmittel und Dünger kommt der Landwirt trotzdem nicht aus. Beim Raps konnte er den Fungizid-Einsatz um 65 % reduzieren, in der Gerste sogar um 100 %. Im Weizen musste er aufgrund der feuchten Witterung in diesem Jahr einmal mit Fungizid fahren. Der Einsatz alter Sorten beziehungsweise von Ursorten wirkt sich ebenfalls positiv aus, denn diese Sorten zeigen sich nach seiner Erfahrung resilienter gegen Krankheiten. Im Herbst lässt er seine Flächen von Schafen abhüten, Urin und Kot düngen den Boden zusätzlich.
Tino Ryll wäre selbst nie auf die Idee gekommen, sich für den Ceres-Award zu bewerben. Sein Freund Thomas Domin, der in Peickwitz bei Senftenberg ebenfalls einen Landwirtschaftsbetrieb führt, hat ihn immer wieder aufgefordert, die Bewerbung einzureichen. Die Landwirte in der Region tauschen sich aus. „Insbesondere die jüngeren Nachbarn wollen wissen, was ich mache“, erklärt der 42-jährige Familienvater. Selbst seinen Vater, der anfangs der regenerativen Landwirtschaft skeptisch gegenüberstand, hat er mittlerweile überzeugt. „Er sieht, dass es hilft.“
Was er sich wünscht? Weniger Bürokratie im Alltag und mehr fachkundige Begleitung durch die Wissenschaft. „Bodenpunkte und Humus müsste man wissenschaftlich untersuchen, das kann man mit normalen landwirtschaftlich zu Verfügung stehenden Mitteln nicht selbst messen“, sagt er. Die Nominierung zum Ceres Award hat ihn überrascht. Und auch, wenn er den Preis nicht bekommen sollte, fühlt er sich in seiner Arbeit bestätigt.
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