Die Gewässerunterhaltung in Sachsen-Anhalt wird zu großen Teilen aus Flächenbeiträgen der Land- und Forstwirte finanziert. (c) Detlef Finger

Gewässer-Kosten ungleich verteilt: Landwirte zahlen Zeche

Ein Umdenken und eine gerechte Lastenverteilung fordert das Forum Natur Sachsen-Anhalt bei der Bewirtschaftung und Unterhaltung der Gewässer im Land. Im Herbst soll das novellierte Wassergesetz im Landtag in Magdeburg behandelt werden.

Von Detlef Finger

Das Forum Natur Sachsen-Anhalt hat ein Umdenken in der Gewässer-Bewirtschaftung im Land gefordert und zugleich die einseitige finanzielle Belastung der Land- und Forstwirtschaft im Zuge der Gewässer­-Unterhaltung kritisiert. „Es ist höchste Zeit, dass die in Teilen stark ideologisch geprägte Gewässer-Bewirtschaftung in Sachsen-Anhalt beendet wird, um den Herausforderungen durch Extremwetterereignisse und Klimawandel wirksam begegnen zu können“, sagte Bernhard Daldrup, Vorsitzender der verbändeübergreifenden land- und forstwirtschaftlichen Interessenvertretung.

Umlage auf Flächen

Die Hauptlast in der Gewässer-Unterhaltung trage die Land- und Forstwirtschaft, die auch die größten Anteile an Wasserrückhaltungsflächen bereitstelle, sagte Daldrup: „Vor dem Hintergrund der multiplen Krisen werden die Landnutzer dies nicht weiter allein bewerkstelligen können.“

In Sachsen-Anhalt gibt es rund 300 Fließgewässer mit 26.800 km Gesamtlänge. 97 davon mit zusammen 2.650 km Länge sind wasserwirtschaftlich bedeutend und als Gewässer erster Ordnung eingestuft. Deren Unterhaltung obliegt dem Land, vertreten durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Für die übrigen gut 24.000 km Gewässer zweiter Ordnung sind die nach der Wende gegründeten 28 Unterhaltungsverbände (UHV) zuständig.

Finanziert wird die Unterhaltung nachrangiger Gewässer seit jeher durch Beiträge an die UHV, die deren Mitgliedsgemeinden erheben und auf die Grundstückseigentümer umlegen. Erhoben wird ein Flächenbeitrag (für alle Grundstücke) sowie ein einwohnerbezogener Erschwernisbeitrag (nur für Versiegelungsflächen, die nicht der Grundsteuer A unterliegen).

Ersterer macht das Gros aus. Dafür kommen vor allem, weil in den Pachtverträgen meist so festgelegt, die Nutzer der land- und forstwirtschaft­lichen Flächen auf. Seit 2015 erheben die UHV die Beiträge analog auch für Flächen, die in Gewässer erster Ordnung (ausgenommen Bundeswasserstraßen) entwässern, und erstatten diese dem LHW.

Bernhard Daldrup (c) Renke Detering, FJORD Nachhaltige Kommunikation GmbH
Bernhard Daldrup, Vorsitzender des Forums Natur Sachsen-Anhalt.
(c) Renke Detering, FJORD Nachhaltige Kommunikation GmbH

Siedlungsflächen verursachen höhere Kosten

Aus Sicht des Forums Natur werden versiegelte bzw. Siedlungsflächen, die deutliche Mehrkosten bei der Gewässer-Unterhaltung verursachen, nicht ausreichend herangezogen. In seiner Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Wassermanagements im Land, das u.a. Änderungen im Wassergesetz beinhaltet, fordert das Forum Natur deshalb differenzierte Umlagefaktoren: 1,0 für Agrarland, 0,4 für Wald und 4,0 für Versiegelungsflächen.

Die künftig gesetzlich vorgesehene monetäre Entlastung land- und forstwirtschaftlicher Flächen sieht dagegen lediglich vor, den Mindestanteil des Erschwernisbeitrages am Gesamtbeitrag im Verbandsgebiet von 10 % auf 16 % zu erhöhen.

Nach Ansicht des Forums Natur müsste dem grünen Sektor die Rückhaltung von Wasser und das Bereitstellen von Flächen hierfür als Dienst im Sinne der Allgemeinheit angerechnet und vor allem öffentlich unterstützt werden. Auch seien die UHV substanziell zu stärken, damit sie ihre Aufgaben effektiv und nachhaltig erfüllen können.

Zuschüsse nötig für Gewässer-Unterhaltung

Das Forum Natur Sachsen-Anhalt fordert zudem das Wiedereinführen des Landeszuschusses zur Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung, der bis Ende der 2000er-Jahre gewährt wurde (bis zu 50 % der Aufwendungen der UHV im Schnitt der letzten fünf Jahre), um die notwendigen Maßnahmen finanziell abzusichern. „Wir brauchen ein umfassendes Konzept für ein klimaangepasstes Wassermanagement, das alle relevanten Akteure einbindet und integrative Lösungen entwickelt“, so Daldrup. Verbessert werden müsse auch die Zusammenarbeit zwischen Landesbehörden und den UHV. Dies alles im Sinne eines effektiven Schutzes betroffener Gemeinden und Siedlungsgebiete. Doch auch diese müssten ihren Beitrag leisten, betonte der Vorsitzende.

Ein natürliches Gewässer.
Auf Landwirte und Forstwirte könnten zukünftig noch mehr Kosten in der Unterhaltung der Gewässer zukommen.
(c) Heike Mildner

Bei der Gesetzesnovellierung liegt der Fokus laut dem Magdeburger Umweltministerium auf eben jenem klimaangepassten Wassermanagement. Angesichts von Extremwetterereignissen wie Starkregen und Hochwasser, aber auch Hitze- und Trockenperioden gehe es bei der Gewässer-Unterhaltung nicht mehr nur um den Wasserabfluss, sondern auch um einen stärkeren Wasserrückhalt.

Einen „Paradigmenwechsel“ nannte dies Umweltminister Armin Willingmann (SPD) bei der Vorstellung der vom Kabinett beschlossenen Gesetzesnovelle Ende Oktober 2023. Erreicht werden solle der Wasserrückhalt u. a. durch Einschränkungen der ökologischen Durchgängigkeit von Gewässern zweiter Ordnung bei entsprechender Notwendigkeit (ausgenommen sind laut Entwurf 92 sogenannte Vorranggewässer).

Gewässer brauchen neue Stauanlagen

Landesweit müssten die UHV dazu zahlreiche Stauanlagen sanieren oder neu errichten. Den einmaligen Investitionsbedarf hierfür bezifferte Willingmann mit fast 69 Mio. Euro, davon entfielen rund 65 Mio. Euro auf neun UHV. Der jährliche Unterhaltungsaufwand für die Gewässer zweiter Ordnung steige durch die deutlichen Mehrkosten für den Wasserrückhalt zudem von jetzt 26,3 Mio. Euro auf 30,3 Mio. Euro. Betroffen hiervon seien vor allem die Niederungsgebiete. Die mittlere Beitragssteigerung wird im Gesetzentwurf mit 2 €/ha Beitragsfläche und Jahr angegeben (maximal bis 5,9 €/ha/Jahr).

Willingmann kündigte seinerzeit ein Förderprogramm aus Landesmitteln für die Investitionen an, allerdings mit zunächst nur geringen Mittelumfängen. Zugleich räumte er ein, dass auf die umlagepflichtigen Grundstückseigentümer künftig deutliche Beitragssteigerungen zukommen könnten.

Der Minister hat auf der Landtagssitzung am 11. Juni angekündigt, dass der Entwurf des neuen Wassermanage­mentgesetzes, dessen Bearbeitung sich u. a. durch eine längere Anhörungsphase in die Länge gezogen habe, nach der Sommerpause in das Parlament eingebracht werden soll. Bis dahin seien noch entsprechende Abstimmungen nötig, derzeit auch innerhalb der Koalition.

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