Premiere: Kommune kauft Agrarbetrieb
Das gab es so noch nicht: Mit Leinefelde-Worbis erwirbt eine Kommune einen Landwirtschaftsbetrieb, um Fuß auf dem Bodenmarkt zu fassen.
In Thüringen, vielleicht sogar deutschlandweit, hat ein neuer außerlandwirtschaftlicher Investor den Markt betreten. Im Dezember informierte der Bürgermeister des 20.000 Einwohner zählenden Leinefelde-Worbis, dass die Kommune in die Landwirtschaft einsteigt. Der neue Eigenbetrieb „Land- und Forstwirtschaft der Stadt Leinefelde-Worbis GmbH“ wurde Ende 2019 per Stadtratsbeschluss „in nichtöffentlicher Sitzung mit dem zugehörigen Stamm- und Startkapital“ ausgestattet.
Das Handelsregister wies Ende Januar ein Stammkapital von 2,3 Mio. € aus. Gegenstand des Unternehmens sei „die Betreibung eines land- und forstwirtschaftlichen Unternehmens“. Selbst bewirtschaftet dieser neue Kommunalbetrieb keine Flächen, gleichwohl die Stadt „mehrere hundert Hektar“ ihr Eigentum nennt, die sie an Landwirtschaftsbetriebe der Region verpachtet hat. Auf Anfrage der Bauernzeitung erklärte Bürgermeister Marko Grosa (CDU), dass sich der Betrieb als „Gesellschafter eines anderen Landwirtschaftsbetriebes, der rund 500 Hektar bewirtschaftet“, engagiert. Dieser sei ausreichend mit Landtechnik ausgestattet. In bauliche Anlagen wolle man investieren.
Aktiv am Bodenmarkt
Eine wesentliche Motivation für den ungewöhnlichen Schritt der Stadt war, sich aktiv am landwirtschaftlichen Bodenmarkt beteiligen zu können, etwa wenn es sich um Tausch- oder Kaufflächen handelt. Denn: „Egal ob es um die Übertragung eines Grundstückes aus einer Erbmasse ging oder ob wir Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen brauchten, weil wir Gewerbe- oder Wohngebiete erschlossen haben – wir als Kommune durften nicht mehr als 2.500 Quadratmeter kaufen, weil der Landwirt immer Vorkaufsrecht hat, ganz gleich, ob es sich um einen regionalen Landwirt oder einen Strohmann handelt, der für weiß Gott wen kauft“, so Grosa. Er kritisiert zugleich, dass die Kirchen diesen Restriktionen nicht unterliegen würden: „Dafür haben wir als Kommune wenig Verständnis. Denn die Kirche kümmert sich nicht um Wohn- und Gewerbegebiete und auch nicht um Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.“
Gegenüber der Bauernzeitung versicherte der Bürgermeister, dass die Stadt keine Bevorratung von Flächen für Ausgleichs- und Umweltmaßnahmen plane. „Minimal invasiv“ könne der Landwirtschaftsbetrieb künftig besser helfen, solche Flächen zu finden und mit der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung in Einklang zu bringen. Ein weiterer Grund für das Engagement der Kommune sei der Erhalt der Landwirtschaft im traditionellen Sinne, „aber auch die Verhinderung des fortgesetzten Flächenerwerbs durch ausländische Unternehmen über hier eingesetzte Strohmänner“, so das Stadtoberhaupt.
Der kommunale Eigenbetrieb plane zwar nicht, weitere Landwirtschaftsbetriebe zu erwerben. Allerdings werde der erworbene 500-Hektar-Betrieb, „wie jeder andere Landwirtschaftsbetrieb auch, im Rahmen seiner Möglichkeiten angebotene Ackerflächen zukaufen oder mit benachbarten Betrieben tauschen“. Nicht zuletzt erhofft sich die Stadt, die landwirtschaftlichen Mitarbeiter in der Wintersaison im städtischen Bauhof einsetzen zu können, wo dann viel Arbeit anfällt. Neben den vorgenannten „strategischen Vorteilen“ will man mit der Landwirtschaft freilich auch Geld verdienen und kein Zuschussgeschäft entstehen lassen.
Landwirte kritisch
Wichtig sei der Stadt ein gutes Zusammenwirken mit den benachbarten Landwirten. Man wolle keine Machtkämpfe um die landwirtschaftlichen Flächen anzetteln. Dass das Engagement der Stadt kontrovers unter den Landwirten in der Region diskutiert wird, weiß der Bürgermeister. Betriebe, die die Bauernzeitung dazu befragte, äußerten sich sehr kritisch und zeigten wenig Verständnis.
Der ortsansässige Familienbetrieb wollte gegenüber der Bauernzeitung nicht über die Gründe der GbR-Anteilsverkäufe an die Stadt Auskunft geben. Dass es sich hierbei um die Regelung der Hofnachfolge aus Altersgründen handelt, darf aber angenommen werden. Den Stadtoberen von Leinefelde-Worbis sei empfohlen, auf Transparenz zu setzen. Sowohl gegenüber den Landwirten also auch den Bürgern.