Knut Kucznik vor einer Herde Schwarzköpfiger Fleischschafe. (c) Heike Mildner

Schäfer Knut Kucznik: „Ich mache mir große Sorgen“

Interview mit Knut Kucznik, Vorsitzender des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg (SZVBB), über die Vorbereitung der Schäfer auf das Blauzungenvirus und das, was es anrichten kann. Seine Schafe haben eine Impfung. Er hofft, dass sie die Blauzungenkrankheit nicht mit voller Wucht treffen wird.

Die Fragen stellte Heike Mildner


Brandenburg und das Blauzungenvirus

Wie sind Brandenburgs Schäfer auf die Blauzungenkrankheit vorbereitet? 

Laut Landestierarzt Dr. Stephan Nickisch ist die Impfdichte der Schafbestände, gerade auch im professionellen Bereich, nicht ausreichend. Er bat mich, auf meine Kollegen einzuwirken, dass sie ihre Tiere impfen lassen. Die letzte Blauzungenattacke hat vor uns haltgemacht, die Kollegen wissen nicht, was auf ihre Tiere, auf sie und ihre Familien zukommt. Ich war beim Bundesleistungshüten und habe die aschfahlen Gesichter der Kollegen gesehen, wenn die Meldungen von den kranken und toten Schafen zu Hause gekommen sind. Ich bezahle lieber die Impfung, denn die Herde ist mein Leben.

Aber nicht alle wollen oder können sich das leisten …

Es gibt Betriebe, die sich die Impfung nicht leisten können: Die Tierseuchenkasse gibt in Brandenburg 2,55 Euro zur Impfung dazu, die kostet im günstigsten Fall 4,50 Euro, sodass bei einer Tausender-Herde schnell 2.000 Euro zusammenkommen. Mit Zutretern und Lämmern sind es 4.000 Euro, und jetzt reden die Fachleute über eine Booster-Impfung, dann sind wir bei 8.000 Euro. Das alles trifft uns jetzt, bevor die Fördermittel da sind. Dass einige Kollegen sagen, „Ich lass es, kam ja letztes Mal auch nicht bis hierher“, kann man ihnen nicht vorwerfen.

Impfung gegen den Serotyp 3

Wann sind Ihre Schafe geimpft worden?

Die letzte Charge am 25. Juli, sie haben jetzt Impfschutz. Aber ich lasse sie boostern und impfe dann die Lämmer mit. Ich hätte sie entgegen der Empfehlung gleich impfen lassen sollen. Meine Kollegen in den alten Bundesländern haben mir das empfohlen. Deren geimpfte Schafe sind nicht sehr krank geworden, aber bei den Lämmern hatten sie bis zu 25 Prozent Verlust.

Wie verlässlich sind die neuen  Impfstoffe?

Wir sind in der Erprobungsphase, in einem riesigen Feldversuch. Aber ich bin dankbar, dass ich eine Waffe gegen das Virus habe. Die Alternative wäre, dass mindestens 20 Prozent der Schafe sterben, fast alle krank würden. Im schlimmsten Fall ersticken und verdursten die Schafe gleichzeitig während ihr Maul fault. Ich will das nicht mit ansehen und denken: Hätte ich mal lieber bei der Bank nach Geld gefragt.

Ist jetzt die Politik gefragt?

Wenn ein Schäfer 20 Prozent seiner Tiere über die Kadaverbeseitigung beseitigen lassen muss, noch extra Impfstoff kaufen muss, dann auch noch Behandlungen hat und seine Arbeit nicht schafft, ist es ein Notfall. Dann müsste eine Sonderzahlung helfen. Das wäre von der Politik zu erwarten. Aber die, die jetzt auf den verantwortlichen Positionen sitzen, sind im Wahlkampf. Aber egal, wer gewinnt: Diesmal muss Hilfe kommen. Wenn Biotope nicht gepflegt und im guten Erhaltungszustand bleiben,  könnte das dem Land angelastet werden. Vorausschauend zu handeln, wäre jetzt eine Möglichkeit, die Härten bei den Kollegen rechtzeitig abzufedern, damit wir unsere Schafe schützen können, das wäre jetzt richtig.

Unterstützung für Halter

Wie könnten Bauern betroffene Schäfer unterstützen, wenn das Virus angekommen ist?

Ich habe meine Schafe jetzt auf Bauernland. Es gibt hier weniger Gnitzen, weil es trockener und windiger ist als in der Senke. Wenn eine Schafherde krank wird, erkennt man es zuerst daran, dass die Schafe humpeln. Sie können sich nicht mehr bewegen.  Bald wird der Schäfer keine Weide mehr um sich herum haben. Wenn dann ein Kollege sagt, „Du kannst auf meiner Wiese den nächsten Schnitt abweiden, da ist weiches Gras für die entzündeten Mäuler der Schafe“, das wäre richtig klasse von unseren Kollegen!

Wie können andere helfen?

All die Leute, die mit den Hunden durch unsere gepflegte Landschaft laufen und sehen, dass die Schafe krank sind, sollten wissen: Wir werden es auch wissen, wenn die Seuche bis hierher gekommen ist! Sie ist ja schon fast auf der anderen Seite von Berlin. Wir werden wissen, dass es den Schafen schlecht geht, und wir werden alle Hände voll zu tun haben, um uns um sie zu kümmern und brauchen dann nicht noch telefonische Hinweise. Auch meine Schafe werden krank werden. Ich werden ihnen Wasser ins Maul spritzen, damit sie nicht verdursten. Die Frage ist nicht, ob sie krank werden, sondern wie sehr, und deshalb investiere ich in die Impfung, und hoffe, dass die Kollegen uns unterstützen, dass die Politik uns unterstützen wird und dass die Bevölkerung uns dann nicht noch das Leben schwerer macht, als es dann sein wird.

Aktuelle Ausgabe
Titelseite Bauernzeitung Ausgabe 35/2024

Unsere Top-Themen

• Zuhause auf dem Land
• Trockenstellen ohne Antibiotika
• Kugelschuss auf der Weide
• Märkte und Preise

Zur aktuellen Ausgabe
Informiert sein
Gnitzen übertragen das Blauzungenvirus.
Das im Blut eines infizierten Wiederkäuers zirkulierende Blauzungenvirus vermehrt sich in der Gnitze und gelangt dabei auch in ihre Speicheldrüse. Von dort kann es bei der nächsten Blutmahlzeit auf neue Wirte übertragen werden. (c) Pirbright

Fachliche Qualität – jetzt digital mit dem gratis Upgrade!

Sie sind bereits Abonnent:in der gedruckten Bauernzeitung und möchten die aktuelle Ausgabe zusätzlich auf Ihrem Smartphone, Tablet oder in der Browseransicht lesen? Erweitern Sie einfach Ihr Abonnement:

  • Jetzt ein Jahr kostenlos upgraden
  • Zuverlässig donnerstags lesen
  • Offline-Modus: E-Paper auch ohne Internetzugang lesen
  • Lesemodus nutzen, Artikel speichern, Suchfunktion
  • Zugriff auf das Ausgaben-Archiv

Die Bauernzeitung jetzt digital lesen – immer und überall!

Bauernzeitung Upgrade 1 Jahr gratis