Leidenschaft für Milchkühe

Mehr als nur Milch: Warum Milchbauern unverzichtbar sind

Die Liebe zu den Tieren verbindet Maria Brouwer (l.) und Christina Münch. Beide arbeiten seit diesem Jahr aktiv im Milchbeirat der Bauernzeitung mit. (c) Claudia Duda
Tierhaltung

Christina Münch und Maria Brouwer betreiben beide Milchwirtschaft in Brandenburg. Im Interview sprechen sie über Milchpreise, Personalmangel und die Folgen der Blauzungenkrankheit.

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Aus Überzeugung und mit Leidenschaft halten Maria Brouwer und Dr. Christina Münch Milchkühe. Im Interview mit der Bauernzeitung berichten sie von den größten Herausforderungen, aber auch Chancen in ihren Betrieben.

Angesichts der momentan hohen Milchpreise gibt es die Meinung: Milchviehbetriebe, die zurzeit kein Geld verdienen, machen etwas falsch. Stimmen Sie dem zu?
■ Maria Brouwer: So pauschal würde ich das nicht sagen. Milchviehbetriebe, die gerade von der Blauzungenkrankheit betroffen sind, verdienen kein Geld und haben aber nichts falsch gemacht. Unser Betrieb war zum Glück nicht so betroffen, wir hatten nur einen positiven Fall, aber relativ viele Verluste bei den Kälbern. Um ein Kalb haben wir vier Wochen lang gekämpft – und dann mussten wir es doch einschläfern. Das ist mental belastend. Es gibt Betriebe, die jeden Tag tote Tiere im Stall hatten und bei denen die Milch richtig eingebrochen ist. Insofern kann ich der Aussage nicht zustimmen.

■ Christina Münch: Solche Aussagen werden der betriebsindividuellen Komplexität der Milchproduktion nicht gerecht. Als Milchviehbetrieb ist man immer bestrebt, die besten Bedingungen zu schaffen. Aber dann kommt es doch anders. Aktuell freuen wir uns einfach, dass die Milchpreise hoch sind. Über die betriebswirtschaftliche Ebene hinaus signalisieren höhere Zahlungsbereitschaften unter anderem eine Wertschätzung für das anspruchsvolle Produkt Milch und die geleistete Arbeit des Teams.

Hohe Kosten durch die Blauzungenkrankheit

Welche Kosten für die Impfung und Behandlung von Blauzungen-Folgen müssen Ihre Betriebe in diesem Jahr aufbringen und welche Unterstützung gibt es von der Tierseuchenkasse?
■ Münch: Allein die Kosten für die Impfung belaufen sich bei uns auf rund 45.000 Euro. Hiervon übernimmt die Tierseuchenkasse etwa die Hälfte.

■ Brouwer: Bei uns lässt sich das nicht genau beziffern. Ein Teil der Impfkosten wurde durch die TSK getragen. Allerdings gibt es für verstorbene Tiere keine Entschädigung. Bei uns im Betrieb konnten wir keine Folgen der Impfung spüren und hatten dadurch keine weiteren Tierarzt-Kosten. Aber es gab viele kranke Kälber, wodurch die Tierarzt-Kosten leicht gestiegen sind. Außerdem war der deutliche Mehraufwand in der Pflege und Versorgung der Kälber eine Kostenposition. Wobei für mich persönlich die mentale Belastung anstrengender war, und mehr Kraft gekostet hat. Hier sind wir an dem Punkt, wo man täglich sein Bestes gibt und es trotzdem manchmal nicht reicht.

Mit dem Mann nach Brandenburg gekommen

Was ist Ihre Motivation für diesen Beruf und für die Milchviehhaltung?
■ Münch: Hier muss ich ein wenig ausholen: Ich stamme aus einer westfälischen Familie, die von jeher landwirtschaftlich geprägt war. Die Lieblingstiere meines Großvaters waren die Milchkühe, die meines Vaters die Pferde. Als in den 60er-Jahren unsere zwölf Milchkühe den Hof verließen und Ende der 90er-Jahre die Milchproduktion auf dem elterlichen Hof meiner Mutter aufgegeben wurde, schien es, als würde das Kapitel der Milchproduktion in unserer Familie für immer geschlossen. 2012 bin ich über meinen Mann Björn Förster nach Brandenburg gekommen, der hier in Schlieben 2008 zunächst als Pflanzenbauleiter begann und später in die Geschäftsführung der Agrarbetriebe Schliebener Land eingestiegen ist.

Seit 2018 bin ich ebenfalls in der Geschäftsführung aktiv, 2023 konnten wir als Familie Mehrheitsgesellschafter werden. Und so wurde dann für mich das Kapitel der Milchproduktion wieder aufgeschlagen: Die Kuh ist das einzige Tier, das in der Lage ist, Grünland in nennenswertem Umfang zu veredeln. Sie erzeugt bei uns nicht nur Milch und Fleisch, sie liefert mit Gülle und Mist auch den organischen Dünger für den Pflanzenbau. Bevor dieser aber auf dem Feld landet, wird er durch die Biogas-Anlagen zu Strom und Wärme veredelt. Zudem entschleunigt der Umgang mit der Kuh ungemein. Bei all diesen Aufgaben, die die Kuh für unsere Gesellschaft in der Kreislaufwirtschaft übernimmt, muss man einfach von ihr begeistert sein.

■ Brouwer: Bei mir ist es die Leidenschaft für die Kühe. Sie begleiten mich mein ganzes Leben lang. Wir betreiben auch die Kreislaufwirtschaft und ich bin überzeugt, dass dies der Weg ist – egal, ob es ein kleiner oder großer Betrieb ist. Ein kleiner Betrieb wie unserer kann genauso effizient, oder manchmal sogar effizienter sein. Kühe holen einen auf den Boden der Tatsachen zurück und geben viel wieder. Ich verbringe jeden Tag Zeit mit den Tieren, ich kenne jedes Tier. Wenn es aber um die viel beschworene Work-Life-Balance geht, dann ist es viel Arbeit, wenig Leben. Aber mich persönlich macht es glücklich, im Stall zu stehen und mich mit den Kühen zu beschäftigen.

Brandenburger Milchkönigin 2023. Maria Brouwer
Würzig riechende Silage wird von Maria Brouwer im Futtergang des Stalls auf dem Buchenhof am Rande von Meyenburg verteilt. (c) Sabine Rübensaat

Was sind momentan die größten Probleme der Milchviehbetriebe?
■ Münch: Es ist das Personal – und dann kommt lange nichts.

■ Brouwer: Außerdem beschäftigt viele das Thema Generationswechsel und alle der Investitionsstau. Das höre ich insbesondere aus Familienbetrieben. Sie stehen vor der Frage: Machen wir es weiter? Wenn ja, müssten wir investieren, aber trotzdem schieben wir es lieber noch ein bisschen auf. So ist es auch bei uns. Eigentlich müssten wir investieren, aber der Schritt ist nicht einfach. Dann muss man hoffen, dass man auch die nächsten Jahre mit dem wirtschaften kann, was man gebaut hat. Vielfach ist nicht klar: Ist das, was ich heute baue, auch in zwei Jahren noch so nutzbar? Wenn ich jetzt einen Stall für 250 Kühe baue, kann ich nicht in zwei Jahren nur noch die Hälfte vom Stall belegen. Das können wir uns nicht leisten.

Bürokratie: In den Behörden herrscht Angst, Fehler zu machen

Im Rahmen der Bauernproteste gab es immer die Forderung nach einer besseren Planbarkeit für die Betriebe. Die Agrarbetriebe Schliebener Land haben erst letztes Jahr in einen neuen Melkstand investiert. Wie lange hat der Prozess gedauert?
■ Münch: Fehlende Planungssicherheiten sind für alle Unternehmen ein Problem und schwächen den Wirtschaftsstandort. Die Komplexität der Regelwerke und die Angst, Fehler zu machen, mögen in den Behörden dazu führen, dass Ermessenspielräume, die es noch immer gibt, zu wenig genutzt werden und Baugenehmigungsverfahren häufig viele Jahre dauern. Wir versuchen unsere Unternehmensphilosophie möglichst proaktiv zu gestalten. Neu- und Umbaumaßnahmen mit den verbundenen Investitionen werden durch meinen Mann intensiv auf ihre praktische Umsetzbarkeit geprüft. 2023 wurde so an unserem Schliebener Standort ein neuer Melkstand gebaut. Statt auf eine Baugenehmigung zu warten, wurde der neue Melkstand in die alte Hülle hineingebaut. Vom Rückbau des alten Melkstandes bis zur Inbetriebnahme des neuen vergingen sechs Monate, der Prozess insgesamt hat etwa zwei Jahre gedauert.


■ Brouwer: Wir melken unsere 150 Kühe auch im Melkstand. Unser Stall ist etwa 30 Jahre alt und hat zu enge Laufgänge, als dass die Kühe freiwillig zum Roboter gehen könnten. Wir setzen außerdem auf Weidehaltung und würden das gern beibehalten. Mit Melkrobotern wäre es schwierig. Auf einem kleinen Familienbetrieb kann ein Melkroboter absolut sinnvoll sein. Aber am Ende müsste man bereit sein, jeden Tag auch nachts zum Roboter zu gehen, falls es ein Problem gibt. Wir sind also nicht vom Roboter überzeugt. Wir würden aber gern einen größeren Melkstand bauen, um die Arbeitszeit zu reduzieren. Allerdings ist hinter dem Stall Wald, davor steht das Haus. Wir sind also mit dem Platz begrenzt. In der Regel melken meine Mutter und ich mit – auch um eine gewisse Kontrolle zu haben.

Agrarbetriebe Schliebener Land.
Viel frische Luft haben die Kühe im Außenbereich der Ställe auf dem Agrarbetrieb Schliebener Land in Brandenburg. (c) Sabine Rübensaat

Viele Firmen in Deutschland beklagen den Investitionsstau und die ungeheuer langen Genehmigungsfristen. Erleben Sie das auch so?
■ Brouwer: Das ist ein Bürokratie-Wald, der sich durch alles zieht.

Landwirtschaft: Personalmangel ist das größte Problem

Sie sagen, das größte Problem Ihrer Branche ist der Personalmangel. Meinen Sie, dass es in unserer Gesellschaft zu wenig Wertschätzung für diesen Beruf gibt?
■ Münch: Ein gesellschaftliches Problem ist sicher, dass es für unseren Wohlstand und die Leistung, die dafür täglich erbracht werden muss, zu wenig Wertschätzung gibt. Alles scheint selbstverständlich. Unser Beruf erfordert täglichen Einsatz und Leistungsbereitschaft – Attribute, die heute leider scheinbar grundsätzlich keinen Wert mehr haben. Zudem haben wir als Branche versäumt, die positiven Dinge aus unserem Berufsalltag nach außen zu tragen. Sie sind in der urban geprägten Welt nicht sichtbar. Dabei können wir vor Ort gestalten. Wir können Beruf und Familie miteinander verbinden. Wir versorgen Tausende von Menschen mit hochwertigen Lebensmitteln. Wir bringen Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz in Einklang. Wir haben einen Traumberuf, der sinnvoll ist.

■ Brouwer: Wir müssen uns darauf konzentrieren, was wir regional vor Ort tun können. Wir müssen Netzwerke stärken – zum Beispiel mit der Kommunalpolitik, mit Lehrern, mit Kindereinrichtungen. Wichtig ist, dass die Menschen wieder selbst erleben, wie wertvoll der Kontakt mit den Tieren und der Natur ist. Das geht nicht über Social Media. Es geht darum, positive Erfahrungen zu machen und zu vermitteln. Verbraucher und Landwirt müssen wieder stärker zusammengeführt werden.

Agrarbetriebe Schliebener Land
Die rotierenden Bürsten in der Anlage in Schlieben sind bei den Kühen sehr beliebt. (c) Sabine Rübensaat


Welche Erwartungen haben Sie an die Politik? Wie kann das Bild nach außen verbessert werden?
■ Münch: Vielmehr sollten wir uns die Frage stellen, welche Erwartungen wir an uns haben? Als Milchviehhalter müssen wir zusammenhalten und für das, was die Kuh im Kreislauf zu leisten vermag, einstehen. Jeder für sich, aber vor allem auch im Schulterschluss wie über den Interessenverband Milcherzeuger (IVM). Es entsteht häufig der Eindruck, dass wir als Landwirtschaftsbetriebe nur passive Begleiter der gesellschaftlichen Entwicklungen sind. Wir sollten unsere Aufgabe als aktive Gestalter für ländliche Lebensräume wieder ernst nehmen, wir sollten uns intensiver in Bildung und Schule einbringen. Authentische und ehrliche Wissensvermittlung, bewusst analog. Auch für Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft.

■ Brouwer: Jedes Kind weiß, dass Gülle stinkt. Aber wie wichtig beispielsweise Gülle und Mist für die Böden hier in der Region sind – das müssen wir vermitteln. Es ist eine Kreislaufwirtschaft.

Milchkönigin Maria Brouwer

Frau Brouwer, als ehemalige Milchkönigin (2022/2023) standen Sie viel in der Öffentlichkeit. Sind Sie überall offen empfangen worden?
■ Brouwer: Ich habe eine große Offenheit erlebt. Natürlich zieht man viele Kinder an. Wenn ich dann erzählt habe, dass wir auf dem Hof Kühe haben, gab es ein großes Interesse und alle haben es positiv aufgenommen. Zumindest auf dem Land. Auf der Grünen Woche in Berlin waren es Krone und Kleid, die die Menschen interessiert haben. Die Aufmerksamkeit kann man nutzen, um zu erklären, wie die Realität ist.

Zukunft der Milch-Betriebe in Ostdeutschland

Welche Zukunft sehen Sie für die Milchwirtschaft in Ostdeutschland?
■ Brouwer: Ich glaube an eine Zukunft der Milchbetriebe in Brandenburg. Es braucht allerdings Menschen, die bereit sind, aus den Gegebenheiten das Bestmögliche herauszuholen. Jeder Betrieb muss seine eigene Strategie finden. Man muss es wollen. Und es muss von der Politik gewollt sein. Wenn es eine Perspektive gibt, gibt es auch Bereitschaft zur Veränderung. Der eigene Nachbar ist das beste Vorbild. Was einer vormacht, machen viele nach.
Allein in Brandenburg haben in diesem Jahr 14 Milchviehbetriebe aufgegeben.
■ Münch: Den Marktprognosen folgend wird der Trend leider anhalten und der Rinderbestand wird sich in den nächsten Jahren noch einmal um weitere 20 bis 30 Prozent reduzieren. Und was einmal weg ist, kommt nicht wieder. Aber für die regenerative Landwirtschaft brauchen wir die Kuh. Durch die bereits beschriebenen Funktionen, die die Kuh für die Gesellschaft übernimmt, ist sie alternativlos. Kurzum: Es lohnt sich, für sie zu kämpfen.

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Brandenburger Milchkönigin 2023. Maria Brouwer auf dem Milchviehbetrieb. (c) Sabine Rübensaat