Neuer Milchviehstall in Stolzenhain: Mehr Tierwohl und Effizienz
Der Landwirtschaftliche Unternehmensverbund Stolzenhain/Prösen (Brandenburg) hat innerhalb von 15 Jahren zwei Milchviehställe gebaut. Beide sind sich ziemlich ähnlich, aber der zweite war fast doppelt so teuer wie der erste. Investiert wurde auch in die Kälberaufzucht. Ein Rundgang.
Am liebsten möchte man selbst einziehen oder die Halle für eine temporäre Kunstaktion nutzen: lichtdurchflutet, der Beton noch hell und sauber. Bei unserem Betriebsbesuch am 30. Oktober ist der neue Milchviehstall des Landwirtschaftlichen Unternehmensverbundes Stolzenhain/Prösen bis auf die Melkroboter noch leer.
Inzwischen ist die Innenausstattung installiert worden. Ab Mitte Dezember werden die 250 Milchkühe in den neuen Milchviehstall umziehen. Viel wird sich für sie nicht ändern. Der neue Stall ist fast baugleich zu diesem, der 15 Jahre alt ist. Neu für sie werden nur die Wasserbetten sein, ansonsten können sie wie gewohnt ihrem Alltag nachgehen.
Verbesserte Logistik und Arbeitsbedingungen
Wenn der alte Milchviehstall leergezogen ist, soll er saniert und ebenfalls mit Wasserbetten ausgerüstet werden. Wenn die neue Richtlinie zur Einzelbetrieblichen Förderung, auf die Investitionswillige in Brandenburg seit Monaten warten, herauskommt, kann dieser nächste Schritt im Gesamtinvestitionsplan getan werden.
Wenn alles gut geht, könnten im April 2025 die 250 Milchkühe, die bisher noch im fünf Autominuten entfernten Stolzenhain stehen, in den sanierten Stall umziehen. „Das wird die Logistik verbessern und uns die Arbeit sehr erleichtern“, sagt Christina Pötzsch, die bisher immer zwischen den Ställen pendeln muss. Sie hat im Betrieb gelernt, ihren Meister gemacht und an der Berufsakademie Dresden Agrarmanagement studiert. Seit 2018 verantwortet sie in der Doppelspitze der Geschäftsführung die Tierproduktion.
Fast baugleiche Ställe, aber nahezu verdoppelte Kosten
Matthias Schubert, der die Geschicke des Landwirtschaftsbetriebes seit 1991 mitbestimmt, ist der erfahrenere Teil des Duos.
Im Februar sprach er auf dem Bauerntag des Kreisbauernverbandes Elbe-Elster über die Stallbauerfahrungen: In den 15 Jahren zwischen dem Bau der fast baugleichen Ställe hätten sich Kosten nahezu verdoppelt, sei das Verfahren deutlich komplizierter geworden. Darum sind wir hier, wollen uns ansehen, was gemeint ist und ins Gespräch kommen.
Blick hinter die Kulissen: Rundgang durch den Milchviehstall
Kathrin Obenaus hat als Prokuristin die Bauprozesse begleitet, und sie begleitet uns auch beim Rundgang. Hier wollen wir zunächst die Milchviehhaltung und die modernen Kälberställe mit automatischem Tränksystem vorstellen, die als Teil des Gesamtinvestitionsplans seit Juni dieses Jahres in Betrieb sind.
Doch zuerst zurück in den „alten“ Milchviehstall. Zuerst fällt die Ruhe auf. Die Milchkühe gehen entspannt ihren Geschäften nach. Und sie sind ausgesprochen sauber. Sie liegen auf Kalk-Stroh-Matratzen, gehen zum Melken oder fressen. Die Futtermischung wird ihnen von einem automatischen Futterschieber immer wieder vor die Mäuler geschoben.
Im hinteren Bereich, aber immer von den Kühen einsehbar, stehen vier DeLaval-Melkroboter der zweiten Generation. Es sei wichtig, dass die Kühe das Melkzentrum von überall im Stall sehen können, betont Matthias Schubert. So können sie sehen, welche Kuh gerade ansteht und entsprechend ihrer Position in der Rangordnung entscheiden, wann sie zum Melken gehen. Nachts gebe es dezentes Rotlicht im Stall, der Robotertrakt sei ständig beleuchtet, sodass sie auch nachts zum Melken gehen können: im Durchschnitt ist das in Prösen 2,7 Mal pro Kuh und Tag.
Effizientes, automatisches Melken mit Echtzeitkameras
Schon beim Stallbau 2009 hat man sich für ein automatisches Melksystem entschieden. Die damalige Herdenmanagerin habe die Systeme getestet, je eine Woche in anderen Ställen mitgearbeitet, erzählt Schubert.
Für DeLaval habe man sich außerdem entschieden, weil die Firma in Stolzenhain einen Servicestützpunkt eingerichtet hat. Prösen wurde Referenzbetrieb. Daher sei man auch schon 2019 auf die neue Generation umgestiegen, die mit Echtzeitkameras arbeitet und sich nicht immer neu justieren muss. Dadurch spare man Melkzeit ein, sodass mehr Tiere an die Reihe kommen, sagt Schubert.
Auch Christina Pötzsch ist zufrieden. Bei Kleinigkeiten könne man sich ganz gut allein helfen, sagt sie. Und da der Service nicht weit ist, sei man auch im Ernstfall auf der sicheren Seite. Und die Kühe schöpfen ihr Potenzial aus, sagt sie. Das neue System arbeite mit vier Milchmengenmessgeräten. „Wir liegen bei 35 Liter pro Kuh und Tag.“
Wasserbetten für mehr Tierkomfort
Als zu arbeitsintensiv haben sich die Kalk-Stroh-Matratzen erwiesen. Deren Erneuerung und Pflege sei mit schwerer und zeitintensiver Handarbeit verbunden, für die schlicht die Leute fehlen. Kommt man mit der Pflege nicht hinterher, gehen die positiven Effekte des Kalk-Stroh-Gemisches für die Eutergesundheit verloren, darum habe man sich beim neuen Milchviehstall für Wasserbetten mit Doppelkammersystem entschieden, erläutert Pötzsch. Darauf kommt ein dünnes Kalk-Stroh-Gemisch, das leichter zu pflegen ist.
Im Reproduktionsstall hat Pötzsch 17 Wasserbetten seit 2022 betriebsintern getestet. Man sieht die Betten nicht. Aber wenn sich eine Kuh bewegt, erkennt man, wie der Untergrund nachgibt, wie die Matte sich unter dem Druck bewegt. Die vordere Kammer ist straffer befüllt. Gut für die Gelenke, wenn die Kuh sich hinlegt. Beim Liegen verteilt sich ihr Gewicht gleichmäßig, Druck- oder Kahlstellen an den Gelenken werden vermieden.
Automatische Zitzen: Stressfreie Milchversorgung für Kälber
In den Kälberbereich sind im Juni Tier- und Menschenwohl vom Feinsten eingezogen. „Vorher hatten wir hier Mittelalter“, bringt es Christina Pötzsch auf den Punkt. Jetzt übernimmt nach den ersten zwei Mahlzeiten Kolostralmilch die „CalfRail Duo“. Die Milch für die Kälber – 70 % Mischkolostrum und 30 % Milchaustauscher – wird in einem Vorraum automatisch gemischt. Die zwei Smarttanks fassen 300 l. Auf genau 39,5 Grad erwärmt, kommt sie über beheizte Schläuche um 4, 7, 10, 13, 16 und 19 Uhr zu den Kälbchen.
Die beiden Tränkarme am Ende der Schläuche schwingen frei in der Luft, und simulieren Zitzen. Nebenbei überwachen sie das Trinkverhalten der Kälber. Wie viel und wie schnell sie getrunken haben, kann Christina Pötzsch per Smartphone-App abrufen. Zwischen den Mahlzeiten reinigen sich Tanks und Schläuche automatisch.
Zukunftsweisende Kälberaufzucht: Mehr Tierwohl, weniger Arbeit
Die 48 Doppelboxen sind jeweils 4,5 m2 groß und können mit einer Trennwand halbiert werden. Die ersten drei Tage haben die Kälber Zeit, auf der Welt, im Stall und bei sich anzukommen, dann wird die Trennwand entfernt. Es folgt die Pärchenhaltung für 21 bis maximal 30 Tage.
Danach geht es hinüber in den Nachbarstall für die „Großen“. Hier stehen 15 Kälber auf je 54 m2. Auch hier ist es absolut ruhig. Die Tiere sind satt und zufrieden. Auch hier gibt es ein Tränksystem wie drüben, allerdings gibt es jetzt nur Milchpulver, Strukturfutter und zunehmend TMR. Tageszunahmen von 1.020 g zeigen, dass sich die Tiere wohlfühlen. „Man sieht sie in den Boxen wachsen“, sagt Schubert.
Nicht nur das Tierwohl, auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter haben sich mit dem neuen Kälberstall grundlegend verbessert. Der neue Milchviehstall und die Sanierung des alten werden sie weiter verbessern.
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