Eigentümer-Wechsel: Gläserne Bio-Molkerei Münchehofe mit neuer Strategie
Die Gläserne Bio-Molkerei Münchehofe möchte wachsen. Wir besprachen mit Rüdiger Fricke und Maximilian Scherres, was sie noch daran hindert und wie sich die Bio-Milchproduktion für Landwirte lohnen kann.
Mitte 2023 wurde die Gläserne Molkerei mit ihren zwei Standorten in Münchehofe (Brandenburg) und Dechow (Mecklenburg-Vorpommern) von der Schweizer Emmi-Gruppe an die Münchner Beteiligungsgesellschaft Mutares verkauft. Ein gutes halbes Jahr später räumte sie auf der Grünen Woche 2024 mit dem Programm „Die Weide lebt“ – gemeinsam für mehr Artenvielfalt“ den 1. Preis in der Kategorie „Ernährungswirtschaft“ und einen Edeka-Regionalpreis ab. Seit November 2024 kommt die Bio-Weidemilch in neuem Design in die Läden, es sieht aus, als sorge der Wechsel für frischen Wind, seit September gibt es auch einen neuen Geschäftsführer …
Neuer Eigentümer, neue Strategie: Die Gläserne Molkerei unter Mutares
Herr Fricke, arbeiten Sie für eine Bio-Heuschrecke, und wenn ja, warum?
Rüdiger Fricke: Mutares ist zwar eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die gezielt Unternehmen aufkauft, die etwas schwächeln, aber eine Heuschrecke im negativen Sinne, ist sie nicht. Der Wechsel hat uns gut getan. Wir haben uns strategisch neu ausgerichtet, die Eigenmarke gestärkt und sehen optimistisch in die Zukunft.
Das Thema Bio und Bio-Milch kenne ich von den Ursprüngen an in all seinen Schattierungen und freue mich, das Thema Gläserne Bio-Molkerei so auf die Schiene zu setzen, dass wir langfristig und nachhaltig damit erfolgreich sind. Ich habe nach der Wende in Kaltensundheim, Thüringen, die erste deutsche Bio-Molkerei mit ganzheitlich ökologischem Konzept realisiert und war da meiner Zeit voraus, musste verkaufen. Jetzt ist die Zeit reif.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Landwirten: Ein Schlüssel zum Erfolg
Herr Scherres, Sie arbeiten seit 2015 für die Gläserne Molkerei, sind für die Zusammenarbeit mit den Landwirten zuständig. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Maximilian Scherres: Ich habe im Mai 2015 mit der Betreuung und Beratung der Lieferanten südlich von Münchehofe angefangen. Heute bin ich für Milcheinkauf, Erfassungs- und Milchlogistik zuständig und habe seit 2024 die Gesamtverantwortung für die Abteilung Landwirtschaft. Mein Ziel war es von Anfang an, die Zusammenarbeit mit den Landwirten auf ein partnerschaftliches Niveau zu heben, eine vertrauensvolle und transparente Zusammenarbeit zu etablieren. Es gibt regionale Lieferantentreffen, wir sind persönlich mindestens einmal im Jahr auf den Betrieben. Das Miteinander ist uns wichtig. Wir wollen das Wir-Gefühl stärken und als Gläserne Bio-Molkerei auch mit den Milcherzeugern transparent agieren.
Fricke: Von der Art und Weise der Zusammenarbeit, Kommunikation und Kooperation wie ich sie hier erlebe, bin ich ausgesprochen positiv überrascht. Das habe ich in den vergangenen 35 Jahren weder in privaten noch in genossenschaftlich organisierten Molkereien so erlebt.
100 Prozent Bio und regionale Produktion
Was macht die Gläserne Bio-Molkerei derzeit aus?
Scherres: 100 Prozent Bio-Produktion, regionale Verarbeitung von regional erzeugter Milch an zwei Standorten, in der Nähe der Metropolen Berlin und Hamburg–Lübeck–Schwerin. Wir verarbeiten mit rund 120 Mitarbeitern 80 Millionen Kilogramm (2024) aus 80 verbandszertifizierten Betrieben, auf Dechow und Münchehofe entfällt je etwa die Hälfte.
Fricke: Die Regionalität ist uns sehr wichtig, auch wenn die Produktion an zwei Standorten herausfordernd ist. Da die Nachfrage jedoch weiter steigt, möchten wir in den nächsten Jahren mehr Biomilch verarbeiten, in den nächsten Jahren wachsen und um die 20–30 Millionen Kilogramm Milch mehr verarbeiten. Mit unserer Fassbutter sind wir mittlerweile Marktführer bei Bio-Butter. Der hohen Nachfrage möchten wir auch in Zukunft gerecht werden, dafür brauchen wir Rohstoff.
Umstellung auf Bio-Milch: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt?
Gerade ist der Preis für konventionell erzeugte Milch zufriedenstellend, die Differenz zu Bio-Milch gering. Warum sollte jemand jetzt umstellen?
Fricke: Stimmt, im Moment haben wir historisch hohe konventionelle Milchpreise. Bio-Milch lag immer 10 bis 15 Cent darüber, der Abstand ist zusammengesurrt auf weniger als die Hälfte. Ich glaube jedoch, das wird sich wieder ändern, erste Entwicklungen 2025 deuten darauf hin und wie gesagt: Der Bedarf ist da. Aus meiner Sicht ist es jetzt, da der konventionelle Milchpreis hoch ist, der beste Zeitpunkt für eine Umstellung auf Bio.
Scherres: Schon 2023 gab es nur vereinzelt Betriebe, die in eine Umstellung auf Bio-Milchproduktion gegangen sind. Zudem ist generell die Zahl der Milchviehhalter in Deutschland Ende 2024 auf ein Rekordtief gefallen. Auch Bio-Milchbetriebe hören u.a. aufgrund des demografischen Wandels auf. Dieser Entwicklung müssen wir entgegenwirken und brauchen dafür neue Umstellungsbetriebe.
Fricke: Sieht man sich die Preisentwicklung nach Beginn des Ukrainekrieges an, ist das durchaus verständlich. Die Produktionskosten sind gestiegen, der Milchpreis kam nicht hinterher. Rückblickend der entscheidende Moment war, als der durch die Kostensteigerung notwendig gewordene höhere Auszahlungspreis komplett auf den Kunden umgelegt wurde, sodass sich die Bio-Milch am 1.7.2022 in einem überproportionalen Maße verteuerte: von 1,15 auf 1,69 Euro. Dazu das Thema Inflation. Von heute auf morgen hatten wir 30 Prozent Absatzverlust. Bio-Milch musste konventionell vermarktet werden und dementsprechend sank auch der Bio-Milchauszahlungspreis. Das hat uns im ersten Halbjahr 2023 extrem wehgetan. Glücklicherweise drehte sich das Blatt in der zweiten Jahreshälfte. Seitdem ist der Absatz kontinuierlich nach oben gegangen.
18 Monate zur Bio-Zertifizierung
Wie läuft üblicherweise die Umstellung auf Bio-Milchproduktion?
Scherres: Die dauert 18 Monate. Meistens fangen Umsteller im Mai an, sodass sie im darauf folgenden Jahr im November Bio-Milch vermarkten können. Die hohe Nachfrage nach Produkten können wir momentan nur bedingt bedienen. Es ist definitiv notwendig, dass wir wieder Betriebe begeistern können, auf Bio umzustellen. Da braucht es auch vonseiten der Politik wieder entsprechende Maßnahmen oder Anreize.
Weidegang als Qualitätsmerkmal
Die Gläserene Molkerei wirbt ja auch mit dem obligatorischen Weidegang. Was genau bedeutet das?
Fricke: In diesem Jahr kommt ja generell die Weidepflicht für Ökobetriebe. Bei uns soll den Kühen mindestens 120 Tage im Jahr täglich sechs Stunden Weidegang ermöglicht werden. Hier in Nord-ostdeutschland ist das Weidethema für die meisten Betriebe aufgrund der Flächenausstattung kein Problem. Demzufolge ist auch das ein Punkt, der für eine Umstellung spricht. Grundsätzlich wollen wir die Milch doch lieber von regionalen Landwirten beziehen, als perspektivisch womöglich auf Zukäufe oder Importe angewiesen zu sein, um die rege Nachfrage in Deutschland bedienen zu können.
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