1,5 Millionen Euro Startkapital? So gelingt die Betriebsgründung trotzdem
Die Herausforderungen einer Betriebsneugründung oder Hofübernahme aus monetärer Sicht thematisierte der 2. Tag der Junglandwirte an der Hochschule Anhalt in Bernburg-Strenzfeld (Sachsen-Anhalt). Es ging auch um Förderung und Finanzierung.
Um heutzutage einen landwirtschaftlichen Betrieb zu gründen, bedarf es einer Menge Kapital. Das wurde auf dem Tag der Junglandwirte im Januar an der Hochschule Anhalt in Bernburg-Strenzfeld eindrucksvoll untermauert. Die zweite Veranstaltung dieses vom Netzwerk Junglandwirte Sachsen-Anhalt organisierten Formats rückte die finanziellen Herausforderungen einer Betriebsgründung in der Landwirtschaft in den Mittelpunkt.
Einschätzung: Wie viel Kapital benötigt man für die Betriebsgründung?
Den Einstieg lieferte mit Frank Damm vom Regionalbüro Quedlinburg der Landberatung GmbH ein profunder Kenner der Materie. Er zeigte beispielhaft auf, dass zur Erzielung eines jährlichen Einkommens von 28.500 Euro für die Lebenshaltung (als untere Schwelle für Selbstständige bzw. entsprechendes Gehalt als Verantwortlicher in einer juristischen Person) mit dem eigenen Betrieb bereits ein Mindestgewinn von 120.000 €/Jahr erzielt werden müsse. Denn von dieser Summe seien etwa 38.000 Euro Einkommensteuern, 14.500 Euro Sozialabgaben und 24.000 Euro Altenteilsleistungen abzuführen, weitere rund 15.000 Euro gingen in die Eigenkapitalbildung.
Ackerbau vs. Nischenproduktion: Kapitalintensive und alternative Wege
Um diese Mindestgewinnsumme mit Ackerbau zu realisieren, bedürfe es bei 300 €/ha mittlerem Gewinn einer bewirtschafteten Fläche von 400 ha. Bei einem Anlagenvermögensbedarf von etwa 2.250 €/ha entspreche das 900.000 Euro für den gesamten Betrieb, die Ernteerstellungskosten von circa 1.500 €/ha summierten sich auf weitere 600.000 Euro. Mithin gebe es einen Kapitalbedarf für eine solche Neugründung von insgesamt 1,5 Mio. Euro.
Damm unterstellte zudem einen mittleren Zinsaufwand von 75 €/ha, in der Summe seien das 30.000 Euro. Bei einem Zinssatz von 4,28 % ergäben sich daraus ihm zufolge 700.000 Euro mögliches Fremdkapital, woraus wiederum 800.000 € Eigenkapitalbedarf folgten. Mit einer Nischenproduktion ließen sich eventuell Alternativen mit einem geringen Kapitalbedarf eröffnen, ergänzte er.
Hofübernahme im Rahmen der Erbfolge: Rechtzeitig planen und wichtige Fragen klären
Als eine weitere Möglichkeit für eine Betriebsgründung in der Landwirtschaft führte der Berater die Hofübernahme im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge an. Hier gelte es u. a., rechtzeitig anzufangen (mindestens zwei bis drei Jahre vorher) und dabei eine Reihe konkreter Fragen zu klären. So sollten die letzten Jahresabschlüsse bekannt sein und künftige Beihilfekürzungen berücksichtigt werden. Wie steht es um Qualifikation bzw. Erfahrungen des Hofnachfolgers (wichtig für Förderung)? Wie soll die Altenteilregelung aussehen? Gibt es weichende Erben (Geschwister), wie soll deren Abfindung geregelt werden? Dies und mehr müsse gründlich durchdacht sein.
Altenteil und soziale Absicherung: Eine Herausforderung für Junglandwirte
Zum Altenteil führte Damm ergänzend aus, dass mit steigender Lebenserwartung über den Betrieb möglicherweise drei Generationen ein gewisser Wohlstand ermöglicht werden müsse. Der den Betrieb Abgebende sei hierauf dringend angewiesen angesichts von monatlichen Einkünften von oft nur 500–600 Euro aus der Landwirtschaftlichen Alterskasse.
Hier stelle sich auch die Frage, ob das soziale System der Landwirtschaft noch zeitgemäß ist. Seines Erachtens sollten Junglandwirte für dessen Reformierung kämpfen.
Fortführungskalkulation und externe Beratung: Unverzichtbare Instrumente
Wichtig seien des Weiteren eine Fortführungskalkulation für den Betrieb (insbesondere bei geplanten Betriebszweigaufgaben, z. B. der Viehhaltung) sowie Gespräche mit Geschäftspartnern, aber auch mit dem Steuerberater und dem Juristen des Vertrauens. Als Letztes hierzu stellte Damm die Frage nach einem Hofübergabevertrag in den Raum.
Eine Betriebsgründung sei darüber hinaus auch durch das Übernehmen von Gesellschaftsanteilen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge möglich, führte der Berater fort. Unterschieden werden müsse hierbei in Betriebe mit einem Gesellschafter bzw. mit mehreren Gesellschaftern. Der Einkauf in eine juristische Person als weitere Option für eine Betriebsgründung sei sehr selten. Bei gut laufenden Unternehmen könne es hier schnell in den siebenstelligen Bereich gehen, gab Damm zu bedenken.
Förderprogramme für Junglandwirte: Zinsgünstige Darlehen und Prämien
Einer Betriebsgründung in der Landwirtschaft, egal in welcher Form, müsse immer eine gewissenhafte Planung vorausgehen, bei der auch die Umlaufmittel nicht vergessen werden dürften, fasste er zusammen. Empfehlenswert sei, so Damm abschließend, sich externen Sachverstand hinzuzuholen, um eine Sicht „von außen“ zu haben.
In der anschließenden kurzen Fragerunde zeigte der Referent noch drei Möglichkeiten der Förderung von Junglandwirten auf: zinsgünstige Darlehen für landwirtschaftliche Investitionen von der Landwirtschaftlichen Rentenbank, die Existenzgründungsbeihilfe in Sachsen-Anhalt sowie die Junglandwirteprämie im Rahmen der EU-Direktzahlungen.
Praxisbeispiel: Erfolgreiche Betriebsgründung von Heinrich Kruse
Seine Erfahrungen mit einer Betriebsgründung in der Landwirtschaft als weichender Erbe stellte hiernach Heinrich Kruse vor. Der 34-Jährige, Ehemann und Vater von vier Kindern, stammt von einem Familienbetrieb in Südoldenburg, wo er mit vier älteren Geschwistern aufwuchs. Er übernahm 2015 aus einer Insolvenz einen Schweinehaltungsbetrieb (ehemalige LPG-Anlage) in Morgenrot bei Quedlinburg im Landkreis Harz mit vier Standorten, Energieerzeugung durch Photovoltaikanlagen und Ackerbau. Im vergangenen Jahr beschäftigte der eingetragene Kaufmann 15 Mitarbeiter und verkaufte rund 37.000 Schweine aus Stallhaltung plus (mehr Platz, strukturierte Buchten) zu einem Durchschnittserlös von 2,03 €/kg.
Zu seinem Antrieb für die Betriebsgründung sagte Kruse, der eigene Gestaltungswille sei ihm wichtig, das eigene Tun und Handeln mache ihn glücklich. Deshalb der Schritt in die Selbstständigkeit. Dass es die Landwirtschaft als Branche und insbesondere die Schweinehaltung sein werde, war angesichts seiner Herkunft klar gewesen. Positiv bewertete Kruse für seinen Betrieb die Standortbedingungen vor Ort und das vorhandene gute Personal.
Finanzierung und Steuerberatung: Perspektiven von Banken und Experten
Von Vorteil seien auch gute Kontakte und verlässliche Partner in der niedersächsischen Heimat, einer Veredlungsregion, gewesen, ferner der Vertrauensvorschuss der Bank in die Unternehmerfamilie bei der Finanzierung ohne Eigenkapital in Form einer GmbH & Co. KG.
Hilfreich war auch, den Start zunächst mit dem Bruder vollzogen zu haben, bevor jeder für sich seinen eigenen Betrieb im Osten führte. Gemeinsam sprächen sie über viele Entscheidungen, auch um einen anderen Blickwinkel zu haben.
In weiteren Vorträgen beleuchteten Thorsten Gerlach, Leiter der Firmenkundenbank der Volksbank Börde-Bernburg, sowie Felix Meyer, Geschäftsführer der Dr. Gemmeke GmbH mit Hauptsitz in Hannover, die Thematik Betriebsgründung in der Landwirtschaft aus Sicht eines regionalen Kreditinstitutes bzw. einer Steuerberatungsgesellschaft.
Kontakt zum Netzwerk Junglandwirte
Lena Westphalen
Tel. 03907 7778725
Junglandwirte@lgsa.de
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