Fast 3°C wärmer

Wetter und Klima in Sachsen: Das sagen Experten zum Jahr 2024

Wetterextreme nehmen mit dem Klimawandel spürbar zu. Auch 2024 überschritt den bisherigen Temperaturrekord. (Symbolbild) © Sabine Rübensaat
Karsten Bär

Die Klimaerwärmung schreitet weiter ungebremst voran. Das spüren auch die einzelnen Regionen wie Sachsen. Experten schätzen das vergangene Jahr ein und wie sich der Klimawandel schon heute auf die Landwirtschaft auswirkt:

Artikel teilen

Sommertage mit 25 °C Lufttemperatur schon Anfang April, wenig später wieder Frostnächte, die zu existenziellen Schäden im Obstbau führten: Das Wetter in Sachsen war im vorigen Jahr von großen Gegensätzen geprägt. Dennoch hat sich auch 2024 der Erwärmungstrend unvermindert fortgesetzt. Bei einer klimatologischen Einschätzung vorige Woche in Dresden wiesen Klimaexperten des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) darauf hin, welche Folgen das hatte und haben wird.

Wie war das Klima 2024 in Sachsen?

Wie ordnen die Experten das Jahr 2024 grundsätzlich ein?

In Sachsen war das Jahr 2024 das wärmste seit den 1881 begonnenen systematischen Aufzeichnungen und löst damit 2023 ab. Im Vergleich zur Klimareferenzperiode 1961–1990 war es 2,8° wärmer und wird somit als „extrem zu warm“ eingestuft. Es gab zudem 20 % Sonnenstunden und auch 1 % Niederschlag mehr. Der Erwärmungstrend hat sich aus Sicht der Experten sogar noch beschleunigt.

Die Sonne steht über einem Rapsfeld
Um fast 3°C war das Jahr 2024 wärmer als die Referenzperiode. Experten nehmen an, das sich die Erwärmung beschleunigt. © Sabine Rübensaat

Trifft diese Einordnung für alle Jahreszeiten zu?

Unterschiede zwischen den Monaten gab es vor allem bei den Niederschlägen. Der März war „extrem zu niederschlagsarm“ (-61 % zur Klimareferenzperiode), der September hingegen mit +117 % „extrem zu niederschlagsreich“. Was die mittlere Temperatur angeht, lagen alle Monate über dem langjährigen Mittel der Referenzperiode. Besonders stachen dabei der Februar und März heraus, die mit einer mittleren Temperatur von +6,7° und +4,1° Rekorde brachen. Am wenigsten warm waren Januar und November. Auch hinsichtlich der Sonnenstunden wiesen die meisten Monate einen Überschuss aus. Interessanterweise hatte auch der niederschlagsreiche September 29 % mehr Sonnenstunden als im langjährigen Mittel.

Klima in Sachsen: Hat es 2024 genug geregnet?

War der Niederschlag ausreichend?

Zwar übersteigt das 2024er-Flächenmittel für den Niederschlag in Sachsen in Höhe von 711,2 mm/m2 den Mittelwert der Klimareferenzperiode (699,4mm/ m2) minimal, jedoch verteilten sich die Niederschläge räumlich verschieden (Abbildung). Manche Regionen Sachsens, etwa im Raum Döbeln, Riesa und Torgau, bekamen etwas weniger Niederschlag als das langjährige Mittel. Auch zeitlich gibt es Unterschiede. In der Vegetationsperiode I (April bis Juni) sind abnehmende Niederschläge ein zu beobachtender Trend. So waren unter anderem der März, der April und der Juni trockener als normal. Der überwiegende Teil des Niederschlagsüberschusses resultiert zudem aus Starkregenereignissen, die kurz und intensiv sowie kleinräumig stattfinden. Trotz des leicht überdurchschnittlichen Niederschlags hat sich die klimatische Wasserbilanz verschlechtert.

Karte: Korrigierter Jahresniederschlag 2024

Was ist die klimatische Wasserbilanz und wie hat sie sich entwickelt?

Die klimatische Wasserbilanz ergibt sich aus Niederschlag abzüglich Verdunstung und beeinflusst maßgeblich das potenzielle Wasserdargebot. 2024 lag die klimatische Wasserbilanz bei 145 l/m2. Das sind 105 l/m2 weniger als im langjährigen Mittel der Referenzperiode 1961–1990. Die Tendenz ist rückläufig: Von 1991 bis 2020 lag der Mittelwert noch bei 245 l/ m2, im Zeitraum von 2011 bis 2020 nur noch bei 185 l/m2. Der Rückgang des Wertes im Jahr 2024 resultiert ausschließlich aus der um 23 % erhöhten Verdunstung.

Bodenwasser-Haushalt und Grundwasser

Wie hat sich der Bodenwasserhaushalt entwickelt?

Während sich die Winterperiode 2023/24 als übermäßig feucht darstellte, folgte anschließend eine rasche und überdurchschnittliche Verdunstung. Unter leichten und schweren Böden fand eine Auffüllung des Bodenwasservorrats statt, nicht jedoch unter schweren Lößböden. Teilweise wurde dort erneut eine bereits seit einigen Jahren beobachtete Sickerwasserlosigkeit beobachtet. Das Defizit der Bodenwasserspeicher unter schweren Böden besteht nach wie vor fort. Selbst ein überdurchschnittlich nasser Winter wird für eine vollständige Auffüllung nicht ausreichen.

Wie ist die Situation beim Grundwasser?

Das Abflussjahr 2024 (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) war – bedingt durch die hohen Niederschläge im Winter – zunächst von einer rasanten Auffüllung bis Februar und dann von einem rasanten Rückgang im Sommer geprägt. Eine solche Schwankung sei noch nicht beobachtet worden, sagt Dr. Andy Philipp, LfULG-Referent Landeshochwasserzentrum, Gewässerkunde. Das schnelle Auffüllen sei auch durch den Umstand hervorgerufen worden, dass große Teile des Winterniederschlags als Regen und nicht als Schnee auftraten. Im Jahresmittel liegen die Grundwasserstände knapp unter dem mehrjährigen Mittel. Damit hat sich die seit 2014 anhaltende Phase ohne nachhaltige Erholung des mittleren Grundwasserstands fortgesetzt. Zu Beginn dieser Woche unterschritten knapp zwei Drittel der Grundwassermessstellen den monatstypischen Grundwasserstand um durchschnittlich 22 cm.

Klima Sachsen 2024: Ein Traktor fährt mit einer Drille über den Acker und säht aus.
Der Klimawandel macht die Abläufe in der Landwirtschaft weniger planbar. © Sabine Rübensaat

Wie beeinflusst die Klima-Entwicklung Landwirte?

Was bedeutet die veränderte Niederschlagsverteilung für die Landwirtschaft?

Künftig wird entscheidend sein, ob die Winterniederschläge ausreichen, um die Bodenwasservorräte aufzufüllen und die Wasserversorgung der Pflanzen in der trockener werdenden ersten Vegetationsperiode (April bis Juni) sicherzustellen. Dabei spielt auch der früher einsetzende Vegetationsbeginn eine Rolle, durch den das pflanzenverfügbare Wasser bis zum Ausgang des Sommers noch knapper werden könnte.

Wie beeinflusst der allgemeine Erwärmungstrend die Pflanzenentwicklung?

Die Pflanzenentwicklung startete 2024 temperaturbedingt enorm früh, wie Falk Böttcher vom DWD deutlich machte. Bereits am 1. Februar begann mit dem Blühbeginn der Hasel das phänologische Jahr – zwei Wochen eher als zum mittleren Termin. Schon Anfang April, und somit drei Wochen früher als normal, begann bereits die Apfelblüte. Die starken Spätfröste in der letzten Aprildekade unterbrachen die rasche Entwicklung jedoch und führten vor allem im Obstbau für erhebliche Frostschäden. Bei einer Normalentwicklung der Vegetation wären diese Fröste kein Problem gewesen, so Böttcher.

Schwere Spätfröste in einem Jahr mit Wärmerekord – wie passt das zusammen?

Trotz höherer mittlerer Temperaturen sind Ausschläge nach unten nicht ausgeschlossen. Die Bandbreite möglicher Temperaturen bleibe unberührt, auch wenn Ausschläge nach unten möglicherweise seltener aufträten, so DWD-Experte Böttcher. Wenn es sie gibt, sind sie allerdings wegen der immer früher einsetzenden Vegetationsentwicklung für den Obst- und Gartenbau sowie die Landwirtschaft umso schwerwiegender.

Aktuelle Ausgabe
Bauernzeitung Ausgabe 05/2025_Titel

Unsere Top-Themen

• Startup-Days auf der IGW
Sonnenblumen im Sortentest
• Robotik: Ab aufs Feld!
• Märkte und Preise

Zur aktuellen Ausgabe
Informiert sein
Mitglieder der Agrarjugend beim Besuch der Dresdener Mühle im Dezember. 50 Teilnehmer erhielten aufgeteilt in drei Gruppen eine Führung durch die Produktionsstätte. Anschließend ging es auf den Striezelmarkt.
Mitglieder der Agrarjugend beim Besuch der Dresdener Mühle im Dezember. 50 Teilnehmer erhielten aufgeteilt in drei Gruppen eine Führung durch die Produktionsstätte. Anschließend ging es auf den Striezelmarkt. © Agrarjugend Sachsen

Fachliche Qualität – jetzt digital mit dem gratis Upgrade!

Sie sind bereits Abonnent:in der gedruckten Bauernzeitung und möchten die aktuelle Ausgabe zusätzlich auf Ihrem Smartphone, Tablet oder in der Browseransicht lesen? Erweitern Sie einfach Ihr Abonnement:

  • Jetzt ein Jahr kostenlos upgraden
  • Zuverlässig donnerstags lesen
  • Offline-Modus: E-Paper auch ohne Internetzugang lesen
  • Lesemodus nutzen, Artikel speichern, Suchfunktion
  • Zugriff auf das Ausgaben-Archiv

Die Bauernzeitung jetzt digital lesen – immer und überall!

Bauernzeitung Upgrade 1 Jahr gratis