Leerer Stall: Warum ein erfolgreicher Milchviehbetrieb aus Sachsen aufgab
Als erfolgreicher Zuchtbetrieb und Milcherzeuger aus Sachsen war die Hahn/Radke Holsteins GbR weithin bekannt. Inzwischen ist der Stall leer. Warum ein Spitzenbetrieb aus der Milchviehhaltung ausstieg:
Fest stand der Entschluss schon länger. Nur das Wann und das Wie waren noch nicht geklärt. Erst als alle nötigen Dinge geregelt waren, machten Iris Hahn-Radke und Marko Radke ihre Entscheidung öffentlich: Ihr Betrieb, die Hahn/Radke Holsteins GbR in Eppendorf, stellt nach fast 20 Jahren die Zucht und Haltung von Milchrindern ein. Unter vielen Holsteinzüchtern sorgte das für ein kleines Beben. Der Betrieb war ein Vorzeigeunternehmen, das mit großen züchterischen Erfolgen von sich reden machte und auch bei der Leistung in Sachsen immer ganz vorn dabei war.
Ausstieg aus Milchviehhaltung: keine wirtschaftlichen Gründe
Der Stall ist inzwischen leer, das Thema Milchproduktion für den Familienbetrieb Geschichte. „Die Arbeit mit den Tieren war das Schönste. Und ich werde das auch vermissen“, sagt Iris Hahn-Radke. Auch wirtschaftliche Gründe waren es nicht, die zu der Entscheidung führten, betonen die beiden, sondern die wachsende Zahl regulatorischer Eingriffe in die tägliche Arbeit und auch die persönlichen Einschränkungen. In dieser Situation wollte das Ehepaar nicht dauerhaft verharren, sondern aktiv eine grundlegende Veränderung und neue Herausforderungen anstreben.
Bürokratie statt Milchvieh: Familie Radke zieht die Reißleine
Fortwährend werde über Bürokratieabbau gesprochen, aber das Gegenteil trete ein, erklärt Iris Hahn-Radke, was dem Landwirtpaar die Freude an der Milchviehhaltung nahm. „Über die vergangenen Jahre sind immer wieder neue Auflagen und Hürden für Landwirte entstanden, sowohl im Stall als auch auf dem Acker“, verdeutlicht sie. „Alle schimpfen darüber, aber machen trotzdem weiter – so sollte es für uns nicht weitergehen.“
Der bürokratische Albtraum eines Landwirts: Ein Fallbeispiel
Ihr Mann nennt ein Beispiel: In einem Projekt des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie habe ihr Betrieb die Verwendung separierter Gülle als Einstreu getestet. Die Ergebnisse des Projektes zeigten, dass dies viele Vorteile habe und es keinen Grund gebe, warum diese Praxis nicht zugelassen sei. Dennoch ändere sich an den gesetzlichen Vorgaben nichts. Nicht nur in diesem Fall habe er den Eindruck, dass die Vorgaben von Menschen erstellt würden, die keinerlei praktischen Bezug haben.
Auch im Ackerbau oder beim Betrieb der Biogasanlage sei der bürokratische Aufwand auf ein unerträgliches Maß gewachsen. Manchmal müsse man über drei verschiedene Masken drei Mal das Gleiche eintragen und dokumentieren, meint Marko Radke. „Das ist so viel Aufwand, der keine Produktivität mit sich bringt.“ Auf Dauer sei das nicht zu stemmen.
Wenn die Liebe zur Landwirtschaft nicht mehr reicht
Der Arbeitsaufwand sei in der Tierhaltung ohnehin schon groß, Arbeitskräfte seien kaum noch für den Job zu begeistern. Das alles habe auch dazu geführt, dass sie als Betriebsinhaber keine Zeit und Kraft mehr hatten, um soziale Kontakte zu pflegen. Etliche Male habe ihnen, wenn sie sich etwas vorgenommen hatten, eine aufs Handy eingehende Störmeldung der Biogasanlage oder des Melkroboters einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Die soziale Verkümmerung war auch ein wichtiger Punkt bei unserer Entscheidung.“ Und nicht zuletzt spielte auch die Frage eine Rolle, was passieren würde, fiele einer der beiden aus gesundheitlichen Gründen längere Zeit aus.
Der Frust staute sich über die Jahre auf. „Vor drei Jahren haben wir angefangen, ernsthaft über den Ausstieg nachzudenken“, blickt Iris Hahn-Radke zurück. Und ihr Mann ergänzt: „Anfangs war es nicht vorstellbar, dass wir aufhören. Kühe sind schließlich unsere Passion.“ Doch nach allem Abwägen der Vor- und Nachteile stand der Ausstieg aus Milchviehhaltung fest. „Uns war wichtig, die Entscheidung frei zu treffen und den Zeitpunkt selbst zu bestimmen“, sagen sie.
Auktion mit Rekordpreis: Abschied von der Herde
Voriges Jahr im Sommer war es so weit. Unter günstigen Bedingungen, während anhaltend guter Milchpreise, bereiteten sie den Ausstieg aus der Milchviehhaltung und damit verbunden den Verkauf der Herde vor. In Anbetracht der hohen züchterischen Qualität ihrer Tiere entschieden sie sich in Absprache mit der Masterrind GmbH für eine Auktion. 118 Tiere – vom Kalb bis zur Altkuh – wurden mit vier Sattelzügen ins niedersächsische Verden gebracht, wo sie am 18. Dezember „unter den Hammer“ kamen. Das Interesse sei enorm gewesen. 800 Leute waren vor Ort anwesend, auch online wurde geboten. „Die Tiere sind uns förmlich aus den Händen gerissen worden“, ist Marko Radke, der die Organisation der Auktion durch Masterrind lobt, noch immer begeistert. Was den Erlös angeht, seien ihre Hoffnungen weit übertroffen worden, freut sich das Paar.
Versteigert wurden die Tiere in fast alle Bundesländer, dabei etwa zur Hälfte an Käufer aus Niedersachsen. Aber auch in den Niederlanden, Luxemburg und Österreich fanden sich Interessenten. Vor allem Züchter und Schauzüchter habe man angesprochen, meint Marko Radke. Der Verkaufszeitpunkt vor den großen Schauen, die in den ersten Monaten des Jahres stattfinden, sei günstig gewesen, da viele durch Zukauf ihr Schaukontingent ergänzen wollten.
Zukunft ohne Kühe: Wie geht es weiter für Familie Radke?
Und wie geht es für das nun ehemalige Holstein-Züchterpaar nach dem Ausstieg aus der Milchviehhaltung weiter? Ihr Betrieb, so erzählen sie, werde als Haupterwerbsbetrieb weiterlaufen, wobei sie auf Lohndienstleistungen eines Nachbarbetriebs zurückgreifen. Die Biogasanlage läuft noch bis Herbst, bis die verbliebenen Futterreserven verbraucht sind. Auch bei der Anlage stünden die ungünstigen Rahmenbedingungen einem Weiterbetrieb entgegen. Beide wollen sich darüber hinaus beruflich eine neue Herausforderung suchen, die im Idealfall mit Landwirtschaft zu tun haben soll, aber nicht unbedingt muss. Fest steht für beide, dass sie arbeiten wollen. Denn bei allem Wunsch nach Entlastung gehöre für sie Arbeit zum Leben dazu.
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