Wirkstoffe und Notfallzulassungen

Pflanzenschutz-Mittel: Es braucht mehr Innovation

Die Bestandsführung wird insbesondere bei Getreide durch die sinkende Zahl an Wirkstoffen immer schwieriger. © Sabine Rübensaat
Kommentar

Immer mehr Wirkstoffe verlieren ihre Zulassung, dafür steigen die Notfallzulassungen exorbitant an. Jetzt muss die Politik Verantwortung übernehmen und der Agrarforschung die richtigen Mittel an die Hand geben. Ein Kommentar zum Mangel an Pflanzenschutzmitteln:

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Auch das noch. Die Kichererbse ist in Gefahr! Pflanzenviren bedrohen das Superfood. Ein Forscherteam aus Experten des Leibniz-Instituts DSMZ, des Julius-Kühn-Instituts (JKI) und des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) hat über zwei Jahre Kichererbsenfelder in Sachsen-Anhalt und Brandenburg untersucht und dabei erstmals das Pea necrotic yellow dwarf virus (PNYDV) entdeckt, ein Virus, das bereits in Hülsenfrüchten wie Erbsen vorkommt und dort zu erheblichen Ertragsausfällen führen kann.

Forscherdrang lässt zu wünschen übrig

Besonders alarmierend fanden die Forscher die Häufigkeit von Mehrfachinfektionen. Passend dazu lautete ihr Fazit, dass Kichererbsen in Deutschland einem hohen Infektionsdruck ausgesetzt sind, insbesondere, wenn man sie in der Nähe von Erbsenfeldern anbaut. Ich freue mich über so viel Elan. Immerhin wurden bundesweit zuletzt 550 ha Kichererbsen angebaut. Die Forderung der Forscher an Politik, Wissenschaft und Landwirtschaft lautet, angesichts der steigenden Nachfrage nach regional produzierten Hülsenfrüchten enger zusammenzuarbeiten, um eine nachhaltige Produktion zu ermöglichen.

Bei allem Respekt: Außerhalb dieser und anderer Nischen lässt der Forscherdrang zu wünschen übrig – warum, bleibt schleierhaft. Fakt ist doch, dass der Anbau und die Bestandesführung von Getreide, großkörnigen Leguminosen und Hackfrüchten immer schwieriger werden. Während 1993 noch etwa 700 Wirkstoffe zur Verfügung standen, sind es aktuell nur noch etwa 200. Auch bei biologischen Pflanzenschutzmitteln ist ein Rückgang zu verzeichnen. Aufgrund der fehlenden Auswahl könnten die Ernten bei Resistenzen oder neuen Schädlingen nicht mehr geschützt werden. Es mangelt zunehmend an zielgerichtetem Schutz vor Schädlingen, Unkräutern, Krankheiten und Viren. Gleichzeitig wachsen die Herausforderungen, wie etwa neu einwandernde Schaderreger und erschwerte klimatische Bedingungen.

Notfallzulassungen über 300 % angestiegen

Daneben zeichnet sich ein gefährlicher Trend ab: Bei den Notfallzulassungen war in den vergangenen Jahren ein Anstieg um 336 % (!) zu verzeichnen. Der Mangel an chemischen Wirkstoffen wird, auch in Forschungs-Nischen, weiterhin unterschätzt. Unterschätzt wird auch die Gefahr für die Ernährungssicherung. In einzelnen Kulturen wie Zuckerrüben (437.000 ha) und Kartoffeln (282.000 ha) wird in Zeiten von SBR/Stolbur der Ernteschutz nur noch schwer zu gewährleisten sein. Raus aus der Nische, rein in die Realität! Das möchte man den Forschern zurufen. Denn das System, das Mensch und Tier ernährt, wird mit einem aus Land und Wirtschaft zusammengesetzten Wort beschrieben.

Pflanzenschutz: Politik muss Agrarforschung unterstützen

Erfolgreich wirtschaften können Betriebe aber nur mit Kulturen, die sie sowohl sicher anbauen und schützen als auch gewinnbringend vermarkten können. Im Sinne dieses Systems sollte der Landwirtschaft dabei geholfen werden, sich zu konsolidieren. Die unabhängige Agrarforschung muss endlich wieder mehr Mittel von der Politik bekommen, um sich um die flächenstarken, wirtschaftlich relevanten Kulturen kümmern zu können, statt diese Arbeit Züchtern und Pflanzenschutzmittelunternehmen zu überlassen.

Zu den aufeinander abgestimmten Verfahren des integrierten Pflanzenschutzes zählen neben Pflanzenzucht, Sortenwahl oder Fruchtfolgegestaltung als Ultima Ratio auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Nur wenn zukünftig widerstandsfähigere Sorten entwickelt und integrierte Pflanzenschutzstrategien erarbeitet werden, kann die Forderung nach Nahrungs- und Futtermitteln deutscher Herkunft erfüllt werden.

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