Nebenerwerb: Warum er für Landwirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar ist
Mehr als „nur“ ein Hobby: In einer exklusiven Befragung von Nebenerwerbsbetrieben im Osten hat die Hochschule Neubrandenburg wieder zahlreiche Fakten zusammengetragen. Teil 3 der Ergebnisse gibt Einblicke in die gesellschaftlichen Leistungen der Nebenerwerbsbetriebe, die weit über die Produktion hinausgehen.
Die Nebenerwerbslandwirtschaft ist deutlich mehr als „nur“ Landwirtschaft. Die dort engagierten Menschen und ihre landwirtschaftliche Produktion erbringen in vielen Fällen Leistungen, die als wichtige Beiträge für den Agrarsektor insgesamt und die Gesellschaft eingeordnet werden können. Eine exklusive Umfrage der Hochschule Neubrandenburg gibt Einblicke.
So hat sich beispielsweise die ganz überwiegende Mehrzahl der befragten Nebenerwerbslandwirte (89 %) an den zurückliegenden landwirtschaftlichen Protesten entweder selbst beteiligt oder unterstützt die Anliegen. Nebenerwerbslandwirte sind also solidarisch mit den anderen Landwirten. Für die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung bieten die kleineren Betriebe eine Form von Landwirtschaft, die häufig leichter verständlich, eher erfahrbar und erlebbar ist und somit das in der Gesellschaft überwiegend positive Image des Sektors mitprägt und stützt.
Erhalt von Nutzflächen und Gebäudesubstanz
Motivierte und überzeugte Landwirtinnen und Landwirte können in die Gesellschaft ausstrahlen und darüber hinaus jüngere Leute für landwirtschaftliche Berufe begeistern.
Als gesellschaftliche Leistungen der Nebenerwerbslandwirtschaft sind insbesondere deren Beiträge zum Erhalt der Kulturlandschaft in allen ihren Facetten zu nennen. Kleine Restflächen, gerade im Umfeld von Dörfern, und besonders Grünländereien werden durch die kleineren Betriebe mittels Beweidung im Rahmen von Mutterkuh- oder Schafhaltung genutzt und offen gehalten. Einer der Befragten hob hervor, dass Flächen, die zu verwinkelt, zu sandig oder zu nass sind, durch die kleineren Nebenerwerbsunternehmen weiterbewirtschaftet werden. Landschaftsbild und Artenvielfalt werden auf diesem Weg positiv beeinflusst.
In den Dörfern wird in vielen Fällen außerdem die traditionelle Bausubstanz durch eine Nutzung erhalten und damit das Erscheinungsbild von Dörfern verbessert.
Die unersetzliche Rolle der Nebenerwerbsbetriebe
Für die Aufrechterhaltung guter Lebensverhältnisse in ländlichen Regionen sind Nebenerwerbsbetriebe ebenfalls nicht zu unterschätzen. Zunächst ergeben sich so wohnortnahe Arbeitsverhältnisse, Aufträge für den lokalen Handel und das Handwerk. Außerdem gibt es so in nicht wenigen Fällen Menschen, die sich in ihren Heimatorten auch noch ehrenamtlich engagieren.
Mit den Produkten werden regionale Lebensmittel erzeugt, die die Familie und die Nachbarschaft teilweise versorgen können. Ländliche Räume ohne Nebenerwerbslandwirtschaft würden vieles verlieren, und daher ist es durchaus bedauerlich, dass die Anzahl der Höfe in Ostdeutschland so viel niedriger liegt als in Westdeutschland oder Österreich. Beides – die Zahlen der Agrarstatistik wie die Ergebnisse dieser und auch vorheriger Befragungen – zeigten, dass Nebenerwerbslandwirtschaft in Deutschland in Ost und West ein wichtiger Bestandteil der Agrarstruktur ist und dies bleiben wird.
Agrarpolitik im Abseits: Warum Nebenerwerbslandwirte sich vernachlässigt fühlen
Besonders bemerkenswert ist dies für Ostdeutschland. Hier sind die Nebenerwerbsbetriebe quasi aus dem Nichts entstanden und konnten sich bis heute trotz der Ignorierung durch die Agrarpolitik am Leben halten.
Einige der befragten Landwirte haben genau dies beklagt. Man hätte erwarten können, dass in Regionen, in denen es ohnehin so wenige aktive Landwirtinnen und Landwirte gibt, sich Agrarpolitik und Agrarverwaltung besondere Mühe geben und dieser Erwerbsform besonderes Augenmerk zukommen lassen. Bislang ist dies aber nicht festzustellen. Weder auf Bundesebene noch in den Bundesländern gibt es größere und gezielte Aktivitäten, die dazu geeignet wären, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für nebenerwerblich geführte Betriebe zu verbessern.
In der bisherigen Ampelkoalition und dem grün geführten Bundeslandwirtschaftsministerium finden sich ebenfalls wenig Initiativen, mit denen die Bedingungen für Nebenerwerbslandwirtschaft positiv gestaltet werden – ähnlich wie in früheren Bundesregierungen auch.
Im Zuge der Bauernproteste und der dadurch ausgelösten Bemühungen zum Bürokratieabbau wurde zumindest beschlossen, dass alle Betriebe bis zu einer Größe von 10 ha von Kontrollen und Sanktionen ab 2025 freigestellt werden, die für die Konditionalitäten relevant sind. Damit können kleinere Betriebe, die vor allem im Nebenerwerb bewirtschaftet werden, in diesem Bereich freier agieren. Rund 37 % der Nebenerwerbsbetriebe deutschlandweit können davon profitieren.
Bürokratieabbau und Förderrecht: Was Nebenerwerbsbetriebe wirklich brauchen
Auch in anderen Bereichen, z. B. bei den Regelungen zur Nährstoffbilanzierung, könnte man kleinere Betriebe von Dokumentationspflichten freistellen oder für diese stark vereinfachte Regelungen finden. Die Erfassungsgrenze sollte auf mehr als 10 ha hochgesetzt werden. Damit würden viele Landwirtinnen und Landwirte im Nebenerwerb von diesen ungeliebten Pflichten ein Stück weit befreit werden. Die Verwaltungsbehörden könnten sich zudem über Arbeitserleichterungen freuen.
Der seit 2023 verstärkte Ausbau der Umverteilungskomponente in den Direktzahlungen kommt den Nebenerwerbsbetrieben natürlich direkt zugute und kann in Abhängigkeit von der jeweiligen Betriebsgröße zu höheren Direktzahlungen führen. So erhält ein 10 ha großer Betrieb rund 262 Euro mehr (Werte für 2023), ein 30 ha Betrieb etwa 790 Euro und ein 50 ha großer Betrieb ca. 1.500 Euro mehr als zuvor durch die Umverteilungsprämie. Diese Regelungen wurden allerdings bereits vor der letzten Bundestagswahl getroffen.
Im Förderrecht für Investitionen wären Anpassungsschritte für die spezifischen Bedingungen der Nebenerwerbslandwirtschaft ebenfalls angebracht. Dies betrifft insbesondere die investive Förderung von kleineren Vorhaben mit einem stark vereinfachten Verfahren. In der Vergangenheit gab es bereits eine kleine Investitionsförderung. Denn die jetzigen Voraussetzungen mit einem Mindestinvestitionsvolumen, mit Vorwegbuchführung, mit formeller fachlicher Qualifikation und den Betreuungspflichten wirken faktisch ausschließend für kleinere Betriebe und damit insbesondere Nebenerwerbsbetriebe.
Diskriminierung von Nebenerwerbsbetrieben: Ungleiche Bedingungen auf dem Bodenmarkt
Dies gilt umso mehr für mögliche Betriebsneugründungen. Dort, wo Bund und Länder die Verpachtung von bundes- und landeseigenen Flächen bestimmen, wäre mindestens eine Gleichbehandlung von Pachtgeboten von Nebenerwerbsbetrieben angebracht.
Leider hat gerade das Land Mecklenburg-Vorpommern mit einem hohen Anteil von Landesflächen vor Kurzem genau das Gegenteil beschlossen: Pachtanfragen von Nebenerwerbsbetrieben werden dort nachrangig behandelt. Die von vielen Nebenerwerbsbauern beklagte Diskriminierung auf dem Bodenmarkt setzt sich somit fort.
Warum Menschen sich für die Nebenerwerbslandwirtschaft entscheiden
Bildung, Beratung und Qualifikationen sind weitere Felder, auf denen es in vielen Bundesländern noch Gestaltungsbedarf gibt. Aufgrund der zeitlichen Restriktionen vieler Nebenerwerbler sind spezielle Angebote sinnvoll, die es in einzelnen Ländern auch so gibt.
Nebenerwerb in der Landwirtschaft wird heutzutage weniger aus einem Pflichtgefühl heraus betrieben, um die landwirtschaftliche Familientradition fortzuführen. Einkommensaspekte werden zwar als wichtig eingeschätzt, aber die Nebenerwerbslandwirtschaft wird zunehmend aus intrinsischer Motivation betrieben.
Auch ist der Nebenerwerb in der Landwirtschaft in vielen Fällen nicht mehr der „Einstieg in den Ausstieg“. Vielmehr ist er eine stabile Erwerbsform über viele Jahre und mehrere Generationen. Den Menschen in den Betrieben geht es nicht ausschließlich um Selbstverwirklichung und Ausgleich zu einer stressigen Arbeits- und Lebenswelt, aber doch mit steigender Bedeutung.
Soziologisch interpretiert, zeigt sich der gesellschaftliche Trend zur Singularisierung. Das bedeutet, dass Menschen in der postindustriellen Moderne nach Lebensmodellen streben, die individuellen Wünschen und Ansprüchen große Bedeutung zumessen. Damit reiht sich Nebenerwerb in der Landwirtschaft in einen generellen gesellschaftlichen Trend ein.
Was Nebenerwerbslandwirte von der Politik erwarten
Für die zukünftige Entwicklung von Landwirtschaft, ländlichen Räumen und einer nachhaltigen Entwicklung besitzen Nebenerwerbsbetriebe Potenziale. Wirtschaftlich stehen sie weniger unter Anpassungsdruck als Haupterwerbsunternehmen. Viele Landwirtinnen und Landwirte im Nebenerwerb wirtschaften ohnehin eher extensiv und damit tendenziell umweltfreundlicher, selbst wenn sie keine zertifizierten Biobetriebe sind.
Diesen positiven Ausgangsbedingungen stehen aber auch gravierende Herausforderungen gegenüber. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass Vorgaben zur Dokumentation und die umfangreichen Kontrollen als Belastung empfunden werden. Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen und das Förderrecht entfernen sich so immer weiter von der Lebensrealität in der Landwirtschaft. Es wäre erstrebenswert, wenn der große Beitrag der Nebenerwerbslandwirtschaft von Politik und Verwaltung zukünftig stärker erkannt würde. Dieser Beitrag ist mehr als nur Produktion. Zukünftige Gestaltung von Agrarpolitik sollte die besonderen Belange von Landwirtinnen und Landwirten im Nebenerwerb besser berücksichtigen.
Teil 1 der Umfrage zur Situation der Betriebe im Nebenerwerb in der Landwirtschaft thematisiert die Ergebnisse zur Gründung und zu den Strukturen von Nebenerwerbsbetrieben. Teil 2 gibt Auskunft zu Technisierung, Investitionen, Einkommensbeitrag und Motivation auf den nebenberuflich geführten Höfen.

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