Weinbau in Brandenburg: Alte Rebstöcke gesucht
Ein Forschungsprojekt will den Weinbau in Brandenburg stärken. Dafür suchen die Wissenschaftler nach vergessenen Rebsorten – die Mithilfe aus der Bevölkerung ist dabei ausdrücklich erwünscht.
Weinbau in Brandenburg erscheint zunächst ungewöhnlich, hat jedoch eine lange Tradition. Bereits im Mittelalter wurde in vielen Teilen des Landes Wein angebaut und gekeltert. Die Weinrebe (Vitis vinifera L.), ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammend, wurde vermutlich durch die Zisterzienser und während der Ostkolonisation durch Siedler aus dem Westen in Brandenburg kultiviert.
Klimawandel als Chance: Warum Brandenburgs Weinberge profitieren könnten
Seitdem erlebte der Weinbau in Brandenburg eine wechselvolle Geschichte. Antje Schüttig von der Humboldt-Universität Berlin will ihn fördern. „Der Klimawandel trägt dazu bei, dass die Bedingungen für den Weinbau in Brandenburg günstiger werden. Wir haben eine der höchsten Sonnenscheindauern im Jahr, was die Zuckereinlagerung in den Trauben begünstigt, und somit eine gute Traubenqualität“, sagt die wissenschaftliche Leiterin des Projektes „Vitis BB“.
Projekt „Vitis BB“: Forschung für ein zukunftsfähiges Rebsorten-Sortiment in Brandenburg
In diesem EIP-Projekt soll ein klimatolerantes und modernes Rebsorten-Sortiment etabliert werden. Die Projektleitung liegt bei der Humboldt-Universität, Fachgebiet Urbane Ökophysiologie der Pflanzen, und wird unterstützt durch zwei Weingüter in Brandenburg: Weingut Patke und Weingut Marbachs Wolfshügel. Weitere Partner sind die Rebschule Freytag in Neustadt an der Weinstraße, das Julius-Kühn-Institut für Rebenzüchtung in Siebeldingen und das Institut für Lebensmittel und Umweltforschung e.V. (ILU) in Bad Belzig.
Weinbau in Brandenburg: Hier gedeihen die Trauben aktuell am besten
Die Weinbaugebiete in Brandenburg konzentrieren sich bislang hauptsächlich auf den Süden, insbesondere auf die Regionen um Werder (Havel), die Niederlausitz und das Elbe-Elster-Land. Hier gedeihen Rebsorten wie Müller-Thurgau, Bacchus, Riesling und Spätburgunder.
Erfahrungen aus der Praxis: Kellermeister über Herausforderungen und Potenziale
Der gelernte Winzer Stefan Bönsch ist Kellermeister beim Weingut Marbachs Wolfshügel südöstlich von Cottbus. Er kümmert sich nicht nur um den Weinkeller mit Vinothek, sondern auch um die Reben auf dem historischen Weinberg auf der Jerischker Endmoräne, der von Hubert Marbach wiederbelebt wurde. Angebaut werden Riesling, Johanniter, Regent und Cabernet Cortis.
Während in diesen Märztagen langsam der Frühling in den Hang zieht, beschneidet Bönsch die Reben. „In Brandenburg Wein anzubauen, ist nicht leicht, aber es lohnt sich, das Kulturgut zu bewahren.“ Den Klimawandel sieht er als Herausforderung: „Die Veränderungen sind spürbar. Die Weinlese beginnt jedes Jahr früher, und wir müssen uns an neue Temperaturen und Niederschlagsmengen anpassen, unsere Weinberge so bewirtschaften, dass sie widerstandsfähig gegen diese Auswirkungen des Klimawandels sind.“ Im Projekt „Vitis BB“ werden zukunftsfähige Sorten erprobt. „Unsere Weinberge sollen auch für kommende Generationen fruchtbar bleiben“, so Bönsch.
Frost als größte Herausforderung für Winzer im Brandenburg
Die Weinbaufläche in Brandenburg umfasst aktuell etwa 40 ha. Das kontinentale Klima mit kalten Wintern und moderaten bis warmen Sommern prägt auch den Weinbau. Die mittleren Niederschläge sind ungleich verteilt, von unter 500 mm bis zu 650 mm im Jahr.
Damit gehört Brandenburg zu den niederschlagsärmsten Gebieten in Deutschland. Die Zusatzbewässerung wird künftig jedoch weiter reduziert werden müssen, und durch den kontinentalen Einfluss wird es häufiger Frost geben. „Unsere größte Herausforderung sind die Frühjahrsfröste. In Brandenburg haben wir einen sehr milden Winter, welcher den frühen Austrieb von Obst- und Weingehölzen begünstigt. Leider haben wir bis in den Mai hinein Minusgrade. Dies kann zu erheblichen Schäden an den frisch ausgetriebenen Reben führen“, erklärt Kellermeister Romano Voß vom Weingut Patke.
Resistenz gegen Pilze: „Vitis BB“ setzt auf Trocken- und Frosttoleranz
Im Projekt „Vitis BB“ liegt der Fokus darauf, moderne PIWI-Reben auf ihre Trocken- und Frosttoleranz zu untersuchen. „PIWI“ steht für pilzwiderstandsfähige Rebsorten mit einer starken Widerstandskraft gegen Echten und Falschen Mehltau, einer typischen Blatterkrankung bei Wein.
Weiterhin sollen historische Weinsorten aus Brandenburg auf ihre Resistenz gegen Pilzkrankheiten geprüft werden. Somit lassen sich traditionelle als auch innovative Ansätze im Weinbau integrieren. „Diese Untersuchungen sind von entscheidender Bedeutung, um den langfristigen Erfolg des Weinbaus in Brandenburg sicherzustellen. Nur eine enge Zusammenarbeit von Forschung und Praxis kann langfristig zu Erfolgen führen. Keiner kommt ohne den anderen auf vernünftige Ergebnisse“, betont Winzer Romano Voß.
Aufgebaut wird im „Vitis BB“-Projekt auf Ergebnissen aus vorhergehenden Forschungsprojekten von JKI und der Humboldt-Universität. So können zum Beispiel historische Rebsorten gleich auf ihre Virusfreiheit getestet werden und veredlungsfähiges Pflanzenmaterial mittels In-vitro-Kultur vermehrt werden.


Labor-Rundgang mit Projektleiterin Antje Schüttig (r.). Projektmitarbeiterin Julia Eckardt (l.) gab den Praxispartnern Romano Voß und Stefan Bönsch Einblicke in die Arbeit mit In-vitro-Kulturen. © Sandra Marquardt
Alte Schätze wiederentdeckt: Das Potenzial historischer Rebsorten für Brandenburg
Weiteres Ziel des Projektes ist es, die Vielfalt des Weinanbaus in Brandenburg durch die Wiederentdeckung und den Anbau historischer Rebsorten zu bereichern. Den Praktikern im Projekt ist es außerordentlich wichtig, die alten Sorten zu erhalten. „Wir starten deshalb einen Aufruf und fragen die Brandenburger“, erklärt Wein-Experte Stefan Bönsch: „Besitzen Sie alte Rebstöcke in Ihrem Weinberg? Wächst vielleicht in Ihrem Garten eine unbekannte alte Rebe? Oder kennen Sie Orte, an denen möglicherweise noch heute historische Rebstöcke existieren?“.
EIP-Projekt
Alte Reben gesucht: Bitte um Mithilfe
Besitzen Sie alte Stöcke in Ihrem Weinberg? Wächst in Ihrem Garten eine unbekannte alte Rebe? Oder kennen Sie Orte, an denen möglicherweise historische Rebstöcke existieren?
Wir sind an allen Hinweisen interessiert, die uns bei der Suche nach historischen Rebsorten unterstützen können. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Hilfreich ist die Mitteilung des Standortes, gern auch des Alters der Reben, sofern bekannt.
Kommt Ihre Rebe für das Projekt infrage, wird sie genetisch bestimmt. Im Projektteam wird die Auswahl jener Sorten getroffen, die künftig auf den Versuchsflächen angebaut werden.
Kontakt: Vitis BB-Projektteam
Ansprechperson: Antje Schüttig, Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: antje.schuettig@hu-berlin.de
Telefon: 030 2093-46428
Grüner Adelfränkisch: Historische Rebsorten als Kulturgut und Geschmackserlebnis
Historische Rebsorten sind ein wertvolles Kulturgut. Sie sind oft besser an die regionalen Gegebenheiten angepasst und können somit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und Qualität des Weinbaus leisten. Zudem bergen sie ein einzigartiges Potenzial für wertgebende Inhaltsstoffe, neue Geschmacksrichtungen und Weinerlebnisse. Eine bekannte historische Rebsorte in Brandenburg ist zum Beispiel Grüner Adelfränkisch, der mit Süßschwarz – ebenfalls eine Rebsorte – verwandt und bereits seit dem Mittelalter in der Mark Brandenburg dokumentiert ist.

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