Hobbywinzer: Keine Angst vorm Krächen
Das Einmaleins des richtigen Rebschnitts vermittelt das Landesweingut Kloster Pforta in Bad Kösen im Rahmen eines Seminars für Hobbywinzer in der Weinbaulage Saalhäuser.
Von Filip Lachmann (Text und Fotos)
Gut 20 Hobbywinzer haben sich im Landesweingut Kloster Pforta in Bad Kösen (Sachsen-Anhalt) eingefunden. In den Saalhäusern, einem Weinberg des Landesbetriebes, wollen sie mehr über den richtigen Rebschnitt erfahren. Zum Seminar werden sie von Franziska Zobel begrüßt. Die Weinbauleiterin führt die Gruppe nur wenig später gemeinsam mit Winzerkollegin Angela Salomon in die Weinlage über der Saale. Direkt in der Praxis sollen die Hobbyweinbauern das Einmaleins des Rebschnitts erlernen. Die Teilnehmer haben Rebschere und Handschuhe mitgebracht. Wo die Ausstattung fehlt, hilft das Weingut aus.
Einführung in den Rebschnitt
Im Weinberg angekommen, wird die Gruppe zur besseren Wissensvermittlung sowie zum leichteren Arbeitsfluss zwischen den beiden fachkundigen Damen aufgeteilt. Bevor die Scheren an den Reben angesetzt werden, vermittelt Franziska Zobel zunächst ein paar grundlegende Informationen über das Landesweingut und dessen Anbauphilosophie.
Mit 50 Hektar Rebfläche ist die landeseigene GmbH das größte Weingut in der Saale-Unstrut-Region. In der Lage Saalhäuser werden 1,5 Hektar Spätburgunder kultiviert. Zur Hangpflege setzt der Betrieb auf eine intensive Gründüngung. Jede zweite Gasse wird ab dem Herbst mit Winterroggen, -wicke, -raps oder ähnlichen Gewächsen eingesät. Der Aufwuchs, der den Boden mit Nährstoffen versorgt und eine natürliche Fauna im Hang begünstigt, wie die Weinbauingenieurin erklärt, wird im Frühjahr mittels Scheibenegge eingearbeitet.
Wegen der zuletzt immer heißeren und trockeneren Sommer schraubt das Weingut die Begrünung der Gassen in der warmen Jahreszeit zunehmend zurück. Auf Nachfrage erklärt die 37-jährige Seminarleiterin, dass im Wein-bau generell wenig gedüngt wer-de, gänzlich verzichten könne man darauf aber nicht. Jeweils im Frühjahr würden etwa 30 Kilo pro Hektar, überwiegend organischer Dünger, ausgebracht.
„Die meisten Hobbywinzer gehen hier zu zaghaft ran“
Anschließend richtet sich der Fokus auf die Reben. Nur noch in wenigen Reihen sind Vorjahrestriebe übrig. An diesen sollen sich die Seminarteilnehmer bewähren. Franziska Zobel demonstriert zunächst die beiden im Weingut bevorzugten Schnittformen: den Zapfenschnitt und den Flachbogenschnitt. In beiden Fällen wird zunächst der Vorjahresaustrieb radikal zurückgeschnitten. „Die meisten Hobbywinzer gehen hier zu zaghaft heran. Sie trauen sich oftmals nicht, so stark in den Pflanzenwuchs einzugreifen“, berichtet die Weinbauleiterin, während sie die alten Triebe entfernt. Prompt schallt es aus der Runde: „Was, so viel?“ oder: „Das hätte ich nicht gemacht!“ Der Verschnitt wird zur späteren Entsorgung in jeder zweiten Gasse gesammelt.
Zwei Schnittarten
Der Zapfenschnitt eignet sich vorrangig bei kräftigeren Reben, die bereits über ein solides Stammgerüst verfügen. Je nach Größe der Rebe lässt Franziska Zobel eine, maximal zwei etablierte Bogreben stehen, an denen sie die Zapfen für den Neuaustrieb vorbereitet. An den sogenannten Zapfenstationen ragen später jeweils zwei Zapfen rund 2 bis 3 cm empor. Der Abstand zwischen den einzelnen Stationen sollte gut 20 cm betragen. „Ziel sollte es sein, pro Rebe zwischen zehn bis zwölf Triebe zu erhalten. Bei besonders schwachen Reben können es auch weniger sein“, so die Fachfrau.
Hinsichtlich der späteren Ertragsmenge zähle für den Zapfenschnitt die Formel „Qualität statt Quantität“. Sprich, was der Schnitt gegenüber anderen Formen an Fruchtmenge einbüße, mache er durch eine höhere Güte der Weinbeeren mehr als wett. Diese Erziehungsform eignet sich laut der Seminarleiterin am besten für den Weinanbau im Nebenerwerb beziehungsweise als Hobby.
Rebe nach Flachbogenschnitt
Rebe nach Zapfenschnitt
Hingegen zählt der Flachbogenschnitt zu den gebräuchlichsten Schnittformen innerhalb des pro-fessionellen Weinbaus. Statt einer bewährten Bogrebe wählt man dazu einen der kräftigsten oder am besten gewachsenen Triebe des Vorjahres und biegt ihn flach um den Draht des Spaliers. Hier-bei lautet Franziska Zobels Devise: „Keine Angst vorm Krächen.“ Was nach einen Anglizismus klingt, ist in der Tat der Fachbegriff für das bewusste Anbrechen, aber keineswegs Durchbrechen des ausgewählten Triebes, um ihn in die richtige Form zu bringen.
Vorsicht ist geboten
Die recht flexiblen Triebe erzeugen dabei ein knirschendes Geräusch. Dennoch ist dabei Vorsicht geboten, da zu viel Kraft oder ein zu spitzer Winkel zum Brechen und letztlich zum Absterben des Triebes führen kann. „Beim richtigen Krächen bleibt der Trieb natürlich unbeschadet. Es brechen lediglich die Holzbrücken im Nodium auf, wodurch die Rute geschmeidiger und der Saftstau größer wird“, erläutert die Weinbauleiterin. Damit sich die unter leichter Spannung gewickelten Triebe nicht wieder lösen, werden sie mit einem kleinen Draht am Spalier fixiert. Hierfür eignen sich besonders spezielle Winzerdrähte, deren Ummantelung vor Reibungs-, Rost- und Frostschäden an den Reben schützt.
Nach der kurzen Einführung sind die Seminarteilnehmer selbst gefragt. Eine Rebe nach der anderen bringen sie in den folgenden anderthalb Stunden für die bevorstehende Saison in Form. Franziska Zobel steht den Hobbywinzern dabei mit Rat und Tat zur Seite. Sie gibt Entscheidungshilfen bei der Triebauswahl und arbeitet Zapfen nach, die zu lang geschnitten wurden. „Ich möchte nirgendwo Hirschgeweihe sehen“, sagt sie in die Runde. Darunter verstehen Weinbauern Zapfenstationen, in denen zwischen den beiden Neuzapfen noch der Vorjahreszapfen emporragt. Zudem klärt sie darüber auf, weshalb sich „zahmes Holz“ besser als Trieb für den Flachbogenschnitt eignet als „Wasserschosse“, diese aber wiederum gute Zapfen ergäben.
Ein weiterer verbreiteter Fehler unter Hobbywinzern sei der zu hohe Rebwuchs. Die Expertin rät, auf eine niedrige Kopfhaltung der Reben zu achten. Als Orientierung für die Kopf-höhe nennt sie etwa „eine Hand-breit unterhalb des Spalierdrahts, an dem der tragende Ast fixiert ist“. Wichtig für eine nachhaltige Kopfentwicklung ist nach Zobels Erfahrung, am Kopf stets zwei Zapfen ausbilden zu lassen. Unabhängig von der Erziehungsform werden im Mai nach dem Ende der Frostperiode die überschüssigen Triebe ausgebrochen. Bei den meisten Rebsorten genügt das einmalige Ausbrechen, nur wenige Sorten wie der Silva-ner oder der Elbling erfordern einen zweiten Durchgang im weiteren Jahresverlauf.
Suppe und Wein für die Hobbywinzer
Nach getaner Arbeit stärken sich die Seminarteilnehmer bei war-mer Suppe und einer kleinen Weinverkostung. Ausgeschenkt wird Spätburgunder von der so-eben beschnittenen Lage. Der gute Tropfen stammt aus dem Jahr 2017, da er bis zur Abfüllung zu-nächst anderthalb Jahre reifte. In geselliger Runde wird dabei weiter gefachsimpelt. So fragt der Jenaer Falko Schulz, welche Sorten sich für den Freizeitanbau am bes-ten eigneten. Franziska Zobel rät daraufhin zu sogenannten Piwi-Sorten, die besonders pilzwiderstandsfähig sind. Zwar sei der private Weinanbau nicht grundsätzlich anfälliger für Krankheiten wie den Echten oder Falschen Mehltau. Doch würden Hobbywinzer oftmals nicht über die gleichen zeitlichen Reserven zur Pflanzen-pflege verfügen wie haupterwerbliche Weinbauern.