Coronavirus: Aktuelles aus Thüringen
In Thüringen gilt die Notbetreuung von Kindern jetzt für die gesamte Landwirtschaft. Die Betriebe berichten von Personalproblemen. Das Land will finanzielle Hilfen auf den Weg bringen und ein Spargelbetrieb vermietet jetzt seine Dämme.
Zehn Tage dauerte es, bis die Thüringer Landesregierung gestern Nachmittag die Notbetreuung von Kindern an Schulen und Kindergärten für in der „Land- und Viehwirtschaft“ tätige Eltern gestattete. Bislang war dies in Thüringen auf „größere“ Tierhaltungen begrenzt. Einige Landkreise hatten sich bei der Kindergartenbetreuung darüber hinweg gesetzt, und die Landwirtschaft generell als systemrelevant eingestuft. Unberührt von der nun erfolgten Anpassung bleibt, dass „beide Eltern in einem Betrieb der kritischen Infrastruktur“ arbeiten müssen. Bescheinigungen der Arbeitgeber müssen belegen, dass „die konkrete Person zur Aufrechterhaltung des Betriebes unabkömmlich ist“.
Viele Mitarbeiter fallen aus
Dass aktuelle Personalprobleme in den Landwirtschaftsbetrieben auf die fehlende Kinderbetreuung zurückzuführen sind, zeigt eine zweite Umfrage des Thüringer Bauernverbands (TBV) unter seinen Mitgliedsbetrieben zu den Auswirkungen der Coronakrise. Von 121 Unternehmen gaben 53 an, dass Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen können, weil sie daheim die Kinder betreuen müssen. Hinzu käme, dass Kollegen in Quarantäne seien oder Mitarbeiter aufgrund der Grenzschließungen fehlen würden. In 44 der 121 Betriebe sind mittlerweile mehr als zehn Prozent der Mitarbeiter nicht verfügbar. Angesichts der ohnehin dünnen Personaldecke geht das an den Unternehmen nicht spurlos vorbei.
Erste Probleme mit Ersatzteilen
Etliche Betriebe, die sich an der TBV-Umfrage beteiligten, berichteten von Problemen bei der Versorgung mit Betriebsmitteln, Ersatzteilen oder Pflanzenschutzmitteln. Dies trifft auch auf Servicepartner (Landtechnik, Technik der Innenwirtschaft, Tierarzt) zu. Beim Absatz von Tieren spüren momentan nur 44 % der tierhaltenden Betriebe keine Auswirkungen der Coronakrise. Immerhin 38 % der Befragten sehen eine staatliche Unterstützung als notwendig an.
Agrarstaatssekretär Weil: Schnelle Finanzhilfen
Agrarstaatssekretär Torsten Weil forderte gestern den Bund auf, auch Landwirtschaftsbetriebe im Rahmen der Corona-Soforthilfen für kleine Unternehmen (bis 10 Mitarbeiter) zu berücksichtigen. Das Thüringer Agrarministerium und das Wirtschaftsministerium prüften, die finanziellen Soforthilfen für die gewerbliche Wirtschaft schnellstmöglich auf die Landwirtschaft und den Gartenbau auszudehnen.
Weil begrüßte, dass die EU-Kommission die Beihilfegrenzen (De-minimis) am Mittwochmorgen für Agrarbetriebe in der Primärproduktion von 20.000 € auf 100.000 € angehoben hatte. Damit sei unbürokratische Hilfe in der Krise möglich. Er forderte den Bund auf, umgehend diese Möglichkeit zu nutzen und Gelder für wirtschaftlich betroffene Agrarbetriebe bereitzustellen.
Einreisestopp für Saisonarbeiter
Mit dem Einreisestopp für Saisonarbeiter aus Polen oder Rumänien hat sich die noch am Dienstag vom Thüringer Gartenbauverband formulierte Hoffnung nach dem Ernteeinsatz angestammter Helfer bei der Spargel- und Erdbeerernte in Luft aufgelöst. Während Agrarminister Benjamin-Immanuel Hoff die Entscheidung von Bundesinnenminister Horst Seehofer heftig kritisierte, zeigte TBV-Präsident Klaus Wagner Verständnis. Es müsse alles getan werden, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen: „Wer in diesem Jahr Spargel essen will, der muss ihn selber stechen“, zitierte der MDR den Thüringer Bauernpräsidenten. Betrieben empfahl er, für die Suche nach deutschen Erntehelfern die entsprechenden Portale zu nutzen. Minister Hoff hatte die landwirtschaftlichen Unternehmen darum gebeten, attraktive Bedingungen für die Saisonarbeiter zu schaffen. Dabei wolle man die Betriebe im Rahmen der Fördermöglichkeiten unterstützen.
Spargeldämme vermieten
Die Agrargesellschaft Herbsteben AG – mit gut 100 ha einer der beiden großen Spargelanbauer im Freistaat – reagiert auf das Fernbleiben der osteuropäischen Saisonarbeiter. Lediglich 16 Erntehelfer sind bereits da. „Doch das reicht natürlich nicht aus, bis zu 220 Leute brauchen wir in der Saison“, sagt Arvid Schmidt-Heck, Assistent der Geschäftsführung. Seit der Betrieb angekündigt hat, seine Spargeldämme zu vermieten, melden sich immer wieder Interessenten. Bürger können nun einen Dammabschnitt mieten und in Eigenregie ernten, selber verbrauchen oder den Spargel vermarkten. „30 Leute stehen bereits in der Liste“, so Schmidt-Heck. Mitunter seien bereits zwei bis drei Dämme bestellt. 300 Meter würden rund 225 € Miete kosten. (unter Mithilfe von Birgitt Schunk)