Düngeverordnung: Verbände blicken jetzt auf rote Gebiete
Nachdem der Bundesrat für die Düngeverordnung gestimmt hat, erneuern die Verbände ihre fachliche Kritik. Zugleich kündigen sie an, die Ausweisung der Nitrat-Überschussgebiete intensiv begleiten zu wollen.
Als ein falsches Signal an die Landwirtschaft hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, die heutige Verabschiedung der verschärften Düngeverordnung im Bundesrat bezeichnet. Die „fachlich mangelhafte“ Verordnung sei von Bund und Ländern im Eiltempo durchgeboxt worden. Die Fristverlängerung zur Abgrenzung der roten Gebiete sowie der dort geltenden Auflagen auf Ende Dezember 2020 sei zwar in Anbetracht der aktuellen Corona-Pandemie richtig, ändere aber nichts an der grundsätzlichen Bewertung der Düngeverordnung.
Für Sachsens Bauernverband war Ergebnis klar
Schon vor der heutigen Entscheidung des Bundesrates sei aus Sicht des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB) klar gewesen, dass eine spürbare Veränderung der Novelle der Düngeverordnung zugunsten der Landwirtschaft nicht mehr zu erreichen war. Eine Verletzung der von der EU-Kommission gesetzten Fristen hätte unweigerlich dazu geführt, dass die gesamten Flächen in Sachsen als rote Gebiete ausgewiesen worden wären. Ziel müsse es nun sein, eine verursacherbezogene Ausweisung von roten Gebieten zu erreichen. Zugleich gelte es, alle Messstellen zu überprüfen. Den begonnenen Dialogprozess mit allen Beteiligten in Politik und Landesverwaltung wolle man weiter fortführen.
Hohe Erwartungen in Mecklenburg-Vorpommern
Nach den Worten von Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, „muss jedem klar sein, dass es für die Landwirte künftig schwieriger wird, Lebensmittel in der bisherigen Qualität und Menge zu produzieren“. Auf absolutes Unverständnis stoße die verpflichtende Reduktion der Stickstoffdüngung auf 80 % des Pflanzenbedarfs in roten Gebieten. Dafür gebe es weder eine pflanzenbaulich noch wasserwirtschaftlich belastbare Begründung. Bei der anstehenden Abgrenzung der roten Gebiete habe man „sehr hohe Erwartungen“ an den Landesagrarminister, erklärte Kurreck.
TBV: Fristverlängerung greift zu kurz
Für den Thüringer Bauernverband (TBV), der die Düngeverordnung einen fachlichen Irrweg nannte, greift die Fristverlängerung als Reaktion auf die Coronakrise zu kurz. Die Kapazitäten seien derzeit mit der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Landwirtschaftsbetriebe ausgelastet. Längere Sperrfristen verlangten nach dem zeitnahen Bau von mehr Lagerkapazitäten für Gülle und Festmist: „Die Coronakrise macht es derzeit schlicht unmöglich, diese Arbeiten anzugehen. Die Landwirte müssten jetzt damit beginnen, können aber weder die erforderlichen Baugenehmigungen noch die notwendigen Baukapazitäten bekommen“, so TBV-Präsident Klaus Wagner. Die Folge werde ein weiterer Abbau der Tierbestände sein, in einigen Fällen auch das Aufgeben ganzer Betriebszweige. Ungeachtet dessen eröffne die Verschiebung die Möglichkeit, die roten Gebiete in Thüringen genauer abzugrenzen. Verbände und Fachministerien in Thüringen seien dabei auf einem kooperativen Weg unterwegs.
LBV Brandenburg: Verbleibende Zeit nutzen
„Was wir als Bauernverbände erreicht haben, ist eine Fristverlängerung. Auf mehr wollten sich die politischen Akteure angesichts der drohenden Strafzahlungen der EU nicht einlassen“ kommentierte Henrik Wendorff die Bundesratsentscheidung zur „fachlich fragwürdigen neuen Düngeverordnung“. Die Landwirte, so der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg (LBV), müssten die verbleibende Zeit intensiv nutzen, um ihre Gülle- und Festmist-Lagerkapazitäten zu erweitern. Hier erwarte der LBV, dass die Genehmigungsverfahren schnell und unkompliziert laufen und die Fördersätze deutlich angehoben werden.
Bauernbund Brandenburg: „Das ist ein Schlag ins Gesicht“
Scharfe Kritik übte der Bauernbund Brandenburg an der Bundesratsentscheidung: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der zehntausenden Bauern, die gegen die sinnlose Reform auf die Straße gegangen sind und an vielen Orten nachgewiesen haben, dass die neuen Regeln keine Vorteile für die Umwelt, wohl aber Nachteile für die Ernten bringen“, so Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung. Die Düngeverordnung sei „ein technokratisches Monster, der heutige Beschluss eine Machtdemonstration der Bundesregierung gegen die Menschen auf dem Land, die jeden morgen früh aufstehen und unser tägliches Brot erzeugen“. Landwirtschaftsministerin Klöckner brauche sich nicht einzubilden, dass mit der Verabschiedung der Novelle die Diskussion beendet sei. Jung prophezeite, dass es viele Klagen gegen die roten Gebiete geben wird.
AbL sieht Landesregierungen jetzt in Verantwortung
Für den Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, stehen jetzt die Landesregierungen in der Verantwortung, zusammen mit Bauern, Wasserwerken und Umweltverbänden eine möglichst verursachergerechte Ausweisung von Gebieten und die Festlegung von praxisgerechten und angemessenen regionalen Regelungen zu treffen. „Von Bund und Ländern zusammen müssen die vielen Betriebe und Wirtschaftsweisen gestärkt werden, die nicht Verursacher sind. Den anderen müssen Wege ermöglicht werden, Lebensmittelerzeugung und Umweltschutz in der Praxis wieder zu vereinen.“ Seine AbL-Vorstandskollegin Elisabeth Fresen warnte davor, im Angesicht der Corona-Krise und der Düngeverordnung lautstark in den Medien Überlegungen eines Produktionsstreiks anzustellen:„Das ist nicht nur unanständig, sondern auch gefährlich. Wer jetzt mit Drohungen leichtfertig Vertrauen aufs Spiel setzt, hat den Ernst der Lage nicht verstanden und handelt verantwortungslos.“
Land schafft Verbindung hält sich Klageweg offen
Den Klageweg gegen die Ausweisung der roten Gebiete will sich auch „Land schafft Verbindung – Deutschland“ (LsV) offen halten, kündigte dessen Vorstand an. Die Fristverlängerung wollte LsV als kleinen Erfolg der Bewegung verstanden wissen. „Wir müssen mit unserer Arbeit weitermachen und eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Bestimmung und Auswertung der Messstellen und eine Düngeverordnung fordern, die nicht die Gesamtschuld auf die Landwirte abwälzt, sondern alle Verursacher adäquat berücksichtigt“, hieß es in einer Erklärung. Aufgabe sei es nun, an einem Konzept zur Binnendifferenzierung mitzuarbeiten, das alle Belange berücksichtige – die der Umwelt und die der Landwirte. Erinnert wurde daran, dass in Kürze weitere Entscheidungen anstehen, die Landwirte maßgeblich betreffen werden, darunter zur Alters- und Krankenkasse, Zulassung und Verbot von Pflanzenschutzmitteln, Tierwohl, das Pauschalierungsverbot oder das Insektenschutzprogramm.