Tierisch harte Zeiten im Wildpark Schorfheide

Wildparkchefin Imke Heyter füttert die Pommerschen Landschafe und hat auf der Internetseite des Parks einen Spendenaufruf gestartet, um den Wildpark vor dem Aus zu retten. Ob Hafer, Heu oder Möhre – gespendet werden kann sogar für ein bestimmtes Futter.
Landleben
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Landauf, landab kämpfen Wild- und Tierparks aufgrund der Coronakrise ums Überleben. Wir haben uns im Wildpark Schorfheide in Brandenburg umgeschaut.

Von Bärbel Arlt (Fotos: Sabine Rübensaat)

Wir dürfen unseren Wildpark nach über vier Wochen Schließung wieder öffnen“, Geschäftsführerin Imke Heyter kann ihre Freude kaum in Worte fassen: „Am Mittwoch, 22. April, gehen die Türen wieder auf – einen Tag nach dem 24. Geburtstag unseres Parks. Was für ein wundervolles Geburtstagsgeschenk, und unsere Stimmung ist super.“ Noch vor wenigen Tagen, als wir uns mit der Wildparkchefin getroffen haben, sah die Welt ganz anders aus, und wir erlebten eine angespannte Situation zwischen Existenzangst und bangem Hoffen.

Überwältigende Spendenbereitschaft

Imke Heyter ist Geschäftsführerin des Wildparks Schorfheide.

„Hallo Schätzchen, es gibt Frühstück“, ruft Imke Heyter dem Luchsweibchen Luna zu, das schon sehnsüchtig auf seine Leckerbissen wartet. Normalerweise ist die Tierfütterung eine Besucherattraktion. Doch Besucher hat der 110 ha große Wildpark in der brandenburgischen Schorfheide, rund 40 km nördlich von Berlin, seit dem 19. März nicht mehr gesehen. Die Geschäftsführerin der gemeinnützigen GmbH denkt mit Grauen an den Tag zurück, als die Anweisung, den privat geführten Park zu schließen, auf ihrem Tisch lag.

„Da schießen Tausende Gedanken und Fragen durch den Kopf: Was passiert mit den Tieren, wenn das Geld fürs Futter nicht mehr reicht? Was passiert mit dem in 24 Jahren aufgebauten Unternehmen, was mit den Mitarbeitern?“, erzählt sie uns und spricht über Existenzängste und schwache Nerven in den ersten Schließungstagen. Von den 22 Mitarbeitern musste die Wildparkchefin 15 in Kurzarbeit schicken. „Das war für mich ganz schlimm, bedeutet das doch für jeden Einzelnen erhebliche finanzielle Einbußen.“



Futterreserven für nur drei Wochen

Auch die Gastronomie, ein wichtiges Standbein im Wildpark, wurde komplett heruntergefahren. Und das Geld fürs Tierfutter reichte nach der Schließung nur noch für drei Wochen. Was tun? Die 250 Wildtiere wie Rot- und Damwild, Wisente, Elche, Wölfe, Przewalski-Pferde, Wollschweine, Ziegen verhungern lassen oder notschlachten? Nie im Leben hätten Imke Heyter und ihre Mitarbeiter das übers Herz gebracht.

Doch dann kam die Corona-Soforthilfe, die der Wildpark beantragt und auch bekommen hat. „Doch diese Gelder allein reichen nicht für die Unterhaltung des Parks“, so Imke Heyter. „Deshalb haben wir auf unserer Webseite einen Hilferuf gestartet, der – auch dank der Medien – eine unglaubliche Spendenwelle ausgelöst hat.“ So kommen helfende Gelder von Stammgästen, Privatpersonen und Unternehmen der Region, aber auch aus ganz Deutschland.


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Video (c) Sabine Rübensaat

Von heute auf morgen Fußballfan

Zudem hat sich Imke Heyter an die private Spendeninitiative „We kick Corona“ der Bayernfußballer Goretzka und Kimmich gewandt – letztlich mit unerwartetem Erfolg. 10.000 € wurden dem Wildpark überwiesen. „Mit Fußball hatte ich eigentlich nie was am Hut. Aber jetzt bin ich Fan“, lacht die Wildparkchefin und verrät, dass sie mit dem Spendengeld Heuballen kaufen werden.

„Dieses Feedback, diese Solidarität hätte ich so nie erwartet. Auch meine Mitarbeiter haben gespendet, was mich tief berührt hat“, sagt sie und bekommt feuchte Augen. Auch die vielen Mails mit aufmunternden Worten geben Kraft. „Das alles zeigt wie niemals zuvor, dass unser Wildpark, unsere Arbeit, wertgeschätzt werden. Ein großes Dankeschön an alle, die uns so unterstützen.“

50.000 Euro monatliche Kosten – vor allem für Futter

Rund 50.000 € braucht der Wildpark bei reduzierten Kosten jeden Monat – vor allem für Futter. Denn auf dem wöchentlichen Speiseplan der 250 Wildparkbewohner stehen unter anderem 150 Kilo Möhren, 100 Kilo Äpfel, zwölf Bund Heu, 500 Kilo Getreide sowie Spezialpellets für die Elche. Und die regionalen Händler können das Futter auch liefern. Bis Mitte Mai ist der Tisch gut gedeckt – dank der vielen Spenden. Denn die Einnahmen waren mit dem Tag der Schließung auf null gesunken. „Und ab Ostern setzen wir normalerweise unseren Winterspeck an. Doch ans Speckansetzen ist nicht zu denken. Jetzt geht es nur ums schlichte Überleben“, so die Wildparkchefin.



Auch viele Veranstaltungen, darunter die beliebten und schnell ausgebuchten Vollmondwolfsnächte, Familien- und Vereinsfeiern, Führungen, die Umweltbildung mit Workshops und Projekttagen sowie die Schulungen im 2018 eröffneten Wolfs- und Herdenschutzinformationszentrum – alles sackt in sich zusammen und wird sich wohl nur langsam erholen. Und das Jahr hat noch etliche Monate, und keiner weiß, wie sich alles entwickelt. Auch wenn im Moment die blanke Existenzangst vom Tisch ist, sich Optimismus breitmacht, so bleibt doch ein sorgenvoller Blick in die Zukunft: Was wird wann wieder möglich sein? Und werden die Leute dann Geld für einen Wildparkbesuch ausgeben wollen?

Lebenswerk des Vaters im Blick

In dieser schwierigen Zeit denkt Imke Heyter oft an ihren Vater Dr. Frank Heyter, dessen Lebenswerk dieser Park ist, und der vor 24 Jahren aus der Not heraus geboren wurde. Der promovierte Landwirt am Institut für Pflanzenschutzforschung wurde nach der Wende mit 50 Jahren arbeitslos. „Mit Tourismuskonzepten und Standortanalysen hielt er sich über Wasser, weil er von Ökosystemen etwas verstand. Dann beauftragte ihn das Biosphärenreservat Schorfheide mit einer Konzeption für das ehemalige Gestüt. Und ihm kam die Idee, dort heimische Wildtiere anzusiedeln.



Das Projekt war fertig, mein Vater verliebt und erklärte: Das machen wir selber. Und so wurde das Haus verkauft, das Geld für die Firmengründung und den ersten Zaun verwendet. Und ohne weitere finanzielle Mittel, aber mit viel Enthusiasmus haben wir dann 1996 auf der grünen Wiese angefangen, den Wildpark aus dem Boden zu stampfen“, erzählt uns Imke Heyter, die seit den ersten Stunden mit dabei war und seit 14 Jahren die Geschäfte führt, kurz und knapp die Wildparkgeschichte. „Vater ist im vorigen Jahr gestorben. Ich bin froh, dass er die jetzige Situation nicht miterleben musste.“

Auswirkungen für die gesamte Region spürbar

Und die Situation hat Auswirkungen über den Wildpark hinaus. „Wir sind ein wichtiger Tourismusfaktor mit rund 100.000 Besuchern im Jahr, von denen auch andere in der Region profitieren – Gastronomie, Pensionen bis hin zur Keramikerin oder zum Imker. Und auch deshalb ist es wichtig, dass der Park seine Pforten wieder öffnet“, so die studierte Touristikerin.

Auch Geschäftspartner wie Futtermittellieferanten hängen letztendlich mit dran. „Wir wollen diese Lieferketten aufrechterhalten, unsere Händler weiter unterstützen. Denn wir brauchen für unsere Tiere zertifiziertes Futter, und das wird streng kontrolliert. Deshalb helfen uns vor allem Geldspenden. Reste aus der heimischen Biotonne, so lieb sie auch gemeint sind, nützen uns leider nichts, wir dürfen sie nicht verfüttern“, so Imke Heyter, die sich in diesen Krisenzeiten auch Sorgen um die alten Haustierrassen macht. „Ich hoffe, dass viele Halter diese Tiere nicht aufgeben.

Erste Besucher sind wieder herzlich Willkommen

Der Park hat seine Tore wieder geöffnet. Es ist ein zarter Anfang, und das Wildparkteam freut sich wie nie zuvor auf seine Besucher. „Wir leben seit 24 Jahren von und mit unseren Tieren und Gästen. Und das soll auch so bleiben.“ Doch auch Geldspenden sind weiterhin wichtig für das Überleben des gepflegten Areals mit seinen 250 Tieren. Allerdings bleibt die Gastronomie erst mal weiterhin geschlossen. Doch Imke Heyter hat da gleich einen Tipp parat – frei nach einem Lied von Liedermacher Rainald Grebe: „Nimm Essen mit, wir fahren nach Brandenburg.“


Mehr Informationen zum Wildpark Schorfheide und zu Unterstützungsmöglichkeiten gibt es auf der Homepage.