Neue Studie: Wolf kann fast überall leben

Wölfe im Wildpark Schorfheide. (c) Sabine Rübensaat
Überregional
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Der Wolf könnte weiter in Deutschland sesshaft werden. Was in Brandenburg Realität ist, zeigt eine Studie jetzt für ganz Deutschland: 700-1.400 Territorien á 200 km² sind die Prognose. Gregor Beyer vom Forum Natur Brandenburg schätzt die Zahl als zu gering ein.

Von Heike Mildner

Seit in Deutschland wieder Wölfe leben, werden Informationen über sie gesammelt: Dank verschiedener Besenderungsprojekte wie Telemetrie werden Rückschlüsse auf die individuelle Raumnutzung von Wölfen gezogen. Das bundesweite Wolfsmonitorings zeigt seit dem Jahr 2000, wo sich Wolfsterritorien in Deutschland befinden. Mit den in Deutschland gewonnenen Daten wurden die Lebensräume (Habitate) von Wölfen charakterisiert und die Ergebnisse mithilfe der Habitatmodellierung auf Deutschland übertragen. So konnten die Gebiete identifiziert werden, die sich in Deutschland als Lebensräume für Wölfe potenziell eignen. In einem zweiten Schritt wurde die mögliche Anzahl und räumliche Verteilung von Wolfsterritorien in Deutschland abgeschätzt.

Studie im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz

Die Ergebnisse der Analyse würden verdeutlichen, dass Wölfe weite Teile der deutschen Landschaft in ihrer Vielfalt nutzen können. In Deutschland seien etwa 700 bis 1.400 Territorien von je etwa 200 km² mit geeignetem Lebensraum vorhanden, fanden die Wissenschaftler heraus. Urheber der Studie sind die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW), das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), die Technische Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin und das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (Wien). In Auftrag gegeben und veröffentlicht hat sie das Bundesamt für Naturschutz. „Die Ergebnisse der vorliegenden Studie liefern den für das Wolfsmanagement zuständigen Behörden und Institutionen des Bundes und der Länder die notwendigen Informationen, um ihre Managementmaßnahmen vorausschauend anzupassen“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung.

Urbaner Lebensraum: Wolf nicht an Wald gebunden

Gregor Beyer, Geschäftsführer des Forum Natur Brandenburg und engstens mit dem Thema Wolf vertraut, begrüßt, „dass sich zwischenzeitlich offenbar das von uns schon lange thematisiert Bewusstsein durchzusetzen scheint, wonach die mitteleuropäische Kulturlandschaft aus der Perspektive des Wolfes einen idealen Lebensraum darstellt. Das Gutachten räumt mit der irrigen Annahme auf, dass der Wolf als ,Tier der Wildnis‘ an Waldlebensräume gebunden wäre und beispielsweise den urbanen Verflechtungsraum meiden würde.“ Genau das Gegenteil sei der Fall und die Aussage, wonach „Wölfe als absolute Habitatgeneralisten potenziell die fast gesamte deutsche Landschaft in ihrer Vielfalt nutzen können“ leider absolut zutreffend.



Gleichwohl dürfe in diesem Kontext nicht vergessen werden, dass alle wildbiologischen Habitatmodelle der Vergangenheit mit immensen Fehlern behaftet waren. Es seien immer nur Modelle, die auf einer Reihe von Annahmen beruhen, so Beyer. „Deshalb halten wir die ermittelte Zahl von 700 bis 1400 Wolfsterritorien für Deutschland nach aller Wahrscheinlichkeit für unterschätzt.“ Gesichert sei bislang nur, dass der Wolfsbestand jedes Jahr mit rund 35 % wächst und im Kontext der Modellrechnung keine realistische Grenze nach oben erkennen lässt. 25.000 Wölfe in spätestens zehn Jahren seien mithin realistisch.

Forum Natur Brandenburg: Bestandsmanagement dringend nötig

Das aktuelle BfN-Skript (hier nachzulesen) verdeutliche in geradezu essenzieller Art und Weise, dass wir dringend unverzüglich zum aktiven Bestandsmanagement des Wolfes gelangen müssen, bekräftigt Beyer. Es sei gänzlich undenkbar, dass wir den deutschen Wolfsbestand, dessen Population sich längst im günstigen Erhaltungszustand befindet, bis an die Grenze der maximalen Territorienkapazität des Landes anwachsen lassen.

Wie Schwarz- und Rehwild, Waschbär und andere deutlich vor Augen führen, werde eine Bestandsreduktion umso schwieriger, wenn Territorien bereits am Rande der möglichen Lebensraumkapazität besetzt sind. „Wer nach diesem Habitatmodell den Gong immer noch nicht gehört hat, der handelt entweder unverantwortlich oder aber ihm sind die Interessen der in Deutschland tätigen Weidetierhierhalter – wie die Akzeptanz für den Wolf – schlichtweg egal.“