Pflanzenschutz durch elektrische Sikkation

Der Generator zur Stromerzeugung befindet sich im Heck und wird durch die Zapfwelle angetrieben. Über die Applikatoren im Frontanbau gelangt der Strom in die Pflanzen.
Landtechnik
Artikel teilen

Durch die Einschränkungen im chemischen Pflanzenschutz werden geeignete Alternativen in allen Bereichen der Pflanzenproduktion nötig. Hier ein „spannender“ Ausblick, wie mit Hochspannung Zellstrukturen von Pflanzen zerstört werden können.

Von Gerald Burgdorf

Gerald Burgdorf, Leiter des Sachgebiets Hackfrüchte im Fachbereich Pflanzenbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Der milde Winter 2019/20 ohne Frost hat die Zwischenfrüchte grün gehalten. Neben den ohnehin möglichen mechanischen Verfahren stehen zurzeit auch noch nicht-selektive Herbizide zur Verfügung, um die Aussaat der Hauptkultur vorzubereiten. Mit den zukünftigen Einschränkungen im chemischen Pflanzenschutz ist aber der Blick über den Tellerrand notwendig. Deshalb wurde durch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Landkreis Peine auf einem sandigen Lehm im Dezember 2019 ein Exaktversuch zur Bekämpfung eines Ölrettich-Zwischenfruchtbestandes angelegt.

Nachdem der Winterweizen am 1. August 2019 gedroschen wurde, fand eine zweimalige Stoppelbearbeitung mit einer Kurzscheibenegge statt. Vor der Aussaat der Zwischenfrucht wurde noch ein Grubberstrich auf ca. 25 cm durchgeführt. Die Aussaat des Ölrettichs fand dann am 22. August 2019 mit einer Saatstärke von 25 kg/ha statt. Im Frühjahr 2020 folgten auf den Ölrettich die Zuckerrüben.

Zur Bekämpfung des Zwischenfruchtbestandes kam schwerpunktmäßig das Electroherb-Verfahren der Firma Zasso, einem jungen Start-up aus Aachen, zum Einsatz. Bei diesem Verfahren wird über einen zapfwellengetriebenen Generator im Heckanbau Strom erzeugt, der über die Applikatoren im Frontanbau in Hochspannung moduliert und über Kontakt mit Elektroden in die Pflanzen geleitet wird. Durch bis zu 8.000 V Hochspannung mit maximal 3 A Stromstärke werden die Zellstrukturen der Pflanzen zerstört, was zum Absterben des Bestandes führen soll.

Die Schlepperleistung im Versuch betrug 160 PS. Nach den bisherigen Erfahrungen ist dies nach jetzigem Stand auch das Minimum. Der Frontanbau mit den Applikatoren hat ein Gesamtgewicht von insgesamt ca. 1,3 t. Um das Gerät muss während des Betriebes ein Sicherheitsabstand von mindestens 3 m eingehalten werden.

Applikatoren im Frontanbau zur Übertragung des Stroms durch die Pflanzen.

Kombination von Verfahren

Mit den weiteren Behandlungsmaßnahmen Mulcher und Grubber sowie deren Kombinationen wurden zusammen mit der unbehandelten Kontrolle neun verschiedene Verfahren zur Bekämpfung des Ölrettichbestandes getestet und deren Wirksamkeit bonitiert (Tabelle). Der Ölrettich entwickelte sich aufgrund der Witterung im Spätsommer und Herbst des letzten Jahres nicht sonderlich üppig und konnte mit einer mittleren Wuchshöhe von 33 cm als unterdurchschnittlich bezeichnet werden. Die Behandlungen mittels Mulcher (bodennahes Abschlegeln) und Grubber (Bearbeitungstiefe 15 cm) wurden Mitte Dezember 2019 quer zur eigentlichen Bearbeitungsrichtung durchgeführt. Im Januar oder Februar sollte auch die Behandlung mit dem Electroherb-Verfahren stattfinden. Zur Wirkungsunterstützung, die den Wachstumskegel der Rettichpflanzen nach der Stromwirkung final schädigt, wurde auf eine Frostphase gewartet, da sich bei vorherigen Untersuchungen der Firma Zasso zeigte, dass die Anwendung des Electroherb-Verfahrens vor oder während einer Frostphase von Vorteil ist.

Da diese aber leider an diesem Standort ausblieb und die Bedingungen durch die ergiebigen Niederschläge in dieser Zeit ein Befahren der Fläche ohne Strukturschäden nicht möglich machten, konnte die Behandlung erst Ende März, also deutlich zu spät, durchgeführt werden. In dieser Zeit war tatsächlich Frost zu verzeichnen. Allerdings waren die Ölrettichbestände vorher wieder sehr wüchsig gewesen. Die Behandlung wurde mit einer Arbeitsbreite von 3 m und einer Arbeitsgeschwindigkeit von 3 bzw. 6 km/h durchgeführt. Damit lag die Flächenleistung bei 0,9 bzw. 1,8 ha/h (ohne Wendevorgänge). Da Ende März die Bearbeitung der Flächen und die Aussaat der Zuckerrüben bereits begonnen hatten, konnten die Erkenntnisse zum Behandlungserfolg nur über einen Zeitraum von acht Tagen gewonnen werden. Bonitiert wurden sowohl der gesamte Bestand als auch Einzelpflanzen mit Auswirkungen auf oberirdische und unterirdische Pflanzenteile. Nach der Auswertung der Bonituren wird deutlich, dass keine der Maßnahmen in diesem milden Winter einen ausreichenden Behandlungserfolg aufweisen konnte. Durch die Kombination von Mulcher, Grubber und dem Electroherb-Verfahren sind Wirkungsgrade bis zu 90 % zu erreichen. Mit einer Steigerung der Stromstärke (durch Verringerung der Fahrgeschwindigkeit auf 3 km/h) konnte der Bekämpfungserfolg erhöht werden.

Schonender für das Bodenleben als der Pflugeinsatz

Nach aktueller Einschätzung ist durch die Strombehandlung ein positiver Effekt auf die Verhinderung des Wiederaustriebes des Ölrettichs erzielt worden. Eigene Untersuchungen auf das Bodenleben konnten an dieser Stelle aufgrund des enormen großen erforderlichen Aufwandes nicht betrieben werden. Es kann an dieser Stelle nur auf Auftragsstudien der Firma Zasso verwiesen werden, in denen selbst bei sehr hohen Stromstärken (hohe Leistungsabgabe in Kombination mit einer langsamen Fahrgeschwindigkeit) auf ungestörtem Grünland im Frühjahr 2019 keine nachhaltigen Effekte auf Regenwürmer und Springschwänze im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrolle zu verzeichnen waren. Diese Aussagen werden durch Untersuchungen aus der Schweiz gestützt, in denen der Pflugeinsatz als nachteiliger für das Bodenleben beschrieben wird als der Einsatz von Strom.


Ratgeber Pflanzenschutz 2020:

  • Krankheitsbekämpfung
  • Unkrautbekämpfung
  • Schädlingsbekämpfung


Erkenntnisse für die Zukunft

Für die zukünftigen Einsätze wurden neue Erkenntnisse für weitere Kombinationen der nicht-chemischen Verfahren gewonnen. Die Motorisierung des Schleppers sollte beim Electroherb-Verfahren nicht unter 160 PS betragen. Mehr Schlepperleistung steigert leider die Flächenleistung nicht, da die Fahrgeschwindigkeit die Strommenge pro Pflanze definiert. Besser entwickelte Pflanzen wurden stärker geschädigt als schlecht entwickelte, was auf den besseren Elektrodenkontakt stärkerer Pflanzen und somit eine erhöhte Stromdosis zurückzuführen war. Mulchen, Grubbern und das Electroherb-Verfahren als Einzelmaßnahme erzielten in diesem frostfreien Winter keinen zufriedenstellenden Behandlungserfolg bei der Zwischenfrucht Ölrettich. Die Kombination der drei Verfahren brachte einen Wirkungsgrad von 90 %.