Die Kita „Fuchsbau“ hat 2018 eine 77-kW-Solaranlage aufs Dach bekommen. Sie liefert Strom fürs Haus, die Küche und eine Sauna. ©Catrin Hahn

Energie-Kommune: Der Rehfelder Weg

Die Gemeinde vor den Toren Berlins hat sich auch für dieses Jahr viel vorgenommen. So plant die „Energie-Kommune des Monats“ Ladestationen für Elektroautos und ihr eigenes Nahwärmenetz. 

von Catrin Hahn, Berlin 

Seit zehn Jahren schon zeichnet die Agentur für Erneuerbare Energien die „Energie-Kommune des Monats“ aus. Betrachtet man die Karte mit den Preisträgern, fällt leider auf, dass die meisten im Süden oder Westen des Landes bzw. im windreichen äußersten Nordwesten liegen. Im Januar diesen Jahres hat allerdings – entgegen dem Trend und hochverdient – eine kleine Gemeinde im Osten Brandenburgs den Titel erhalten: Rehfelde. 

Der 5.000-Einwohner-Ort liegt etwa 30 km östlich von Berlin, landschaftlich reizvoll am Rande der Märkischen Schweiz. Die Einwohner engagieren sich vielfältig und sorgen für ein buntes Leben im Ort. Dieser Umstand und sicher auch die Tatsache, dass der Zug von Berlin-Ostkreuz nur etwa eine halbe Stunde braucht, sorgen seit Jahren für einen stetigen Zuzug. Vor allem junge Familien siedeln sich an, viele Eigenheime entstanden schon, Kindergarten und Grundschule werden erweitert bzw. neu errichtet. 

Versorgung mit erneuerbarer Energie 

„Wir möchten gerne eine Versorgung mit erneuerbaren Energien vor Ort sicherstellen – preiswerten Strom aus eigener Produktion und ohne Treibhausgasemissionen. Und zwar von allen gemeinsam für uns alle“, so beschreibt Helmut Grützbach die Vision der Energiegenossenschaft „Rehfelde-EigenEnergie eG“. Grützbach ist einer der Vorstände der Genossenschaft, die sich 2012 aus einem Arbeitskreis heraus gegründet hat. „Wir hatten uns damals zusammengefunden“, erinnert sich Grützbach, „als wir gegen die Versuche zur CO2-Verpressung protestiert haben. Später haben wir uns dann gedacht, wir können ja nicht nur gegen was sein, wir müssen ja auch für was sein. Also haben wir den Arbeitskreis gegründet.“ Und der hat dann, später auch mit der Gründung und Unterstützung der Energiegenossenschaft, klar formuliert, wofür die Teilnehmer sind: Nämlich dafür, die Energieversorgung des Ortes in mehreren Etappen in die eigenen Hände zu nehmen, um unabhängig von den großen regionalen Energieversorgern und dabei gleichzeitig preisgünstig zu sein. Nun konnte das Thema „preisgünstig“ wegen der derzeit hohen Netzentgelte noch nicht verwirklicht werden. In der Genossenschaft denkt man aber schon intensiv darüber nach, bei der nächsten Ausschreibungsrunde 2026 das örtliche Stromnetz vom Betreiber E.DIS AG zu kaufen.  

Der-Rehfelder-Weg
Helmut Grützbach ist in der Kita vor Ort, um den Fehler zu finden, den die Steuerung für die Solaranlage gemeldet hat. ©Catrin Hahn

Bis dahin arbeitet man beharrlich und größtenteils ehrenamtlich am „Rehfelder Weg der Energiewende“, der eine Energieversorgung in einem Mix von Solar- und Windenergie, Biothermie, Wasserkraft und Wärmeenergie in Blockheizkraftwerken mit eigenen Pufferspeichern vorsieht. Festgeschrieben wurde dieser „Rehfelder Weg“ 2014 in einem Energiekonzept, in dem es heißt: „Die Genossenschaft setzt sich für eine stabile, sozialverträgliche, preisgünstige und unabhängige sowie für eine nachhaltige und umweltverträgliche Lösung zur Energieversorgung ein.“ 

Mit heute schon 230 Mitgliedern und einem Investitionsvermögen von rund 10 Mio. € bewegt die Genossenschaft dabei richtig viel. Das zahlt sich auch für die Anleger aus, denn auf die eingezahlten Mitgliedschaftsanteile sind 2,5 % Zinsen angelegt. Da dieser große Berg an Vorhaben nicht gänzlich in ehrenamtlichem Engagement zu bewältigen ist, wurde mit Kofinanzierung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative eine Stelle für einen „Klimaschutzmanager“ eingerichtet. Seit zwei Jahren – und demnächst in einer Verlängerung für weitere zwei Jahre – hat diese Stelle René Tettenborn inne. Tettenborn, der nach einigen Jahren im Filmgeschäft Regionalmanagement in Eberswalde studierte, dann in der Kommunalberatung und als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Eberswalde arbeitete und nebenbei zwei Genossenschaften mitgründete, die sich mit den Themen Landwirtschaft und Erneuerbare Energien befassen, hat viele Ideen für die nächsten Jahre. Darunter die bereits begonnene Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED. Oder die energetische Sanierung von zwei Wohnblocks und die Errichtung von Heizzentrale und Nahwärmenetz. Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Nicht zuletzt bewirbt sich die Genossenschaft um eine Photovoltaik-Freiflächenanlage auf der ehemaligen Deponie der Gemeinde. 

Sonnenstrom für Schule und Kita 

Kaum ein Jahr nach ihrer Gründung hat die Energiegenossenschaft schon das erste Großprojekt gestemmt. 2013 wurde eine 56-kW-Solaranlage auf dem Dach der Schulturnhalle installiert. Wenige Jahre später wurde diese im Winter von vielen Sportvereinen genutzte Halle dann aus Eigenmitteln energetisch saniert. 

Auch die Kita „Fuchsbau“ erhielt sowohl eine neue schützende Hülle, um Wärmeverluste zu minimieren, als auch eine 77-kW-Solaranlage. Der Strom aus beiden Anlagen wird soweit wie möglich vor Ort genutzt – die Kitaküche kocht das Essen für Kindergarten und Grundschule mit Sonnenstrom, auch eine Sauna wurde errichtet – der Überschuss geht ins Netz. 

Gemeinsam mit der Gemeinde engagiert sich die Genossenschaft auch in Sachen Windenergie. Im Juli 2017 wurden zwei Windenergieanlagen im nahegelegenen Windeignungsgebiet in Betrieb genommen, damit ist das Vorhaben eines der größten Bürgerwindprojekte Brandenburgs. Zwar gab es vorher durchaus Debatten in der Gemeinde. Anwohner hatten befürchtet, dass die neuen Mühlen im Ort für Lärm sorgen würden, weswegen extra ein Schallgutachten erstellt wurde. Die beiden 2,4-MW-Nordex-Anlagen mit jeweils 140 m Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von 117 m sollen 14.000 MWh Strom ins Netz speisen – viel mehr, als der gesamte Ort im Jahr verbraucht. Die Gewinne aus dem Betrieb der Anlagen bleiben dabei überwiegend in der Gegend, denn das Eigenkapital des 10 Mio. € teuren Projektes kommt zum größten Teil aus der unmittelbaren Umgebung.  

Da die neue Gastrasse „Nord Stream 2“ direkt am Windfeld vorüberführt, kann sich Tettenborn für die Zukunft auch eine Power-to-Gas-Anlage am Fuß der Windräder vorstellen, die überschüssigen Strom bei Bedarf als Biomethan oder Wasserstoff ins Gasnetz einspeist. 

Steckdosen zum Tanken und eine Ideenschmiede 

Auch die erneuerbare Wärme stand von Anfang an auf der Agenda der Energiegenossenschaft. Schon seit 2012 sorgt im sanierten Bahnhofsgebäude eine Holzpellet-Heizung für angenehme Raumtemperaturen in Bahnhof, Touristeninformation, Arztpraxis und Büros. Nach einigen Lehrjahren und einem Betreiberwechsel arbeitet sie inzwischen vorbildlich und dient als Blaupause für ein weit größeres Vorhaben, das sich zur Zeit in der Abstimmungsphase in der Gemeindevertretung befindet: ein „energetisches Quartiersmanagement“ für Grundschule, einen Schulneubau und zwei Wohnblocks. Sie alle sollen an ein Nahwärmenetz angeschlossen werden und von einer modernen Hackschnitzelheizung mit einem Gaskessel als Puffer beheizt werden. „Die Pellets für die Heizung im Bahnhof kommen derzeit noch von einem überregionalen Anbieter“, sagt der Klimamanager. „Wir planen aber für die neue größere Heizung, Holz aus der Forstpflege der umliegenden Wälder oder vielleicht eigenen Kurzumtriebsplantagen zu verwenden“, denkt Tettenborn weiter.  

Doch um Energieeffizienz soll es nicht nur bei öffentlichen Gebäuden oder Neubauten gehen. Und so organisierte Tettenborn im vergangenen Winter einen Thermografie-Rundgang für Eigenheime. Die Wärmebilder lassen Schwachstellen schnell sichtbar werden. Manchmal kann man dann schon mit kleinen Eingriffen Energie und damit bares Geld sparen, wie die Teilnehmer an diesem Rundgang erfahren konnten.  

Auch an die Energiewende im Verkehrssektor – im Allgemeinen ja eher ungeliebtes Stiefkind der Erneuerbaren – hat man in Rehfelde gedacht. Um die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten der Elektromobilität zu richten und zum Beispiel Pendlern Lademöglichkeiten zu bieten, könnten am Bahnhof demnächst niederschwellige Ladesäulen aufgebaut werden. „Das ist nicht viel mehr als eine handelsübliche Haushaltssteckdose. Wer zur Arbeit nach Berlin pendelt, kann sein Auto ja für ein paar Stunden am Netz lassen.“ Diese Ladepunkte sind günstig – dafür könnten ein paar mehr gebaut werden. Und betrieben werden sollten sie am besten mit Solarstrom, meint Tettenborn.   

Obwohl er sehr umtriebig und einfallsreich ist, muss er als Klimamanager ja nicht alle Ideen selber haben, findet er. Außerdem lässt sich ein in der Gruppe entwickelter Plan später viel besser in die Tat umsetzen, weil alle mitziehen. Und so fand im Sommer des letzten Jahres in Rehfelde ein Seminar statt, in dem neue Ideen für den Ort entwickelt werden sollten: die KlimaKulturWerkstatt. Eine der Ideen, die von den knapp 40 Teilnehmern entworfen wurde, ist ein gemeindeeigenes Lastenfahrrad. Das könnte zum Beispiel die Einkäufe für ältere Mitbürger transportieren oder das Mittag­essen für die Grundschule von der Kitaküche in die nahe Schule liefern. Auch der bewusste Einsatz saisonaler Produkte war ein Ergebnis der KlimaKulturWerkstatt. 

Damit auch die Jüngsten schon mit den Ideen der Energiegenossenschaft vertraut werden – schließlich werden sie die Früchte dieser Arbeit später genießen – kümmert man sich in Rehfelde auch um deren Information. Als die Solaranlage auf dem Kitadach in Betrieb genommen wurde, erklärte ihnen der Genossenschaftsvorstand alles ganz genau. Klimaschutzmanager Tettenborn machte von seiner Filmerfahrung aus früheren Zeiten Gebrauch und drehte dann mit Kindern einen Film über Ressourcenschutz. Bald soll ein Klimafrühstück stattfinden, bei dem sich auch die Kinder über den Sinn des Klimaschutzes unterhalten sollen. 

Und so sieht man in Rehfelde zu, dass das Engagement für den Klimaschutz auch in der nächsten Generation Wurzeln schlägt. Auch an andere Gemeinden möchte man sein Wissen gerne weitergeben, denn:

„Klimaschutz ist kein Geschäftsgeheimnis, sondern kann ein Gewinn für alle sein.“